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Beute im Blick. Der Uhu ist ein Raubvogel, der vor allem in den Nacht- und Dämmerungsstunden jagt. Dabei hat er es auf kleine Säugetiere und Vögel abgesehen.

© picture alliance / dpa

Tierschutz: Die Uhus kommen zurück

Sie waren fast ausgerottet – nun sind sie wieder da. Aber die moderne Landwirtschaft macht ihnen zu schaffen.

„Huuhuu“. Dieser dumpfe, ein wenig unheimliche Ruf im nächtlichen Wald, lässt manchem einen Schauer über den Rücken laufen. Vogelkenner jedoch sind begeistert, hören sie doch gerade einen Uhu, die größte Eulenart der Erde. In Mitteleuropa war Bubo bubo in den 1960er Jahren fast ausgerottet. Heute ist der „König der Nacht“ bereits in einige Regionen wieder zurückgekehrt. „2300 Brutpaare gibt es zurzeit allein in Deutschland“, berichtet der Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte in Niedersachsen, Markus Nipkow. Doch die Rückkehr der Uhus verläuft schleppend. Es ist fraglich, ob die Zahl der Tiere weiter steigen wird.

Rund ein Fünftel des deutschen Bestandes lebt in Bayern, wo Christiane Geidel vom Landesbund für Vogelschutz das Leben der Uhus für ihre Doktorarbeit untersucht. „Der Bruterfolg des Uhus in der Region Altmühltal ist nämlich schlecht“, erklärt die Wissenschaftlerin den Auslöser ihrer Studie. Rund 80 Uhupaare leben in der Gegend. Aber selbst in guten Jahren zieht nur die Hälfte davon Nachwuchs auf, in schlechten Jahren sind es mitunter nur zehn Brutpaare, die Jungtiere haben. Auf Dauer ist das zu wenig. Darum hat Geidel das Leben der Vögel genauer erforscht und einiges herausgefunden, was auch andernorts den Uhus zu schaffen machen könnte.

So scheint es vor allem Engpässe bei der Ernährung zu geben. Mehr als 8000 Beutetiere des Uhus hat Geidel zwischen 2007 und 2012 untersucht. Im Winter waren es fast immer Mäuse, aber auch der eine oder andere Eichelhäher. Wenn andere Nahrung knapp ist, wagt ein Uhu auch schon einmal einen Angriff auf besonders gefährliche Gegner wie einen Fuchs. Sehr selten finden sich im Frühling und Sommer auch die Reste von Wildschwein-Frischlingen oder Rehkitzen in den Nahrungsresten der Eulen. „Vermutlich waren die meisten solcher großen Opfer aber schon tot, als der Uhu sie gefunden hat“, sagt Geidel.

Das wussten die Jäger im Mittelalter offensichtlich nicht. Sie hielten Uhus für eifrige Vertilger von Niederwild, die vom Hasen bis zum Rehkitz alles verspeisten, und neideten den vermeintlichen Konkurrenten die Beute. Mit allen Mitteln versuchten sie, die Vögel zu dezimieren. „Vor allem das Ausnehmen der Nester scheint die Art hart getroffen zu haben“, sagt die Expertin. „1913 wurde die letzte Uhu-Brut in Brandenburg nachgewiesen“, erzählt Torsten Ryslavy von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. Markus Nipkow ergänzt: „1937 wurde in Niedersachsen das letzte Uhu-Weibchen geschossen“. Insgesamt gab es in den 1960er Jahren in Deutschland noch etwa 40 Uhupaare in Bayern, Thüringen und Sachsen. In Österreich und in der Schweiz sah es nicht besser aus.

Daraufhin begannen Vogelschützer in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die bedrohten Tiere in Gefangenschaft zu züchten und sie anschließend auszuwildern. Allerdings breiteten sie sich nur sehr langsam aus, denn junge Uhus suchen sich am liebsten in der Nähe ihres Geburtsortes ein Revier. So gibt es in Brandenburg bis heute vermutlich nur 10 bis 20 Uhus, schätzt Torsten Ryslavy. Platz wäre für deutlich mehr. „Theoretisch könnten allein in Brandenburg mehrere Hundert Uhu-Paare leben“, sagt er.

Weshalb die Vögel dort und in anderen Gebieten wie dem Altmühltal sich kaum vermehren, hat nun die Studie von Christiane Geidel gezeigt. Die Zahl des Uhu-Nachwuchses hängt stark von der Zahl der Mäuse ab: Die künftigen Uhu-Mütter fangen im Winter viele Nager, um sich Fettvorräte anzufressen. So haben sie ausreichend Energie, um Eier zu produzieren und diese etwa um den März herum 34 Tage lang auszubrüten. Ist der Winter mild, finden die Mäuse viele Samen und Getreide und vermehren sich explosionsartig – die Uhus haben leichtes Spiel. In solchen Wintern sind die Weibchen im Altmühltal gut genährt und etwa jede zweite Uhu-Familie hat Nachwuchs. In schlechten Mäusejahren hingegen haben nur 10 bis 15 Prozent der Paare Küken, hat Geidel festgestellt.

Auch das Aufziehen der Jungtiere verlangt den Eltern einiges ab. Acht Wochen dauert es, bis ein Uhu das Fliegen lernt. Anschließend wird der Nachwuchs ausgebildet, indem er sich von seinen Eltern die Jagdmethoden abschaut. „Das ist manchmal gar nicht so einfach“, sagt Geidel. In der warmen Jahreszeit stellen die Uhus im Altmühltal und vermutlich auch in anderen Gegenden häufig Igeln nach. Die verlassen sich auf ihre stachelige Abwehr und schmatzen bei ihren nächtlichen Mahlzeiten aus Larven und Würmern recht laut. Die Geräusche locken Uhus an. Der Igel rollt sich rasch zu einem stacheligen Ball zusammen, den kaum ein Feind knacken kann.

Der Uhu aber schlägt seine harten Krallen um den Igel herum und zerquetscht ihn mit seinen Füßen. Nun kommt die nächste Aufgabe: Wie verzehrt man die Beute, ohne sich zu verletzen? Uhus schälen die Tiere vom Bauch her aus und lassen nur die Schwarte mit den Stacheln zurück. Diese Methode üben die Jungen an den zu Tode gequetschten Igeln, die ihre Eltern ihnen bringen.

Doch es gibt noch ein Problem. Igel gehen nur auf Wiesen und Felder, auf denen die Pflanzen niedrig sind. Darauf sei auch der Uhu angewiesen, sagt Geidel: „Ist die Vegetation höher als 60 Zentimeter, erwischt er kaum noch Beute.“ Aber wie soll er genug Beute schlagen, wenn die moderne Landwirtschaft immer mehr Raps und Mais anbaut und die Pflanzen oft schon im Mai höher als einen halben Meter sind? Nicht nur im Altmühltal haben die Uhu-Familien dann schlechte Karten.

Damit nicht genug. Um teure Maschinen effektiv einsetzen zu können, werden seit Jahren Felder zusammengelegt und Hecken gerodet. Aber gerade dort wimmelt es vor Leben, Igel finden reichlich Nahrung und der Uhu kann viel Beute machen. Ein weiteres Problem ist die Gülle, eine Mischung von Kot und Urin aus den Ställen. Nach dem Winter werden die Felder damit üppig gedüngt. Häufig ertrinken die Mäuse massenweise in ihren Gängen oder sterben an Unterkühlung – und die Uhus hungern. In letzter Zeit werden auch die Gräben zum Entwässern der Felder oder am Rande von Straßen nicht mehr gemäht, sondern abgefräst, um sie offenzuhalten. Dadurch gehe ein weiterer Lebensraum für potenzielle Beutetiere verloren, sagt Geidel.

Die Rückkehr der größten Eule stößt also im 21. Jahrhundert rasch an die Grenzen der modernen Bewirtschaftungsmethoden. Ob das unheimliche „Huuhuu“ in Zukunft häufiger als heute aus der Nacht schallt, ist zweifelhaft.

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