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In Bützow sind die Unwetterschäden noch deutlich sichtbar,

© dpa/Bernd Wüstneck

Tornado in Bützow: Zerstörerischer Wirbel

Spur der Verwüstung: Der Tornado von Bützow hinterlässt zahlreiche Verletzte und einen Millionenschaden. Nun beginnen die Aufräumarbeiten. Wann und wo der nächste Tornado kommt, können Meteorologen kaum vorhersagen.

Schwüle Hitze, Gewitter und mindestens zwei Tornados – das ist die Bilanz des bislang heißesten Tag des Jahres. Am schlimmsten traf es die Kleinstadt Bützow bei Rostock, wo am Dienstagabend ein Tornado wütete. Autos wurden umgeworfen, Dächer abgedeckt und Häuser schwer beschädigt. 30 Menschen wurden meist durch umherfliegende Trümmer leicht verletzt. Eine Frau musste mit schweren Verletzungen in eine Rostocker Klinik gebracht werden. Im Zentrum sind viele Häuser abgedeckt. Vom Dach der Stiftskirche fehlt ungefähr ein Viertel der Ziegel. Das Ausmaß der Schäden sei noch nicht klar, sagte der Landrat Sebastian Constien am Mittwoch. Schätzungen zufolge sind es „viele Millionen Euro“.

Sellering beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Einwohner

Ministerpräsident Erwin Sellering besuchte den Ort und sicherte Hilfe des Landes zu. Er zeigte sich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Einwohner. Noch in der Nacht wurden drei Häuser wegen akuter Einsturzgefahr evakuiert. Die Bewohner seien bei Verwandten und Bekannten untergekommen. An Mittwoch sollten Bauexperten die beschädigten Häuser begutachten. Noch sei nicht absehbar, wie viele Häuser einsturzgefährdet und nicht mehr bewohnbar sind. In der Innenstadt sei kein Auto heil geblieben.

Rund 130 Feuerwehrleute und andere Katastrophenhelfer hatten gleich nach dem Sturm, der gegen 19 Uhr wütete, mit den Aufräumarbeiten begonnen. Wichtige Straßen wurden so geräumt, dass zumindest die Einsatzfahrzeuge passieren konnten. Stadt und Kreis bedankten sich für die Solidarität vieler Einwohner, die sich am Morgen ausgerüstet mit Werkzeug bei der Feuerwehr gemeldet hatten. Ihnen steht viel Arbeit bevor: Auf kleineren Straßen und Gehwegen liegen tausende Ziegel und andere Trümmerteile, viele Bäume sind umgestürzt. Die Innenstadt ist für den Durchgangsverkehr gesperrt, drei Schulen wurden geschlossen.

Windgeschwindigkeiten bis weit über 150 km/h

20 bis 60 Tornados gibt es jährlich in Deutschland. Sie sind also recht selten, doch gerade bei einer Wetterlage wie am Dienstag durchaus möglich. Zwei Dinge sind dafür nötig, erläutert Uwe Ulbrich, Meteorologe an der FU Berlin: Warme und feuchte Luft, die nach oben steigt, sowie Winde, die in der Höhe schneller wehen als am Boden. „Auf diese Weise wird die ursprünglich vertikale Bewegung der Luft gekippt, das begünstigt die Drehung der Luftmassen“, sagt Ulbrich. Anfangs ist der Kreisel relativ groß, bis zu einem Kilometer, und langsam. „Während sich der Wirbel konzentriert auf einen Durchmesser von rund 50 Metern wird er immer schneller – wie ein Eiskunstläufer, der bei der Drehung die Arme anzieht.“ So werden Windgeschwindigkeiten von weit mehr als 150 Kilometern pro Stunde erreicht.

So entsteht ein Tornado.
So entsteht ein Tornado.

© dpa

Es seien aber nicht nur diese Sturmspitzen, die Tornados so gefährlich machen, sagt der Meteorologe. Im Innern des „Rüssels“ ist der Luftdruck gering. Erreicht der Schlauch ein Haus, herrscht unter dem Dach kurzzeitig ein Überdruck, der die Ziegel anhebt. Den Rest besorgt dann der Sturm. Auf diese Weise können sogar Autos umgeworfen werden, was bei „normalen“ Stürmen nicht geschieht.

Bei Tornadogefahr: Schutz im Keller suchen

Was tun, wenn man einen Tornado vor sich hat? Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rät, Kellerräume und massive Steinhäuser aufzusuchen, um sich vor umherfliegenden Gegenständen zu schützen. Türen und Fenster sollte man meiden, sie böten keinen Schutz vor den umherwirbelnden Geschossen. Im Freien sollte man versuchen, dem Tornado auszuweichen, da sie meistens nicht breiter als 100 Meter seien. Zur Not flach auf den Boden legen, aber keinesfalls im Auto Schutz suchen. Das kann Dutzende Meter in die Höhe gehoben werden, warnt der DWD.

Früher oder später geht dem Wirbelsturm die Puste aus und er bricht zusammen. Der Tornado von Bützow hat Berichten zufolge rund zehn Minuten gedauert. Ob es hierzulande mehr dieser Stürme gibt als früher (da hießen sie übrigens Wind- oder Wasserhose), ist umstritten. Sie sind örtlich so eng begrenzt, dass sie in unbewohntem Gebiet übersehen werden können. Andererseits werden in der Nähe von großen Städten wie Berlin auffallend viele Meldungen gemacht, vor allem in den letzten Jahren, berichtet Ulbrich. „Solche Effekte muss man beim Blick in die Statistik berücksichtigen.“ Ob und wie sie sich mit fortschreitender Erderwärmung ändert, sei unklar, sagt der Forscher. Die damit verbundenen Veränderungen der Atmosphäre deuten in unterschiedliche Richtungen.

Gerade bei so seltenen Ereignissen wie Tornados, ist es umso schwerer, binnen weniger Jahre einen eindeutigen Trend zu erkennen. Das ist obendrein eine der kleineren Sorgen: Weil die stürmischen Wirbel so kleinräumig und kurzlebig sind, ist eine Vorhersage bisher kaum möglich. (mit dpa)

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