zum Hauptinhalt
Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Der Fall Schavan wird sich hinziehen

Es ist abzusehen, dass sich das Verfahren im Fall Schavan hinziehen wird, nach aller Erfahrung bis in die Zeit des Bundestagswahlkampfs. Manchen scheint es auch vor diesem Hintergrund ganz recht zu sein, wenn die Angelegenheit „am Köcheln“ gehalten wird.

Gegen die Bundesbildungsministerin ist der Vorwurf erhoben worden, sie habe sich in ihrer vor 30 Jahren verfassten Dissertation mit fremden Federn geschmückt. Eine private Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, Doktorarbeiten Prominenter unter die Lupe zu nehmen, war mehrheitlich zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Verstöße gegen korrektes wissenschaftliches Arbeiten vorlägen, die eine öffentliche Anprangerung rechtfertigten. Ein Mitglied, das dem Kreis nicht mehr angehört, hat bestimmte Passagen als Plagiate bezeichnet und allgemein zugänglich verbreitet. In der Folgezeit haben sich Wissenschaftler aus verwandten Fachgebieten ebenfalls mit der Doktorarbeit beschäftigt und keine schwerwiegenden Mängel gesehen.

Die zuständige Fakultät der Universität Düsseldorf hat zur Klärung der Frage, ob ein Verfahren zur Aberkennung des Dr.-Titels eingeleitet werden muss, den Promotionsausschuss mit der Vorbereitung beauftragt. Dessen Aufgabe ist es, den objektiven Sachverhalt festzustellen und zu prüfen, ob Plagiate vorliegen. Das hat der Vorsitzende als Vorarbeit für die Entscheidungsfindung der Kommission übernommen. Dabei dürfte ihm nach monatelanger Beschäftigung in seinem Gutachten ein gravierender Fehler unterlaufen sein, indem er bereits eine Wertung abgegeben hat. Mit dem Bekanntwerden der persönlichen Meinung des Vorsitzenden ist eine Situation eingetreten, die das Verfahren erheblich belastet und den Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit begründet erscheinen lässt. Ob bei der anonymen Weitergabe an die Presse (partei)politische Gründe eine Rolle gespielt haben, wird wohl im Dunkeln bleiben.

Nunmehr soll ein grobes Versäumnis ausgebügelt werden, nämlich die Anhörung der Betroffenen. Eventuell sind weitere Gutachten einzuholen, und zwar von Fachvertretern, bevor der Ausschuss sein Votum der Fakultät vorlegt. Deren Entscheidung, ob ein Verfahren eingeleitet wird, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei können Überlegungen eine Rolle spielen wie die wissenschaftliche Schwere des Plagiatsvorwurfs, die verstrichene Zeit seit der Verleihung, besondere Arbeitsbedingungen zur Zeit der Anfertigung der Doktorarbeit oder die Folgen für die Betroffenen. Juristen werden auch die Frage zu erörtern haben, ob nicht – analog zum Disziplinarrecht – ein Ermittlungsverbot zu beachten war, weil der Vorgang zu lange zurückliegt.

Es ist abzusehen, dass sich das Verfahren hinziehen wird, nach aller Erfahrung bis ins nächste Jahr und damit in die Zeit des Bundestagswahlkampfs. Manchen scheint es auch vor diesem Hintergrund ganz recht zu sein, wenn die Angelegenheit „am Köcheln“ gehalten wird.

- Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schreiben: george.turner@t-online.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false