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Unser Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Der Südwesten macht ein Fass auf

Baden-Württemberg will Doktoranden zu einer eigenen Statusgruppe an der Universität machen. Das ist ebenso verwirrend wie überflüssig, findet unserer Kolumnist.

Die für die Hochschulen zuständige baden-württembergische Ministerin, Theresa Bauer, hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Doktoranden eine eigene Statusgruppe sein sollen. Das heißt: Neben den vier Gruppen der Professoren, Studierenden, Wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern gibt es eine weitere Gruppe. Sie genießt die gleichen Rechte wie die anderen, wählt also zum Beispiel ihre eigene Vertretung für die Gremien.

Die Ministerin galt lange als rational handelnde Leiterin ihres Ressorts, die Respekt über Partei- und Landesgrenzen genoss. Durch eine Besoldungsaffäre an der Verwaltungsfachhochschule Ludwigsburg geriet sie in die Kritik.

Die neuerliche Aktion wirkt wie ein Ablenkungsmanöver, zumal sie gleichzeitig als Folge einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts das Hochschulrecht zu Gunsten eines größeren Einflusses der Professoren bei der Abwahl von Rektoren ändern muss. Den Doktoranden einen eigenen Status zu geben ist ebenso verwirrend wie überflüssig. Im Zuge der ständigen Wiederholung, wie wichtig die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist, wird gebetsmühlenartig betont, dass das Kernstück dabei die Doktorandenausbildung ist. Das trifft zu, allerdings nur auf einen Teil des betreffenden Personenkreises. Nicht alle Doktoranden sind „wissenschaftlicher Nachwuchs“. Für viele ist der Erwerb des Dr. die Verbreiterung der Chancen beim Berufseinstieg, für manche wohl auch nur das Streben nach einem Titel. Die Aufdeckung von Plagiatsfällen hat deutlich gemacht, wie es um die Motive bei der Erstellung von Dissertationen steht.

Die Forderung nach einer Fünftelparität ist eingeläutet

Derzeitig werden Doktoranden den Studierenden zugerechnet, wenn sie ohne eine Stelle inne zu haben, promovieren, zumal die Promotionsordnungen in der Regel vorschreiben, dass Doktoranden eine bestimmte Zeit während der Promotion als Studierende eingeschrieben sein müssen. Sind sie als Angestellte oder Assistenten beschäftigt, gehören sie zur Gruppe der Wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Zuordnungen sind sachgerecht. Eine Veränderung der Gruppenstruktur hat auch Konsequenzen für die Beteiligungsverhältnisse der anderen Gruppen.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die mitbestimmte Universität, auch wenn die Begründung dafür nicht alle überzeugt, akzeptiert war. Dieses sensible Gefüge zu verändern, bedeutet „ein Fass aufmachen“. Die nächste Runde mit der Forderung nach Fünftelparität ist damit eingeläutet.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail senden: george.turner@t-online.de

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