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TURNERS Thesen: Nebulöser Bildungsgipfel

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen sich im Herbst zu einem sogenannten Bildungsgipfel treffen. Damit soll offenbar repariert werden, was nicht zuletzt durch die Föderalismusreform in 16-fache Kleinstaaterei abgedriftet ist. In der Tat hat der Bund so gut wie keine Gestaltungsmöglichkeiten. Dass den Bürgern die Verfassungslage schnuppe ist und sie eine Verbesserung der Zustände erwarten, dämmert den zuständigen Politikern. Aber mit welch abenteuerlichen Vorstellungen warten einige auf!

Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Union, Ilse Aigner, CSU, fordert, dass Bund und Länder konkrete Ziele beschließen sollen. Dazu soll unter anderem gehören, die Quote der über 25-Jährigen ohne Schulabschluss auf einen bestimmten Prozentsatz eines Jahrgangs zu beschränken. Es wird also beschlossen, wie faul oder unfähig ein Teil der Bevölkerung sein darf. Das passt gut zu der ebenso illusionären Vorstellung der SPD, ein Recht auf den Hauptschulabschluss zu garantieren. Die Sozialdemokraten wollen eine Versagerquote von null Prozent, die Union ließe vielleicht über eine Koppelung mit der Mehrwertsteuer mit sich reden (19 minus halbes Lebensalter der relevanten Gruppe = X). Wer diese Aufgabe löst, erhält einen Pass der von der Bundeskanzlerin proklamierten Bildungsrepublik.

Nach der Vorstellung der weitblickenden Frau Aigner soll ferner festgelegt werden, wie viele Studienanfänger am Ende einen Abschluss schaffen. Also eine Festlegung am oberen Ende der Skala. Da waren manche Fakultäten im sozialwissenschaftlichen Sektor schon mutiger. Dort fiel zeitweise niemand mehr durch. Vielleicht kann man die Idee der Parlamentarierin noch verfeinern: Die Quote richtet sich nach Maßgabe eines wie auch immer falsch berechneten Bedarfs. Man braucht keine Lehrer, also fallen sie reihenweise durchs Examen. Da Ingenieure derzeitig fehlen, gibt es keine Versager.

Schließlich sei nachzuweisen, dass Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten gute Bildungschancen bekämen. Und was ist, wenn sie nicht angenommen werden, wenn es Verweigerer gibt, deren Eltern sich nicht darum kümmern, wie ihre Kinder sich um die eigenen Lebenschancen bringen? Wie die Länder die anvisierten Ziele erreichen, sollte im Übrigen ihnen überlassen bleiben. Frau Aigner sollte es nicht überlassen bleiben, weiterhin bildungspolitischen Nonsens zu verbreiten.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken:

g.turner@tagesspiegel.de

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