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Kolumnist George Turner.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Stoppt die Bildungsinflation

Dass Berlin die Ansprüche an den Schulabschluss senkt, passt in die allgemeine Entwicklung im Bildungswesen, meint unser Kolumnist George Turner. Es ist für ihn höchste Zeit, die Bildungsinflation zu stoppen.

Man hat es nicht für möglich gehalten. Doch unter der derzeit in Berlin für die Schulen zuständigen Senatorin ist es gelungen, das Niveau beim Mittleren Schulabschluss (MSA) und damit auch beim Übergang auf die gymnasiale Oberstufe noch zu senken. Als Durchschnittsnote reicht eine „Vier“, auch eine „Sechs“ kann ausgeglichen werden, was bisher nicht möglich war. Die Folgen sind abzusehen: Die Wirtschaft wird Eignungstests entwickeln, an die Gymnasien kommen noch mehr ungeeignete Abitur-Aspiranten.

Das Signal lautet: Warum sich noch anstrengen

Angesichts des Bedarfs an Auszubildenden werden auch solche eingestellt, die die nächste Hürde, den Berufsabschluss, vermutlich nicht bewältigen. Daran würden zwar auch strengere Anforderungen beim Schulabschluss nichts ändern. Aber das Signal, das von der offiziell verkündeten Senkung des Abschlussniveaus ausgeht, ist fatal. Ziel sei, so formulieren es Insider, „jeder kommt durch“. Warum sich dann aber noch anstrengen. Wenn es möglich ist, über Nachprüfungen, die bis zur totalen Erschöpfung der Prüfer zugelassen werden, das Ziel zu erreichen, fehlt bei vielen die Motivation, auf das Ergebnis hinzuarbeiten. Manche meinen, es sei gut, wenn ein solcher „Druck“ entfalle. Gezielter kann man nicht darauf vorbereiten, dass ein Leben ohne eigene Leistung auf der Straße endet.

Die Absenkung von Ansprüchen im Bildungsbereich ist nicht neu. Wer den Durchschnitt der Abiturnoten über Jahre betrachtet, stellt eine sensationelle Aufwärtsentwicklung fest. Ursache dafür war ursprünglich die Einführung von Zulassungsbeschränkungen in bestimmten Studienfächern und der Versuch der Schulen, den eigenen Schülern beim Erreichen der erforderlichen Durchschnittsnote jedenfalls nicht den Weg zu versperren.

Die Folge: Studienabbrecher und im Examen erfolglose Studierende

Hinzu kam die quantitative Ausweitung an den Gymnasien: Innerhalb von 50 Jahren ist der Anteil an der in Betracht kommenden Altersgruppe von fünf Prozent um das Zehnfache gestiegen. Das konnte nicht ohne Einfluss auf die Leistungsstärke bleiben. Damit der Anteil der Gescheiterten sich in Grenzen hielt, musste bei den Anforderungen korrigiert werden. Studienabbrecher und im Examen erfolglose Studierende sind die Folge.

Insofern passt das, was in Berlin jetzt vorgeführt wird, in die allgemeine Entwicklung: Das Bildungswesen wird total inflationiert. Inflation aber bedeutet Wertverfall. Das gilt generell im Nord-Süd-Gefälle. In Berlin wird immer noch eine Schippe draufgelegt.

- Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: george.turner@t-online.de

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