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Turners Thesen: Studenten brauchen Maßstäbe

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

In den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten wird das Fach „Ethik in der Wirtschaft“ gelehrt. Wenn die Verletzung der Regeln aber folgenlos bleibt, darf man sich nicht wundern, dass die Maßstäbe verloren gehen. Wie sollen Studierende sie finden, wenn zwar heftig gegen Exzesse und bestimmte Raffkes gewettert wird, die sich aber ins Fäustchen lachen?

Es wird als empörend empfunden, wenn drastische Gehaltsaufbesserungen von Vorständen bei gleichzeitigen Massenentlassungen im selben Unternehmen erfolgen. Es gilt als nicht hinnehmbar, wenn gescheiterte Manager Abfindungen erhalten, für die ein Arbeitnehmer mit durchschnittlicher Vergütung ein Leben lang arbeiten muss. Vertreter der Wirtschaft verweisen darauf, dass die Mehrheit der Manager, die ihre Ämter korrekt und verantwortungsbewusst führen, nicht unter den Generalverdacht gestellt werden dürften, so machten es eben „die da oben“ alle. Dieser zutreffende Einwand gewänne an Gewicht, wenn man sich deutlicher von den „schwarzen Schafen“ distanzieren würde. Es gab eine Zeit, da praktizierte man einen Ehrenkodex in der Weise, dass Personen, denen man Fehlverhalten vorwarf, „geschnitten“ wurden. In der Gesellschaft erlitten sie den „bürgerlichen Tod“. Prestigeträchtige Clubs könnten solchen Mitgliedern den Stuhl vor die Tür setzen.

Womöglich sind solche negativen Exponenten auch noch Honorarprofessoren an einschlägigen Fakultäten. Wie wäre es, wenn es einmal zu einem Entzug des begehrten Titels käme? In dieser Richtung hat sich bisher noch keine Fakultät als besonders mutig hervorgetan.

Politiker überbieten sich mit ungeeigneten Vorschlägen, wie man der Maßlosigkeit von raffgierigen CEOs beikommen kann. Alle Ideen, die ein rechtliches Instrumentarium zum Ziel haben, sind unpraktisch bis verfassungswidrig.

Es geht viel einfacher. Wer zwingt Regierungschefs oder Minister, Personen, denen entsprechende Vorwürfe gemacht werden, in Beratungsgremien zu berufen? Warum gehören solche Leute Reisedelegationen an, welche Bundespräsident oder Kanzlerin begleiten?

„Ethik in der Wirtschaft“ bekäme bei entsprechender Handhabung einen Praxisbezug und fände nicht nur im Elfenbeinturm statt.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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