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Ein Porträtbild von George Turner.

© Tsp

TURNERS Thesen: Studienplätze sind die beste Medizin

Das bisherige Zulassungsverfahren ist völlig veraltet, meint unser Kolumnist. Gegen Ärztemangel hilft nur ein erleichterter Zugang zum Medizinstudium.

Von Zeit zu Zeit wird deutlich, dass es zu wenige Landärzte gibt, die Versorgung im ländlichen Raum Not leiden könnte und etwas dagegen getan werden muss. Unter vielen, meist ungeeigneten Vorschlägen wird immer wieder der hervorgeholt, den Kandidaten einen Bonus bei der Zulassung zum Studium zu gewähren, die sich verpflichten, später eine bestimmte Anzahl von Jahren als Landarzt tätig werden zu wollen.

Ob eine solche Verpflichtung durchsetzbar ist, wie es mit einem „Freikauf“ davon aussieht und welche Kriterien der Begriff „Landarzt“ (Bevölkerungsdichte, unterversorgtes Gebiet) voraussetzt, ist interpretationsfähig. Besser wäre es, eine nachgewiesene Affinität zu dem erstrebten Berufsfeld zum Maßstab zu nehmen. Wer zum Beispiel bereits vor dem Studium eine praktische Tätigkeit in der Pflege, beim Rettungsdienst „auf dem Land“ absolviert hat, wird wissen, was auf ihn zukommt.

Das wissen noch besser die Kinder von Landärzten. Während es zu Zeiten ohne Numerus clausus in der Medizin häufig zu beobachten war, dass Kinder von Landärzten Vater oder Mutter (meistens waren es die Väter) in der eigenen Praxis nachfolgten, ist diese Art der Vererbung durch das System der Zulassungsbeschränkungen außer Kraft gesetzt. Es lässt sich auch nicht wieder aktivieren; das würde als Skandal bezeichnet werden.

Verfassungswidriges Zulassungsverfahren

So kann man aber auch das zögerliche Verfahren nennen, das seit geraumer Zeit in der Sache zu beobachten ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende 2017 entschieden, dass das Zulassungsverfahren teils verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 neu geregelt werden muss, damit bis zum Sommersemester 2020 die Neuregelungen gelten, auf die sich die Kultusministerkonferenz verständigt hat.

Die Wartezeitquote, wie es sie bisher gab, soll abgeschafft werden. Wie die bisher auf solchen Listen Ausharrenden behandelt werden, ist offen. Künftig sollen die Unis gesetzlich dazu verpflichtet werden, neben der Abiturnote zwei weitere von den Universitäten zu bestimmende Kriterien (zum Beispiel Tests oder Auswahlgespräche) zu berücksichtigen; 60 Prozent der Plätze sollen so vergeben werden.

[Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de]

Was geschieht, wenn sie es, wie bisher, nicht tun? Gleichzeitig soll die Abiturbestenquote ausgeweitet werden. Statt 20 sollen 30 Prozent der Plätze entsprechend vergeben werden. Neu eingeführt werden soll die Eignungsquote im Umfang von zehn Prozent. Für die Auswahl sollen nur schulnotenunabhängige Kriterien in Betracht kommen. Wer regelt das Nähere?

Das Vertragswerk muss Anfang dieses Jahres von der Ministerpräsidentenkonferenz endgültig verabschiedet und danach von allen Länderparlamenten ratifiziert werden. Es lassen sich bereits jetzt hinreichend viele juristische Fallstricke ausmachen. Statt Beschäftigung für Rechtsanwälte zu schaffen und Ärzte aus dem Ausland anzuwerben, wäre es angebracht, die Zahl der Studienplätze für Mediziner zu erhöhen.

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