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George Turner, Kolumnist des Tagesspiegels und Berliner Wissenschaftssenator a.D.

© Mike Wolff

Turners Thesen: Wir müssen wieder über das Ordnungsrecht an Unis diskutieren

Wenn der Lehrbetrieb gestört wird, sehen Hochschulen oft tatenlos zu. Eine fast vergessene Maßnahme könnte Abhilfe schaffen, meint unser Kolumnist.

An einigen Universitäten kommt es – wie auch bei Auseinandersetzungen in den 70ern – zu massiven Beeinträchtigungen des Lehrbetriebs oder zu mindestens verbalen Anfeindungen missliebiger Personen. Die Leitungen der betreffenden Universitäten sind entweder tatenlos oder versuchen, sich mit kaum haltbaren Ausreden aus der Verantwortung zu ziehen.

In Vergessenheit geraten scheint, dass es seinerzeit ein Mittel gab, das Wirkung zeigte: das vielgeschmähte Ordnungsrecht. Es war die Befugnis der zuständigen Hochschulorgane, gegen Hochschulmitglieder Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese den Hochschulbetrieb störten.

In den Sanktionsmöglichkeiten ging es über das Hausrecht hinaus. Die Möglichkeiten reichten von einem bloßen Verweis über den Ausschluss vom Besuch einzelner Lehrveranstaltungen bis zur Exmatrikulation, falls die Störung unter Anwendung von Gewalt erfolgte. Dem gegenüber wurde geltend gemacht, die geltenden Strafgesetze reichten aus, um die Ordnung an den Hochschulen zu sichern.

Der Staat muss Eingriffsrechte haben

Jedem war klar, dass man mit dem Ordnungsrecht keine hochschulpolitischen Probleme lösen könnte. Sein Zweck lag vielmehr darin, dass sich die hochschulpolitische Diskussion in Formen abspielen könne, die einer rechtsstaatlichen Ordnung entsprächen.

Andernfalls würde die Hochschulautonomie für Gruppeninteressen und politische Ziele ausgenutzt, die sich nicht nur gegen die Hochschulen, sondern gegen den freiheitlichen Rechtsstaat und seine Gesellschaft richteten. Der Staat müsse auch Eingriffsrechte haben, falls die akademischen Organe unfähig oder nicht willens seien, ihre Aufgaben zu erfüllen, um die Freiheit von Forschung und Lehre zu garantieren.

[Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de]

Nach dem Abklingen gewaltsamer Auseinandersetzungen war das Ordnungsrecht kein Thema mehr. Nach und nach wurde es aus den Landesgesetzen wegreformiert. Im Grunde reichen die staatlichen Strafvorschriften und das Hausrecht aus. Allerdings müssen gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen auch angewendet werden. Dann darf aber das Mittel des Polizeieinsatzes nicht ausgeschlossen werden.

Ein Ordnungsrecht hat den Vorzug, dass Sanktionen verhängt werden können, ohne dass der Vorwurf einer kriminellen Tat erhoben werden muss. Eine solche Privilegierung für Studierende ist wohl tatsächlich nicht angebracht.

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