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Wissen: Überschwängliche Teilchen

Laser schlägt bis zu 21 Elektronen aus einem Atom

Eigentlich wollte Mathias Richter von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin-Adlershof nur die Eigenschaften eines Lasers bestimmen, der weiche Röntgenstrahlung in extrem kurzen Pulsen von weniger als dem millionsten Teil einer Millionstelsekunde ausstrahlt. Solche Laser sollen künftig helfen, beispielsweise die Details chemischer Reaktionen zu verfolgen. Als der Physiker jedoch den Laser auf das Edelgas Xenon fokussierte, beobachteten er und seine Kollegen einen Effekt, den Albert Einstein bereits 1905 theoretisch beschrieb. Sie berichten darüber im Fachmagazin „Physical Review Letters“.

Der Theorie zufolge schlägt Licht aus der Oberfläche von Metallen Elektronen heraus, vorausgesetzt, die Wellenlänge des Lichtes ist sehr klein. So klar dieser „photoelektrische Effekt“ schien, mit der klassischen Wellenmechanik ließ er sich nicht erklären. Denn zum Herausschlagen der Elektronen benötigt man eine bestimmte Energie. Diese ist aber nicht von der Wellenlänge des Lichtes, sondern von seiner Intensität abhängig. Deshalb muss Licht zugleich als ein Strom von Teilchen betrachtet werden, die Physiker „Photonen“ nennen. Einstein formulierte: Trifft ein Photon von kurzwelligem Licht direkt ein Elektron eines Metallatoms, genügt die hohe Energie des Lichtteilchens, um das festgebundene Elektron aus dem Metall herauszuschlagen.

Beim photoelektrischen Effekt verschwindet das Photon, seine gesamte Energie wird auf das Elektron übertragen. Normalerweise löst der größte Teil dieser Energie ein Elektron aus der äußeren Hülle eines Atoms heraus, die restliche Energie beschleunigt dieses Teilchen. Nimmt man beispielsweise einen Stickstofflaser, der ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 337,1 Nanometern (Milliardstelmetern) aussendet, so tragen die Photonen also jeweils eine exakte Energiemenge mit sich. Die von ihnen herausgeschlagenen Elektronen fliegen folglich immer mit der gleichen Geschwindigkeit davon, wobei jedes Photon aus einem Atom normalerweise nur jeweils ein Elektron herausschlägt.

Als die Forscher um Richter am Hamburger Desy den dort installierten Röntgenlaser mit der erheblich kürzeren Wellenlänge von 13 Nanometern auf das Xenon richteten, hätte die höhere Energie der Photonen ebenfalls einzelne Elektronen herausschlagen sollen, die mit einheitlicher, aber erheblich höherer Geschwindigkeit davonfliegen. Doch das passierte nicht: „Vielmehr schlug ein Laserpuls aus einem einzigen Xenonatom bis zu 21 Elektronen heraus“, berichtet der Physiker. Das passt aber gar nicht zum klassischen photoelektrischen Effekt Einsteins. „Mit Lichtteilchen ist diese Beobachtung nur schwer zu erklären“, sagt Richter.

Als die Forscher das Röntgenlicht wieder als klassische Welle betrachteten, fanden sie eine Lösung: Die 54 Elektronen eines Xenonatoms halten sich innerhalb verschiedener Schalen auf, die sich in unterschiedlicher Entfernung vom Atomkern befinden. Trifft nun das sehr intensive 13-Nanometer-Licht des Röntgenlasers auf die „4d-Schale“ des Xenons, versetzt es die zehn Elektronen dieser Schale in Schwingungen, die immer stärker werden. Nach kurzer Zeit „schwappt“ diese Schale über, und alle zehn Elektronen sausen zugleich davon.

„Das schlagartige Verschwinden von zehn Elektronen erzeugt chaotische Zustände im Atom“, erklärt Richter weiter. Andere Elektronen stürzen in die freigewordene Schale und schleudern dabei zusätzlich Elektronen aus dem Atom heraus. Die neuen Elektronen in der 4dSchale beginnen zu schwingen und können so ebenfalls aus dem Atom herausgeschleudert werden, bis nach kurzer Zeit bis zu 21 Elektronen fehlen. RHK

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