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Schimpanse

© MPG/Katrin Riedl

"Ultimatumspiel": Affen kennen kein Fair Play

Neidlos wenig bekommen oder neidvoll leer ausgehen - Leipziger Forscher stellten Schimpansen vor die Wahl.

Wenn Menschen sich zwischen Pest und Cholera entscheiden müssen, nehmen die meisten lieber gar nichts. Eher verzichten sie, als ein unfaires Angebot anzunehmen und sich so „zum Affen zu machen“. Das haben Versuche aus der Wirtschaftswissenschaft gezeigt. Doch Schimpansen sind da ganz anders: Sie gehen auch auf unfaire Angebote ein, ehe sie gar nichts bekommen.

Herausgefunden haben das Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (Eva), indem sie mit Schimpansen im Leipziger Zoo das „Ultimatumspiel“ spielten. Bei diesem Test aus der Wirtschaftsforschung bekommt ein Proband einen Geldbetrag, den er mit einem zweiten teilen muss. Welchen Anteil er seinem Gegenüber anbietet, bleibt dem Anbieter überlassen – doch lehnt der andere ab, weil er das Angebot unfair findet, darf auch der Anbieter seinen Anteil nicht behalten.

Menschen lassen sich bei diesem Spiel nur begrenzt übers Ohr hauen: Möchte jemand ihnen von 100 Euro nur zehn abgeben, verzichten sie lieber, so dass auch der Anbieter leer ausgeht. Auf diese Weise ächten Menschen unfaires Verhalten – eine soziale Eigenschaft, die dem Erhalt bestimmter Regeln und Werte in einer Gesellschaft dient. Bei 40 von 100 Euro werden jedoch auch Menschen schwach: denn ab einem Gewinn von etwa 40 Prozent der Gesamtsumme ist ihnen Geld mehr wert als die Moral.

Schimpansen haben weniger ausgeprägte Moralvorstellungen und nehmen dementsprechend alles, was sie kriegen können, wie die Leipziger Forscher um Keith Jensen im Fachmagazin „Science“ (Band 318, S. 107) berichten. Sie wandelten das Ultimatumspiel für die Schimpansen ab – statt Geld bekamen sie Rosinen. Nur wenn erst der eine und dann der andere Affe an einem Seil zog, gelangte je ein Futterschälchen in ihre Reichweite. Das heißt, die Tiere bekamen nur dann etwas, wenn sie zusammenarbeiteten. Insgesamt gab es zehn Rosinen, die in den Versuchsdurchgängen unterschiedlich verteilt waren. Im Schälchen des einen Affen lagen mal zwei, fünf, acht oder gar keine Rosine, in dem des anderen entsprechend acht, fünf, zwei oder zehn. Schimpansen können nicht zählen, sind aber in der Lage, Mengen einzuschätzen. Der Versuch zeigte, dass die Affen sich auch dann zusammenschlossen, wenn der eine dabei übervorteilt wurde. Nur wenn überhaupt keine Traube im Schälchen war, verweigerte der betroffene Affe die Mitarbeit und ließ auch seinen Gefährten leer ausgehen.

Nach wirtschaftswissenschaftlichen Modellen sind Schimpansen also „eigennützige Ökonomen“ – ein bisschen Gewinn ist ihnen lieber als gar keiner. „Der Sinn für Fairness und Gerechtigkeit ist ein wesentliches Merkmal, das den Menschen von seinen nächsten Verwandten unterscheidet“, schreiben die Forscher.

Mit diesen neuen Erkenntnissen konnten die Leipziger Wissenschaftler auch ihre bisherigen Erkenntnisse zum Sozialverhalten von Affe und Mensch untermauern. In früheren Versuchen hatten sie afrikanischen Schimpansen und indonesischen Orang-Utans eigens dafür entwickelte Aufgaben gestellt, die mit den Ergebnissen von Verhaltensstudien zu den physischen und sozialen Fähigkeiten von Kindern vergleichbar waren („Science“, Band 317, S. 1360). Dabei hatte sich gezeigt, dass Menschen nicht nur eine schnellere Auffassungsgabe haben, sondern den Affen auch in ihrem Sozialverhalten deutlich überlegen sind – eine Eigenschaft, die die Forscher „Kulturintelligenz“ nennen.Dagny Lüdemann

Dagny Lüdemann

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