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Fördern statt zurückstufen. Hamburger Schüler im Nachhilfe-Unterricht.

© dpa

Umfrage: Schüler wollen sitzenbleiben

Die meisten Schülerinnen und Schüler in Deutschland halten nichts davon, das Sitzenbleiben abzuschaffen. Das jedenfalls ergibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Deutschen Philologenverbandes.

Der Forsa-Umfrage zufolge sind 85 Prozent der Schüler und Studenten gegen die Abschaffung des Sitzenbleibens, nur 14 Prozent dafür. Die Befragten fürchten unter anderem, dass die Leistungsbereitschaft sinken würde, wenn es das Sitzenbleiben als Disziplinierungsmaßnahme nicht mehr gäbe. Drei Viertel aller Befragten sagen, die Durchfallquote bei Abschlussprüfungen wie Mittlerer Reife oder Abitur würden steigen, schaffe man das Sitzenbleiben ab.

„Die Schüler haben ein großes Gerechtigkeitsempfinden“, erklärte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Es widerstrebe ihnen, „dass derjenige, der sich nicht anstrengt, einfach weiterkommt“. Insgesamt wollen der Umfrage zufolge 73 Prozent der Bürger am Sitzenbleiben festhalten, 22 Prozent plädieren für die Abschaffung. Eine Mehrheit für die Abschaffung finde sich bei den Anhängern keiner Partei. Auch unter den Anhängern von SPD und Grünen sei weniger als ein Drittel dafür. Gefragt wurden insgesamt 1005 Personen.

Eine neue Diskussion über das Sitzenbleiben wurde unlängst durch das Vorhaben der rot-grünen Regierung in Niedersachsen ausgelöst, mittelfristig das Sitzenbleiben abzuschaffen. Andere Bundesländer verzichten in unterschiedlichen Klassenstufen bereits drauf. Sie berufen sich auf die Expertise vieler Erziehungswissenschaftler wie auch der OECD, die das Sitzenbleiben als ineffektiv und teuer ablehnen. So zeigen Studien wie Pisa, dass die Sitzenbleiber in Deutschland nach zwei Jahren oft wieder Probleme in der Schule haben.

Der Philologenverband - eine konservative Vertretung der Gymnasiallehrer - hat sich dagegen in der Vergangenheit mehrfach für das Sitzenbleiben eingesetzt. Dabei operiere der Verband mit Fehlinterpretationen von Studien, warf der Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann dem Verband unlängst vor. So hatte der Verband im Zuge der Debatte um die Reformpläne Niedersachsen sogar behauptet, es sei "nachweislich falsch", dass das Sitzenbleiben den Schülern schade. Vielmehr erhöhe das Sitzenbleiben gerade in der Gruppe von Entwicklungsverzögerten die Chance um 50 Prozent, den angestrebten Schulabschluss zu erreichen. Der Verband berief sich dabei auf eine Sitzenbleiberstudie aus dem Jahr 2004, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen durchgeführt hatte.

In den Augen Brügelmanns hat der Philologenverband die Essener Studie aber "nur halb gelesen oder nicht verstanden". Brügelmann kritisiert, der Philologenverband habe Aussagen der Studie, die nur für die Minderheit der Entwicklungsverzögerten gelten, hervorgehoben. Betrachte man jedoch die gesamte Gruppe der Sitzenbleiber, sei eine ganz andere Zahl relevant: Bei 80 Prozent aller Klassenwiederholer gelte die Erkenntis, Sitzenbleiben sei nützlich, gerade eben nicht. Fragwürdig sei auch, dass die Studie mit Sitzenbleibern aus den Geburtsjahren 1967 bis 1980 arbeite.

Meidinger bekräftigte jedoch gegenüber dem Tagesspiegel, dass gerade solche Längsschnittstudien besonders aussagekräftig seien. Hier müsse noch mehr geforscht werden. Er plädiere dafür, mit dem Thema Sitzenbleiben "differenziert" umzugehen. So nützlich individuelle Hilfe für Schülerinnen und Schüler sei, sei es doch fraglich, ob diese das Sitzenbleiben in jedem Fall ersetzen könne.

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