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Trockenlegen und abholzen. Mit schwerem Gerät werden in Indonesien Torfböden entwässert, um an die Bäume heranzukommen. Indem der Torf trockenfällt, wird viel Kohlenstoff frei, der zu Kohlendioxid reagiert. Das Gas treibt die Erdwärmung an.

© AFP

Umwelt: Dämme für den Klimaschutz

Auf Borneo werden Torfmoore wieder unter Wasser gesetzt. Der Kohlendioxidausstoß soll so gestoppt werden.

Bei Treibhausgasen denkt der Europäer an rauchende Industrieschlote, an startende Flugzeuge und möglicherweise etwas schuldbewusst an das Auspuffrohr seines Autos. Der indonesische Biologe Adventus Panda hat da eine andere Assoziation parat: Torf. Schwarzer, bis zu zwölf Meter in die Erde reichender Torf. Panda steht auf einem Holzsteg an einem Kanal im Sebangau-Nationalpark auf Borneo, die Augen wegen der Sonne zusammengekniffen, und blickt auf Dutzende Setzlinge, die ordentlich in 50 Zentimetern Abstand voneinander in die Erde gepflanzt wurden. Er sagt: „Vor sieben Jahren war hier noch alles kahl.“ Nun entsteht langsam wieder ein Wald.

Die Renaturierung der Torfmoorwälder ist auf Borneo auch ein Kampf um das Weltklima. Werden die Moore zerstört, gelangt der Kohlenstoff vergangener Epochen in die Atmosphäre, wo er als Kohlendioxid die Erderwärmung beschleunigt. Über Jahrtausende war es umgekehrt: Abgestorbene Pflanzenteile fielen herab, wurden im feuchten Boden eingeschlossen und bildeten Torf. Große Mengen Kohlenstoff wurden auf diese Weise im Untergrund fixiert. Werden das Gelände entwässert und die Wälder abgeholzt, kann Luftsauerstoff an den Kohlenstoff gelangen und es bildet sich massenhaft Kohlendioxid (CO2).

Allein wegen seiner derart zerstörten Waldflächen ist Indonesien nach den USA und China das Land mit dem drittgrößten CO2-Ausstoß der Welt. Noch immer lagern mehr als 60 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den indonesischen Mooren, das ist das 60-Fache der jährlichen Emissionen Deutschlands. Deshalb bezeichnet die Umweltschutzorganisation WWF die Torfwälder als „tickende Kohlenstoff-Zeitbomben“.

Sebastian Tilch, Biologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, bestätigt diese Einschätzung: „Moore spielen im Kohlenstoffhaushalt unseres Planeten eine größere Rolle, als weithin bekannt. Sie nehmen global nur etwa drei Prozent der Landoberfläche ein, speichern jedoch doppelt so viel Kohlenstoff wie die Bäume aller Wälder der Welt zusammen.“

Die Chancen, einen Torfmoorwald zu renaturieren, hängen seiner Meinung nach auch davon ab, wie lange ein Gebiet bereits geschädigt ist. Was bei Mooren in Deutschland, die teilweise schon vor 100 Jahren entwässert und damit zerstört wurden, manchmal sehr schwierig ist, könnte in indonesischen Mooren, die erst in den letzten Jahrzehnten trockengelegt wurden, besser gelingen.

Als Leiter der Feldaktivitäten des WWF im Sebangau-Nationalpark ist es an Adventus Panda, das Projekt Wiedervernässung des Regenwaldes zum Erfolg zu führen. Während Panda von dessen natürlicher Vielfalt schwärmt – seltene und bedrohte Arten wie der Nebelparder und der Orang-Utan leben hier –, begutachtet er einen Damm, den die Naturschützer zusammen mit der Bevölkerung vor Ort aus robustem Eisenholz gebaut haben. Der Damm soll den Wasserabfluss aus einem der vielen Kanäle bremsen, die hier gegraben wurden. „Bis 2006 gab es illegalen Holzeinschlag, künstlich angelegte Kanäle leiteten das Wasser aus dem Moor und dienten gleichzeitig als Transportwege.“

Insgesamt 423 Dämme gibt es im 6000 Quadratkilometer großen Nationalpark mittlerweile. Der, an dem Panda steht, war einer der ersten. Einen Monat hat seine Errichtung gedauert. „Die ersten zwei Bauversuche gingen schief“, erzählt er. „Wir mussten viel lernen, vor allem, etwas Wasser durchzulassen. Wenn man es komplett stoppen will, wird es zu stark oder sucht sich andere Wege.“

Zwei Wochen am Stück verbringt er manchmal hier draußen in der Feldstation, die aus zwei Häusern, einem Orchideen-Gewächshaus sowie einer Baumschule besteht. Und einem Hochsitz, auf den klettern muss, wer mit der Welt draußen telefonieren will. Umgeben von über 100 Vogelarten, die ein schrilles Schreikonzert geben, das niemals aufhört. Unter ihnen sind seltene Arten wie der Nashornvogel, der tatsächlich so aussieht, wie er heißt.

Ans Weltklima denkt der 34-Jährige während seiner Arbeit weniger, er will einfach, dass „meine Kinder die gleiche Natur erleben können wie ihre Vorfahren“. Noch ist sein Sohn erst sieben Jahre alt, „wenn er zehn ist, nehme ich ihn hierher mit, bis dahin zeige ich zu Hause Fotos“, erzählt Panda.

Dass er in einem Schwellenland in einem Vorzeigeprojekt arbeitet, ist ihm bewusst, von lokalen Schulklassen über weit gereiste Wissenschaftler hat er schon vielen Menschen die Feldstation gezeigt. Selbst der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon war schon hier. Was Panda von der Politik hält? „Wir kriegen etwas Unterstützung. Manche Politiker kümmern sich um die Natur, manche nicht, so ist das eben.“

Panda klettert in ein Boot, es geht auf eine Rundfahrt durch die Projektgebiete. Fortbewegung ist hier über die Flüsse möglich, das Wasser ist schwarz, nährstoffarm und sogar trinkbar, auch wenn es wie destilliert schmeckt. Die Einheimischen bezeichnen es als „Wasser aus Tausend Wurzeln“. Menschen wohnen im Nationalpark selbst nicht mehr, allerdings haben die um den Park herum siedelnden Fischer Gewohnheitsrechte, ihre Stelzenhütten liegen verstreut entlang des Flusses, in der Regenzeit angeln sie hier ihr Abendessen.

Auf der anderen Seite des Flusses, wenige Kilometer entfernt, startete die frühere indonesische Regierung in den 90er Jahren das Mega-Reisprojekt. Es sollte das ganze Land ernähren, ging jedoch als gewaltige Umweltkatastrophe in die Geschichte ein. Ein 4000 Kilometer langes Netz von Drainagekanälen sollte eine Million Hektar Torfmoorwälder trockenlegen. 1997 kam es zu schweren Bränden, die unwirtliche Mondlandschaften hinterließen – mittlerweile holt sich der Wald die Flächen langsam zurück.

Wäre es nicht möglich, die Moore einfach sich selbst zu überlassen, auf die Natur zu vertrauen? „Das geht“, sagt der Biologe. „Aber es muss erst etwas da sein, eine Grundlage. Deshalb pflanzen wir hier neben Kautschukbäumen und Nahrungsbäumen für Orang-Utans auch Shorea Belangeran.“ Diese widerstandsfähigen Bäume verhelfen dem Regenwald besonders gut zum Wachstum. Die größte Gefahr heute für den Wald geht nicht mehr von gigantischen Reisprojekten aus, sondern von Palmölplantagen, deren Zahl auf ganz Borneo ständig zunimmt.

Das kleine Motorboot mit Panda und weiteren WWF-Mitarbeitern hält neben einer großen, offenen Hütte, die etwas unwirklich auf Stelzen mitten in einem riesigen See steht. Das sieht nur während der Regenzeit so aus, wenn all die gebauten Dämme unter der Wasseroberfläche verschwinden. In diesem Gebiet will der WWF beispielhaft eine Tüv-Zertifizierung vornehmen lassen, um die Emissionsreduktion durch Wiedervernässung wissenschaftlich messbar zu machen – was auch im Sinne des Sponsors Krombacher ist, der die Wiedervernässung von Teilen des Nationalparks bezahlt. „Es gab ja auch Skepsis, der Klimanutzen soll stichfest nachgewiesen werden“, erklärt Guénola Kahlert, WWF-Referentin für Wald und Klima.

Neben den Umweltaspekten werde auch Wert auf die soziale Komponente gelegt. „Am Anfang hatten wir Probleme, Dämme wurden von der Lokalbevölkerung zerstört. Mittlerweile binden wir sie bei allen Aktionen ein“, sagt Kahlert. Schließlich gibt es immer noch 40 Dörfer, deren Menschen auf Produkte aus dem Nationalpark angewiesen sind. Neben dem Fisch sind es vor allem Heilpflanzen, Naturkautschuk oder Baumaterial wie Rattan. Damit die Wiedervernässung nicht immer wieder durch Feuer zurückgeworfen wird und die Lebensgrundlage der Menschen erhalten bleibt, gibt es im Rahmen der Kooperation im Nationalpark deshalb sogar eine durch und durch deutsche Errungenschaft: eine freiwillige Feuerwehr.

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