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Hochhäuser ragen aus dem Smog der Stadt Nantong in der ostchinesischen Provinz Jiangsu heraus.

© Xu Jingbo/SIPA Asia via ZUMA Wire/dpa

Update

UN-Report: Schlechte Umweltbedingungen als häufige und zunehmende Todesursache

Zusammenbrechende Ökosysteme, giftige bis tödliche Lebensbedingungen: Internationale Experten fordern Regierungen zu mehr wirksamem Umweltschutz auf.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat am Mittwoch offiziell seinen „ Global Environment Outlook“ zum Zustand der Erde vorgelegt. An dieser Bewertung der weltweiten Umweltsituation und der Ausblicke für die nächsten Jahrzehnte haben mehr als 250 Wissenschaftler aus 70 Ländern mitgearbeitet. Tenor des Berichtes: Die Menschheit verändert den Planeten zunehmend in einer Weise, die Lebensgrundlagen und Gesundheit bedroht. Aber sie hätte die Mittel und Technologien, um wirksam und nachhaltig gegenzusteuern.

"Handeln in beispiellosem Ausmaß" notwendig

In dem Report werden Regierungen weltweit zu einem Kurswechsel aufgefordert. Wörtlich heißt es: "Es ist dringend Handeln in einem beispiellosen Ausmaß notwendig, um die Situation zu stoppen und umzukehren." UN-Experten legten das Dokument auf einer internationalen Konferenz in Nairobi  vor. In Kenias Hauptstadt beraten Umweltminister und Experten derzeit auf der „United Nations Environment Assembly“. Deutschland ist durch Staatssekretär Jochen Flasbarth vertreten.

Der mehr als 700 Seiten umfassende Bericht ist der sechste seiner Art. Er wird von den UN als der umfassendste bislang bezeichnet. Die fünfte Ausgabe war 2012 erschienen. Vorgelegt wurde auch eine 24-seitige Zusammenfassung für Entscheider („Summary for Policy Makers“).

Zu den Forderungen der Experten zählt, den Umweltschutz massiv auszubauen und international zu koordinieren. Andernfalls würden Gesundheitsschäden aufgrund schlechter Umweltbedingungen von Kunststoffmüllbelastung über schlechte Wasser- und Luftqualität bis hin zu Antibiotikaresistenzen bis 2050 vor allem in Asien, Nahost und Afrika Millionen vorzeitiger Todesfälle verursachen. Ein Viertel der Erkrankungen und vorzeitigen Todesfälle weltweit würden schon jetzt (der Bericht bezieht sich bei dieser Aussage auf Daten aus dem Jahr 2012) durch "beeinflussbare Umweltrisiken" verursacht. Auch die Zerstörung von Ökosystemen bedrohe massiv die Lebensgrundlagen vieler Menschen, heißt es in dem Bericht. Als vorrangiges und Themen wie Gesellschaften übergreifendes Problem wird auch der Klimawandel ausführlich behandelt.

Fehlendes Bewusstsein

Obwohl die wissenschaftlichen, technologischen und finanziellen Möglichkeiten für einen wirksamen Kurswechsel vorhanden seien, fehle es an Bewusstsein sowie an Unterstützung und Initiative aus breiten Bevölkerungskreisen ebenso wie seitens der wirtschaftlichen und politischen Eliten.

Einen Teil des Problems sehen die Autoren des Berichtes darin, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Dafür, dass in ärmeren Ländern Hunger, Armut und Krankheiten zunähmen, sei auch übermäßiger Konsum, Lebensmittelverschwendung und Verschmutzung in den Industrieländern mit verantwortlich. Bekannte Faktoren sind hier etwa Müllexporte oder oft stark pestizidbehandelte Monokulturen von in Industrieländen nachgefragten landwirtschaftlichen Produkten.

Wie wirkt Umweltpolitik?

Verseuchtes Trinkwasser und nicht ausreichende sanitäre Bedingungen verursachen nach Berechnungen der Fachleute jährlich den Tod von rund 1,4 Millionen Menschen. Noch gefährlicher sei die Luftverschmutzung. Jährlich fielen ihr geschätzt zwischen sechs und sieben Millionen Menschen zum Opfer. Einen großen Teil des Berichtes nimmt die Bewertung bereits beschlossener Schutzstrategien und „Internationaler Umweltabkommen“ (Multilateral Environmental Agreement) ein. Ein Grund für den Fokus auf diese Aspekte war die Einsicht, dass ein erfolgreiches Bremsen oder sogar Umkehren der derzeitigen Tendenz nicht nur von derartigen politischen Entscheidungen abhängig ist, sondern vor allem davon, ob und warum sie letztlich den gewünschten Effekt erzielen oder nicht. Die Fachleute kommen nach dieser Bewertung zu dem Schluss, dass weitere Bemühungen wie die bisherigen, die sich vor allem auf Schutz einzelner Gebiete sowie umweltverträglichere Verbesserung und Effizienzsteigerung bestehender Abläufe konzentrieren, nicht ausreichen werden. Notwendig seien tatsächlich „transformative Veränderungen“. Zu ihnen müssten unter anderem neue institutionelle Rahmenbedingungen und ein weitgehend Umbau von Sozialsystemen und Produktionsstrukturen gehören, ja sogar Umwälzungen bei Werten und kulturellen Normen.

Revolution statt weiter so

Damit ist der Bericht, wenn auch weitgehend versteckt in wissenschaftlichen Formulierungen und diplomatischem Jargon, nichts anderes als das Manifest einer Revolution. Für jene „Transformation“ müssten diejenigen, an die er sich richtet, aber auch zu Revolutionären werden. Danach klingen erste Reaktionen eher nicht. Flasbarth etwa ließ sich auf Nachfrage des Tagesspiegels durch die Presseabteilung des Ministeriums so zitieren: „Um die Ursachen von Umweltschäden effektiv anzugehen, müssen umweltpolitische Anliegen ernster genommen werden.“ Investitionen sollten mehr als bisher in umweltverträgliche Vorhaben fließen. So könne „der überfällige Wandel zu nachhaltigeren Konsum- und Wirtschaftsweisen vorankommen.“

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