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Noch nicht explosiv. Ein Satellitenbild zeigt das 25 Quadratkilometer große Lavafeld des Vulkans Bárdarbunga.

© Nasa Earth Observatory

Unberechenbarer Riese: Wie es am isländischen Vulkan Bardarbunga weitergeht

Der Bárdarbunga spuckt nicht nur Lava, er setzt auch gesundheitsgefährdendes Schwefeldioxid frei. Die Eruptionen könnten noch lange anhalten. Explosiv werden sie nur im Extremfall.

Zeitweise spritzen die Lavafontänen bis zu 100 Meter in die Höhe, mit einer Rate von fast 200 Kubikmetern pro Sekunde. Bereits seit dem 31. August speit eine vulkanische Spalte nordöstlich des Bárdarbunga auf Island ununterbrochen Lava und hat eine Fläche von 25 Quadratkilometern geflutet. Bisher ist das vor allem ein Naturschauspiel. Die dünnflüssige Lava neigt nicht zu Explosionen; darum bildete sich noch keine Vulkanasche. Durch den Kontakt mit dem Gletscherfluss Jökulsá á Fjöllum verdampft bloß etwas Wasser. Langsam drängt die Lava den Fluss nach Südosten ab.

So harmlos muss es nicht weitergehen. Täglich treffen in Island Wissenschaftler zusammen, um die Katastrophenschutzbehörde zu beraten und verschiedene Szenarien durchzuspielen. Denn der Vulkanausbruch könnte sich auf sehr unterschiedliche Weise weiterentwickeln – je nachdem, was sich an der Kaldera tut. So nennt man den 80 Quadratkilometer großen Krater des Bárdarbunga, der sich einst durch den Einbruch einer Magmakammer gebildet haben soll. Die Kaldera wird vom Gletscher Vatnajökull überdeckt, der größten Eiskappe Islands, und ist mit einer bis zu 850 Meter dicken Eisschicht gefüllt.

Seit Beginn der Eruption bebt die Erde an dieser Kaldera am stärksten, etwa am Montagmorgen mit der Magnitude 5,4. Die Eisdecke senkt sich ab, teils kontinuierlich, teils in ruckartigen Bewegungen. Insgesamt sackte sie so 23 Meter nach unten, im Moment mit einer Rate von 0,5 Metern pro Tag. Das messen Wissenschaftler seit dem 11. September auch mit einem GPS-Gerät, das sie in der Mitte der Kaldera platziert haben. Die Vulkanologen vor Ort glauben die Ursache zu kennen: Weil in der Tiefe große Mengen Magma durch einen Gang nach Nordosten zur Eruptionsspalte strömen, gibt der Gesteinsboden der Kaldera nach.

Das Absacken der Kaldera macht den Forschern Sorgen

Eine derart starke Absenkung wie jetzt konnten Wissenschaftler in Island noch nie direkt an einer Kaldera verfolgen. Sie befürchten, dass irgendwann doch Lava mit dem Eis oder Schmelzwasser in Kontakt kommt. Das könnte zum Beispiel am Rand des Gesteinvolumens passieren, das in der Kaldera absackt. „Die größte Gefahr wäre dann ein großer Schmelzwasserstrom“, schreibt der amerikanische Vulkanologe Erik Klemetti in seinem Blog „Eruptions“.

Die Wassermassen könnten sowohl in Richtung Norden als auch Richtung Süden fließen, denn der Vulkan ist eine Wasserscheide. Das macht die Situation für die Behörden kompliziert. Der Betreiber des Stromnetzes hat für den Notfall vorgesorgt und Reparaturmaterial herbeigeschafft. Falls der Strom durch Überschwemmungen trotzdem längere Zeit ausfällt, sollen die von der Außenwelt abgeschnittenen Isländer mithilfe altmodischer Radio-Langwellen über die Lage informiert werden.

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Wenn die Kaldera weiter absackt, könnte es aber auch eine explosive Entwicklung geben. Der entstehende Wasserdampf würde die Lava in Stücke reißen und kilometerhoch in die Luft schleudern. In diesem Fall müssten die Isländer mit gewaltigen Aschewolken rechnen. Je nach Windrichtung wären von der Vulkanasche auch andere europäische Länder betroffen. „Aber bis jetzt gibt es keine größere ringförmige Verschiebung – nichts, was einem schnellen Kaldera-Kollaps um Hunderte von Metern ähneln würde“, beurteilt Agust Gudmundsson von der Royal-Holloway-Universität in London die Situation.

Unter dem Eis könnte es bereits kleinere Ausbrüche gegeben haben

Die Bewegung der Kaldera kann durchaus zum Stillstand kommen. Dafür ist eine Eruption an anderer Stelle möglich. Die Lava könnte zum Beispiel am Rand des Gletschers Vatnajökull ausbrechen. Auch bei so einer Eruption unter dem Gletscherrand entstünden Vulkanasche und Schmelzwasser. Dellen im Gletscher deuten darauf hin, dass es unter dem Eis längst kleine Ausbrüche gegeben hat. Sie waren bloß noch nicht stark genug, um die Eisdecke zu durchlöchern.

Vielleicht versiegt die Spalteneruption in ein paar Tagen oder Wochen einfach wieder. Andererseits kann der Ausbruch monatelang andauern. Das ist in der Vergangenheit schon oft passiert, wissen isländische Vulkanologen aus historischen Aufzeichnungen und der Beschaffenheit alter Lavafelder.

Selbst wenn es nicht zu einem großen Ausbruch kommen sollte, ist die aktuelle Lage für die Isländer problematisch genug. Denn es werden große Mengen des Gases Schwefeldioxid freigesetzt, die im Magma gelöst waren. Wenn die Wissenschaftler vor Ort arbeiten, nehmen sie immer Gasmasken mit. Sonst wäre es zu gefährlich. Im Osten und Norden Islands wurden die Einwohner bereits mehrmals aufgefordert, im Haus zu bleiben, weil die Schwefeldioxid-Konzentration gesundheitsgefährdend hoch war. In einem östlichen Fjord erreichte die Konzentration am vergangenen Freitag einen Rekordwert von 4000 Mikrogramm pro Kubikmeter. Solche Werte werden selbst in den smoggeplagten Städten Ostasiens nicht erreicht.

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