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© TU Berlin

Uni-Preismodell: "Nach der Wurst springen"

In einer teilweise stürmischen Debatte hat Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner am Mittwoch im Abgeordnetenhaus sein neues umstrittenes Preismodell für die Berliner Hochschulen verteidigt.

Die Wissenschaftspolitik Berlins erlebe eine „Sternstunde“, rief Zöllner. Das neue System garantiere einen „Qualitätssprung“, der den Hochschulen weit mehr Transparenz und echte Autonomie bringe.

Opposition und Regierung gerieten heftig aneinander. Der SPD-Abgeordnete Lars Oberg nannte es eine „Schweinerei“, dass aus den Hochschulen mehrfach Informationen über die vertraulichen Verhandlungen an die Presse durchgesickert waren. Der Grünen Anja Schillhaneck, die die Indiskretionen als „Notwehr“ der Hochschulen interpretierte, entgegnete Oberg: „Wer die Vertraulichkeit mit Füßen tritt, weil er unsauberes Spiel spielt“, dürfe nicht noch „zum Opfer stilisiert werden“, das sei „intellektuell grenzwertig“. 

Zöllner berichtete über den Stand der Verhandlungen mit den Hochschulen. In den bereits im Herbst unterschriebenen Hochschulverträgen für die Zeit bis 2013 sind nur die Zuschüsse für die Jahre 2010 und 2011 abschließend geklärt. Ab 2012 hängen die Zuschüsse von den Leistungen in Forschung und Lehre ab. Die Hochschulen hatten von Zöllner die Chance bekommen, sich gemeinsam auf Parameter der neuen „leistungsbasierten Hochschulfinanzierung“ (vulgo: „Preismodell“) zu einigen. Weil die Interessen und Bedürfnisse aber weit auseinander gehen, war das nicht möglich. Dem Vernehmen nach waren sich nur die großen Universitäten einig geworden – aber ohne Begeisterung für das Preismodell.

So hat Zöllner nun selbst die Indikatoren festgesetzt, nach denen die Hochschulen ihre Grundfinanzierung in Zukunft bekommen sollen: Nur ein Drittel, der Sockel, ist von Leistungsparametern ausgenommen. Im zweiten Drittel Lehre werden Studienanfänger im ersten Hochschulsemester, Studierende in der Regelstudienzeit und Absolventen jeweils zu einem Drittel gewichtet. In der Forschung gibt es Geld für eingeworbene Drittmittel, für Graduiertenschulen oder Sonderforschungsbereiche. Er habe die Anreize jedenfalls nicht so gesetzt, dass die Hochschulen nicht in der Lage seien, „nach der Wurst zu springen“, sagte Zöllner. Am vergangenen Donnerstag hatte der Senator sich mit den Hochschulleitungen getroffen und bei weiteren Kritikpunkten Beweglichkeit signalisiert.

Aus Hochschulkreisen hieß es allerdings am Mittwoch, man wisse nicht, ob Zöllner umstrittene Punkte verändert habe. Offenbar sei Zöllner im Begriff, die Hochschulverträge zu brechen. Er habe die einzelnen Indikatoren der Mittelzuweisung und die Interpretation der Verträge inzwischen so gestaltet, dass den drei großen Universitäten im Jahr 2013 nicht wie von ihnen angenommen gemeinsam 800 Millionen Euro zur Verfügung stünden, sondern nur noch 777 Millionen Euro. So habe Zöllner die Lehre der Unis nicht wie im Vertrag in Aussicht gestellt mit 33 Prozent gewichtet, sondern nur mit 27,2 Prozent. Das brächte die Unis um Millionen, weil Zöllner in diesem Bereich zwei Jahre lang Preissteigerungen gewähren will: zuerst von vier, dann von neun Prozent. Allerdings kann Zöllner sich darauf berufen, dass im Hochschulvertrag eine Drittelung eher angedeutet als wirklich versprochen wurde. Außerdem wird aus den Unis kritisiert, dass sie den Verträgen zufolge für Drittmittelsteigerungen mit bis zu fünf Prozent zusätzlich „in Bezug auf die Vorjahresleistungen“ belohnt werden, er in seiner Modellrechnung tatsächlich aber von der niedrigen Bezugsgröße im Jahr 2008 ausgeht, so dass nur ein geringer Teil der absehbar starken Drittmittelsteigerungen belohnt werde. Die Unis würden so nicht nur Geld verlieren – sie hätten auch nicht den von Zöllner versprochenen Anreiz für höhere Leistungen. Zöllner erklärte im Wissenschaftsausschuss hingegen, er halte die Verträge ein.

Die Opposition kritisierte „Beliebigkeiten“, die die Gerechtigkeit, die Transparenz und letztlich den Sinn des Preismodells in Frage stellten. So wird ein Studienplatz an der UdK mit mehr als dem doppelten Preis veranschlagt als ein Studienplatz an einer kleinen künstlerischen Hochschule. Die Aufteilung sei letztlich „willkürlich“, die Beträge „gegriffen“, sagte Nicolas Zimmer (CDU). Darum könne man auf das System auch verzichten, zumal Belohnungen für Leistungssteigerungen angesichts der Haushaltslage Berlins enge Grenzen gesetzt seien. Besser wäre es gewesen, mit den einzelnen Hochschulen Zielvereinbarungen abzuschließen. Zimmer kritisierte, die Hochschulverträge seien ohne ihr Kernstück beschlossen worden.

Schillhaneck befürchtet, dass die Hochschulen die bislang übliche interne Vergabe von Geld nach Leistung aufgeben. Denn Zöllner geht davon aus, dass Belohnungen für Leistungen keineswegs denen zugute kommen, die sie erbracht haben, sondern die Mittel dazu verwendet werden, neue Bereiche anzuschieben.

In der Tat können sich die Hochschulen keineswegs leisten, Forscher zu belohnen. Denn die jetzt von Zöllner als „Belohnungen“ für Leistungen betrachteten Mittel sind nichts anderes als die bisherige Grundfinanzierung der Hochschulen, die sie fortan nur durch bestimmte Drittmitteleinwerbungen legitimieren müssen. Das Problem ist die schwierige Haushaltslage Berlins, die den Budgets der Hochschulen enge Grenzen setzt.

Journalisten führte der Senator im Anschluss an die Sitzung des Ausschusses Grafiken vor, die einen rasant ansteigenden Landeszuschuss für die Hochschulen in den kommenden Jahren illustrieren sollten: von 952 Euro im Jahr 2010 auf über eine Milliarde in 2013. Tatsächlich aber sinkt der Landeszuschuss leicht: im Jahr 2012 auf 948 Millionen Euro.

Die übrigen Mittel bekommt Zöllner aus dem Hochschulpakt des Bundes für neue Studienplätze. Aus diesem Topf wird Zöllner auch seine „Belohnungen“ für die Hochschulen bereit stellen, und zwar keineswegs nur für die Lehre, sondern auch für die Forschung, wie er im Herbst dem Abgeordnetenhaus darlegte: 30 Millionen im Jahr 2012 und 43 Millionen im Jahr 2013. So werden Mittel, die der Lehre zustehen, nicht nur für die Forschung umgewidmet. Absehbar ist auch, dass dies der Topf sein wird, aus dem die Hochschulen ihre steigenden Personalkosten und Preissteigerungen auffangen werden müssen. Die Betreuungsrelation dürfte sich unter diesen Umständen weiter verschlechtern.

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