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Unimedizin: Die Placebos der Charité

Der Masterplan der Charité, den noch der alte Vorstand unter Detlev Ganten und Dekan Martin Paul erarbeitet hatte, genügt den Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus nicht mehr als verlässliche Grundlage für die Haushaltsentscheidungen.

Das wurde jetzt bei den Etatberatungen im Wissenschaftsausschuss quer durch alle Parteien deutlich. Und der neue Masterplan wird wohl nicht mehr rechtzeitig bis zur zweiten Lesung des Doppelhaushalts 2010/2011 im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am 20. November vorliegen.

Die Kritik an den nicht verlässlichen Zahlen des alten Masterplans geht quer durch alle Parteien. Der CDU-Abgeordnete Christian Goiny spricht von Placebos bei den Zahlenangaben, der SPD Abgeordnete Lars Oberg vermisst belastbare Kostenschätzungen, die Linke kritisiert, dass die Charité ein strukturelles Defizit allein schon wegen ihrer Größe mit sich herumschleppe. Ihr Sprecher Wolfgang Albers sagte, für ein Bett in der Charité würden 139 Quadratmeter an Flächenbedarf angesetzt, üblich seien im Krankenhausbetrieb 60 Quadratmeter. Das strukturelle Defizit bezifferte Albers auf 60 Millionen Euro pro Jahr. Da die Charité dieses hohe Defizit inzwischen auf 19 Millionen Euro reduziert habe, sei sie auf gutem Wege.

Streitpunkt ist immer wieder die Frage, ob die Charité drei bettenführende Standorte benötigt. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner möchte unbedingt am Standort Benjamin Franklin im Süden festhalten. Er fordert vor allem eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Standorten Rudolf Virchow in Wedding und dem Zentrum in Mitte. Zöllner möchte außerdem, dass die Betriebskosten am Standort Virchow reduziert werden. Die Betriebskosten seien durch die dortige Form der ausufernden Bebauung besonders hoch. Auch Zöllner machte keinen Hehl daraus, dass der alte Masterplan keine Grundlage mehr bietet, weil sich am Beispiel des Bettenhochhauses in Mitte herausgestellt hat, dass die Sanierungskosten im Vergleich zu einem Neubau nicht verlässlich durchgerechnet worden seien.

Zöllner warnte vor der Illusion, in absehbarer Zeit Sicherheit über die Risiken zu gewinnen. Jahresangaben seien willkürlich, weil im Krankenhausbetrieb immer Renovierungen erforderlich seien. Besser wäre eine Verteilung der Investitionskosten über eine längere Zeitschiene. Dann könne man auch Prioritäten überzeugender begründen. Für solchen Investitionsbedarf über einen längeren Zeitraum ist der neue Masterplan unumgänglich.

Vor diesem Hintergrund beschloss der Wissenschaftsausschuss quer durch alle Parteien, erst den neuen Masterplan der Charité abzuwarten. Die Folge wäre: Der Hauptausschuss würde die Investitionskosten für die Charité in den Jahren 2010/2011 zunächst sperren und die Freigabe der Millionenbeträge erst dann ermöglichen, wenn der Wissenschaftsausschuss den neuen Masterplan der Charité geprüft hat. Das dürfte erst im Jahre 2010 möglich sein. Immerhin gibt es eine gute Botschaft: Der Zuschuss für Forschung und Lehre soll um sieben Millionen Euro wachsen.

Uwe Schlicht

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