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© Thilo Rückeis

Uniranking: Gut und günstig

Preis und Leistung stimmen wieder: Berlins Unis schneiden im norddeutschen Vergleich am besten ab. In der Hauptstadt gibt es eine Leistungssteigerung ohne Kostenexplosion. Berlin hat noch keine Eliteuniversität, aber die Rankings zeigen, dass zwei von drei großen Berliner Universitäten in Deutschland zur Spitze gehören.

Doch Berlin geht seit Jahrzehnten der Ruf voraus, die teuersten Unis in Deutschland zu besitzen und zugleich die meisten Studiengänge mit den längsten Studienzeiten und Abbrechern.

Nun räumt ein Vergleich des Hochschulinformationssystems (HIS) unter 22 Universitäten in den norddeutschen Ländern mit Vorurteilen auf: Berlin lässt sich seine Hochschulen zwar viel kosten, aber die 900 Millionen Euro pro Jahr (ohne die Charité) sind offensichtlich gut angelegt. Inzwischen entspricht der Finanzaufwand auch den Leistungen. In den meisten großen Fächergruppen ragen die Forschungsleistungen der Berliner Wissenschaftler im norddeutschen Vergleich heraus. In der Lehre sind die Aufwendungen für das Studium, gemessen an den Kosten pro Absolvent, in Berlin nicht mehr exorbitant hoch, sondern bewegen sich im Mittelfeld.

Die rigorose Sparpolitik seit 1993 hat die Kosten der Berliner Universitäten gesenkt, was sich in dem jetzt vorliegenden Vergleich für das Jahr 2004 zum ersten Mal realistisch abbildet. Trotz allen Jammerns über die Halbierung der Professorenzahlen an der Freien Universität (FU) und an der Technischen Universität (TU) sowie über die Reduzierung der Professuren an der Humboldt-Universität (HU) um ein Viertel, haben sich die Leistungen vor allem der FU und der HU verbessert. Beide Universitäten können sich in ihrer Leistung heute mit den Spitzenuniversitäten in Bayern und Baden-Württemberg messen. Nur gibt es für Süddeutschland keinen länderübergreifenden Kosten- und Leistungsvergleich so wie ihn das HIS in Hannover seit Jahren für Berlin, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt liefert. In Süddeutschland sind solche Vergleiche nicht erwünscht.

Im Leistungsvergleich der Sprach- und Kulturwissenschaften nimmt die FU unter den norddeutschen Universitäten unangefochten die Spitzenposition ein, in der Forschung wie der Lehre. Die HU, die den zweiten Platz errungen hat, ist besser in der Forschung als in der Lehre. Unter den norddeutschen Universitäten liegt der Durchschnittsbetrag an eingeworbenen Drittmitteln für die Forschung bei 36 000 Euro pro Professor. Die FU erzielt den Spitzenwert mit 68 000 Euro, vor der Universität Potsdam mit 67 000 Euro und der HU mit 59 000 Euro. Selbst so renommierte Universitäten wie Göttingen, Hamburg und Halle kommen da nicht mit: Ihre Drittmitteleinnahmen bewegen sich zwischen 22 000 und 29 000 Euro pro Professor.

Auch die Studienkosten sind in Berlin nicht mehr exorbitant hoch. Im norddeutschen Vergleich liegen sie pro Absolvent im Schnitt bei 23 000 Euro. Die FU kommt auf 26 000 Euro, die HU auf 25 000 Euro und die TU auf 23 000 Euro. Damit stehen die Berliner ganz anders da als Göttingen, Greifswald oder Halle. Dort ist das Studium pro Absolvent mit 40 000 bis 43 000 Euro besonders teuer.

Früher beklagte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin den zu hohen Personalaufwand an den Universitäten der Stadt. Heute kommt in den Sprach- und Kulturwissenschaften in Berlin ein Professor auf drei wissenschaftliche Mitarbeiter. Das entspricht dem norddeutschen Durchschnitt.

In der Fächergruppe Rechts- und Sozialwissenschaften ist die Ausstattung auch nicht üppiger. Die Studienkosten sind jedoch in Berlin besonders günstig. Während im Durchschnitt die Lehrkosten pro Absolvent mit 16 000 Euro angesetzt werden, betragen sie an der FU und der HU nur 12 000 Euro, an der TU 19 000 Euro. Spitzenkosten pro Absolvent erzielen die TU Clausthal mit 87 000 Euro und die TU Braunschweig mit 46 000 Euro. Das günstige Berliner Ergebnis kommt dadurch zustande, dass diese Studiengänge überbelegt sind.

Auch in der Forschung können sich die Berliner Unis in den Rechts- und Sozialwissenschaften sehen lassen. Im Durchschnitt kommen 48 000 Euro auf einen Professor. Die FU liegt hier mit 42 000 Euro an eingeworbenen Drittmitteln pro Professor unter dem Durchschnitt, die HU dagegen mit 71 000 Euro weit darüber. Den Spitzenplatz nimmt mit 116 000 Euro die TU ein. Sie wird im norddeutschen Vergleich nur noch von der Universität Bremen übertroffen, die auf 122 000 Euro kommt.

Auch die Berliner Naturwissenschaftler und Mathematiker nehmen im norddeutschen Vergleich Spitzenpositionen ein: Die TU führt mit 210 000 Euro pro Professor bei den Drittmitteln, gefolgt von der FU mit 191 000 Euro, der Uni Potsdam mit 162 000 Euro und der HU mit 151 000 Euro. Im norddeutschen Vergleich steht jedoch Bremen an der ersten Stelle mit 308 000 Euro. Die Uni Göttingen glänzt bei den Drittmitteln mit 169 000 Euro pro Professor.

In der Lehre liegen die norddeutschen Durchschnittskosten pro Absolvent in Mathematik und den Naturwissenschaften bei 62 000 Euro. Die TU Berlin mit 51 000 Euro und die FU mit 54 000 Euro liegen deutlich unter dem Durchschnitt, die HU mit 65 000 leicht darüber. Wenn Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin nach Clausthal in Niedersachsen blickt, müssten ihm bei Kosten von 101 000 Euro pro Absolvent die Haare zu Berge stehen. Auch die Aufwendungen von Lübeck mit 106 000 Euro, Halle mit 88 000 Euro und Bremen mit 86 000 Euro pro Absolvent werden die dortigen Finanzminister in Alarmstimmung versetzen.

In den Ingenieurwissenschaften schneidet Berlin nicht so glanzvoll ab wie in den Naturwissenschaften: Bei der Drittmitteleinwerbung liegt die Berliner TU mit 259 000 Euro pro Professor unter dem norddeutschen Durchschnitt. Die Universität Bremen nimmt unangefochten den Spitzenplatz mit 648 000 Euro pro Professor ein. Die nächsten Spitzenplätze in der Forschung gehen an die Universität Hannover und die TU Clausthal mit über 400 000 Euro an Drittmitteln pro Professor. Selbst die TU Braunschweig steht noch vor der Berliner TU.

In der Lehre sieht das Bild für die Berliner TU günstiger aus: Die norddeutschen Durchschnittskosten von 55 000 Euro pro Absolvent werden mit 39 000 Euro in Berlin deutlich unterschritten. Am teuersten ist die Ausbildung an den die Universitäten Kiel mit 241 000 und Bremen mit 182 000 Euro. Bei der Personalausstattung liegt Berlin im norddeutschen Durchschnitt. Auf einen Professor kommen vier wissenschaftliche Mitarbeiter. Das hielt Berlins Finanzsenator Sarrazin noch im Jahr 2002 für überzogen. Dabei bieten die großen süddeutschen Universitäten und Aachen bei den Ingenieuren eine weitaus üppigere Ausstattung.

Bei den Agrar- und Ernährungswissenschaften kann Berlin nicht glänzen. Bei den Kosten pro Absolvent liegt die HU mit knapp 54 000 Euro etwas über dem norddeutschen Durchschnitt. Aber in der Forschung ist die große Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der HU bereits im norddeutschen Vergleich mit 63 000 Euro an eingeworbenen Drittmitteln schwach. Kiel mit 208 000 Euro und Göttingen mit 184 000 Euro pro Professor kommen da auf ganz andere Werte.

Glanzvoll schneidet Berlin in Kunst, Musik und Design ab. Keine andere Universität wirbt auch nur annähernd so viele Drittmittel ein wie die FU mit 180 000 Euro pro Professor und die HU mit 78 000 Euro. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 35 000 Euro. Auch bei den Studienkosten kann sich Berlin im norddeutschen Vergleich sehen lassen. Sie liegen deutlich unter dem Durchschnitt von 36 000 Euro pro Absolvent: Die FU kommt auf 30 000 Euro und die HU auf 24 000 Euro.

Die jetzt vom HIS veröffentlichten Daten von 2004 zeigen: In Berlin gibt es eine Leistungssteigerung ohne Kostenexplosion. Darauf weisen auch die drei Universitätspräsidenten Kurt Kutzler, Christoph Markschies und Dieter Lenzen hin. FU-Präsident Lenzen wörtlich: „Der freundschaftlich-kollegiale Wettbewerb hat uns alle stark gemacht.“

Uwe Schlicht

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