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Die Kirche von San Benedetto wurde bei einem Erdbeben im Oktober 2016 zerstört, das die Stärke 6,6 auf der Richterskala erreichte.

© EPA/Matteo Guidelli/dpa

Unterirdischer Druck: Kohlendioxid im Untergrund könnte Erdbeben in Italien auslösen

In Zentralitalien kommt es immer wieder zu schweren Erdbeben. Forscher beschreiben eine mögliche Ursache.

Am 6. April 2009, am 24. August und am 30. Oktober 2016 kamen bei drei heftigen Erdbeben im Herzen Italiens mehr als 600 Menschen ums Leben, 120.000 Einwohner mussten evakuiert werden. Doch die Erde bebte nicht nur, aus dem Untergrund stiegen auch riesige Mengen Kohlendioxid auf.

Waren die Gasmassen womöglich ein Auslöser für die Erschütterungen? Zu diesem Schluss kommen Giovanni Chiodini und Carlo Cardellini vom National-Institut für Geophysik und Vulkanologie in Bologna nach zehn Jahren Forschung, wie sie im Fachblatt „Science Advances“ schreiben.

Kohlendioxid dringt immer wieder aus dem Untergrund, insbesondere in Regionen der Welt, die besonders häufig von schweren Erschütterungen betroffen sind. Nur hatte bisher niemand dieses Phänomen über einen längeren Zeitraum beobachtet und mit dem Erdbeben-Geschehen in Verbindung gebracht.

Plattenverschiebungen mit Folgen

Giovanni Chiodini analysiert seit 2009 das Wasser, das aus 36 starken Quellen in der weiteren Umgebung der Stadt L’Aquila strömt, die vom Erdbeben im Jahr 2009 fast völlig zerstört wurde. Dabei wird nicht nur die Konzentration von Kohlendioxid gemessen, sondern auch Kohlenstoff-Isotope, die etwas über die Herkunft des Gases verraten.

Demnach wird am Grund von Meeren und Seen ständig ein Teil des Kohlendioxids in einer Reihe von chemischen und biologischen Prozessen gefangen und letztlich in Kalkgestein umgewandelt. Weil dieses Gestein mit der Zeit immer tiefer unter immer neuen Ablagerungen begraben wird, speichert es das Treibhausgas dauerhaft in der Tiefe – allerdings nicht bis in alle Ewigkeit.

In einigen Weltgegenden stoßen die etliche Kilometer dicken Platten zusammen, die auf ihren Rücken Ozeane und Landflächen tragen. Bei solchen Kollisionen schiebt sich oft eine dieser Platten auf die andere und drückt diese dabei immer weiter in die Tiefe.

So taucht zum Beispiel die Adriatische Platte, auf der neben der Adria auch Teile der angrenzenden Landflächen liegen, unter die viel größere Eurasische Platte, zu der auch große Teile des italienischen Stiefels gehören. Da dieser Vorgang bereits seit mehr als hundert Millionen Jahren stattfindet, ist die Adriatische Platte inzwischen einige Hundert Kilometer tief in den Erdmantel getaucht.

Dort aber liegen die Temperaturen bei etlichen Hundert Grad Celsius und die eintauchende Platte schmilzt teilweise. Diese zähflüssige Masse steigt dann mitsamt dem enthaltenen Kalk sehr langsam wieder nach oben. In Tiefen von weniger als 60 Kilometern kann aus dieser Mischung das enthaltene Kohlendioxid wieder ausgasen, berichten die Forscher in ihrer Studie.

Kohlendioxid wird freigesetzt

Dieses Kohlendioxid aber steht unter hohem Druck und sammelt sich in einer Tiefe von zehn bis 15 Kilometern unter dem Becken, in dem die Stadt L’Aquila liegt. Solches Kohlendioxid finden Giovanni Chiodini und seine Kollegen in den Quellwasser-Proben wieder. Und je größer die Erdbeben-Aktivität, umso mehr Kohlendioxid steigt aus der Tiefe auf.

Die Daten weisen darauf hin, so die Forscher, dass sich unter dem L’Aquila-Becken mit der Zeit immer mehr Kohlendioxid sammelt und der Gasdruck immer stärker wird und zu einem der Auslöser für die schweren Erdbeben wird, die in der Region immer wieder vorkommen.

Offenbar lösen die Erdbeben in der Tiefe weiteres Kohlendioxid aus dem zähflüssigen Magma – ganz ähnlich wie das Schütteln einer Sprudelflasche dazu führt, dass sich nach dem Öffnen Gasbläschen auf den Weg nach oben machen und ein Teil der Flüssigkeit aus der Flasche heraussprudelt.

In den vergangen zehn Jahren dürften in dieser Gegend 1,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Tiefe in die Luft gelangt sein, schätzen die Forscher.

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