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Von Demo zu Demo. Bald laufen die Mittel für den Elitewettbewerb und den Hochschulpakt aus. Die Politik ist gefordert.

© ddp

Verfassungsreform: Schavans Schatulle

Klotzen oder kleckern: Schulen und Universitäten fehlen bald Milliarden. Doch wie stark der Bund sich engagieren soll, ist umstritten.

Soll die Politik sich bei Reformen auf das Machbare beschränken und dafür einen Erfolg einstreichen? Oder soll sie unbedingt alles Wünschbare fordern und am Ende eine krachende Niederlage einstecken? Genau darum geht es bei der jetzigen Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes. Die Frage lautet: Soll sich die Reform allein darauf beschränken, die seit Jahrzehnten bestehende Unterfinanzierung der Hochschulen zu begrenzen? Oder müsste das Grundgesetz so geändert werden, dass auch die Schulen davon profitieren, so dass die von Angela Merkel gewünschte Bildungsrepublik Deutschland zum Leben erweckt wird?

Die Hochschulen treibt die Sorge um, wie die vielen Milliarden von Bund und Ländern, die in den letzten Jahren über die Exzellenzinitiative und den Hochschulpakt geflossen sind, erhalten bleiben. Die Mittel für die Projekte des Exzellenzwettbewerbs laufen nur bis 2017. Die Studienplätze im Hochschulpakt sollen bisher nur bis 2020 finanziert werden.

Das Grundgesetz hat dafür eine eigene Begrifflichkeit eingeführt: Seit dem Jahr 2006 wird in Artikel 91,2 unter dem bürokratischen Begriff „Vorhaben“ dem Bund bei einer gemeinsam mit den Ländern zu leistenden Finanzierung eine Mitwirkung nur in den engen Grenzen zeitlich befristeter Projekte erlaubt. Also keine Grundfinanzierung. Läuft der Förderungszeitraum ab, gehen selbst als gut bewertete Projekte zu Ende. Es sei denn, das jeweilige Sitzland springt als Finanzier in vollem Umfang ein. Sollte sich das Sitzland dazu außerstande sehen und die Verstetigung gar nicht oder nur über Umschichtungen in den Hochschuletats erreichen, wäre das eine Katastrophe für die Unis.

Darum betrachtet Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), befristete Projekte wie den Hochschulpakt und die Exzellenzinitiative für neue Studienplätze als „Tropfen auf dem heißen Stein, denn sie ermöglichen keine Planungssicherheit“: „Dauerstellen für wissenschaftliches Personal können so nicht geschaffen werden“, erklärt sie. Wenn den Hochschulen in Zukunft nach den kritischen Jahren 2017 und 2020 geholfen werden soll, muss es um eine bessere Grundfinanzierung auf Dauer und nicht auf wenige Jahre gehen. Die Länder allein schaffen eine erweiterte Grundfinanzierung nicht. Sie ersticken in den Milliardenaufwendungen für das Personal: für Lehrer, Wissenschaftler und Professoren.

Die Vertraute von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen, sieht nur Chancen für „eine kleine, aber feine“ Grundgesetzänderung zugunsten der Hochschulen, nicht aber zugunsten der Schulen. Sonst gehe die in dieser Legislaturperiode gegebene Chance verloren. Allerdings wirft die Opposition Schavan inzwischen vor, sogar die Hochschulen im Regen stehen lassen zu wollen. Schavan gehe es nur um die Zukunft von Eliteeinrichtungen und um ihr Projekt einer Fusion von Charité und Max-Delbrück-Centrum, nicht aber um Bundeshilfen für die Hochschulen in der Fläche: „Einrichtungen an Hochschulen“ soll der Bund laut Schavan nach einer Änderung des Grundgesetzes fördern dürfen. Diese Formulierung erlaubt jedenfalls die Interpretation, Schavan denke nicht an die Hochschulen in der Breite.

Anders die SPD. Sie will klotzen, nicht kleckern: Es wäre eine „Fehlentscheidung“, sich bei der Grundgesetzänderung nur auf die Hochschulen zu beschränken. Angesichts von 60 000 Schulabbrechern und 7,5 Millionen Analphabeten wäre eine Konzentration der Bundesmittel auf den Wissenschaftsbereich eine „Schieflage“, erklärt die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft, Ulla Burchardt (SPD). So sehen es auch die Grünen und die Linke.

In den Ländern verschwimmen diese Parteilinien jedoch. Das von CDU und FDP regierte Schleswig-Holstein will Bundeshilfen auch für die Schulen ermöglichen. Die Übertragung der Verantwortung für Bildung und Wissenschaft auf die Länder habe bislang zu keiner hinreichenden Verlagerung der Finanzierungsmittel geführt. Deswegen fordert Schleswig-Holstein eine Änderung des Grundgesetzartikels 104b mit folgenden Zielen: Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen gewähren, die auch „zum Ausgleich unterschiedlicher Leistungsfähigkeit in Bildung und Wissenschaft einschließlich Infrastruktur erforderlich sind“.

Das von der SPD regierte Land Hamburg möchte ebenfalls den Weg über den Artikel 104 gehen, aber durch Einführung eines neuen Artikels 104c. Danach soll der Bund den Ländern „Finanzhilfen im gesamten Bildungsbereich und zudem dauerhaft leisten“. Diesen Finanzhilfen müssten jedoch alle Länder zustimmen.

Wofür Bayern, Baden-Württemberg und Berlin plädieren

Aus Bayern hat sich Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) zu Wort gemeldet: Er möchte beim Artikel 91b bleiben und das Kooperationsverbot lediglich für die Hochschulen beendet sehen. „Wir brauchen einen Wettbewerb um die besten Bildungskonzepte und keinen weiteren Länderfinanzausgleich.“ Für manche Geberländer sei es schon heute kaum zu ertragen, „dass sich finanzschwache Bundesländer mit Geldern des Finanzausgleichs ideologisch begründete Wohltaten wie den Verzicht auf Studienbeiträge leisten“.

Baden-Württemberg lehnt aus diesem Grunde bislang jede Grundgesetzänderung in der Bildung ab. Gebe der Bund den Ländern nur mehr Umsatzsteuerpunkte ab, könnten sie auch ihren Aufgaben ordentlich nachkommen. An dieser Haltung war letztlich Merkels Bildungsgipfel mit den Ländern geplatzt.

Staatssekretär Josef Lange aus dem CDU-regierten Niedersachsen, einer der besten Kenner der Bildungs- und Wissenschaftspolitik, würde die Priorität bei den Hochschulen setzen. Wer die große Zahl an Ingenieuren im Blick habe, die in Indien und China an den Hochschulen ausgebildet werden, erkenne, dass sich in dieser weltweiten Konkurrenz nicht einzelne deutsche Länder, sondern nur die Bundesrepublik als Ganzes behaupten könne. Deswegen müsse der Bund auch die kleinen Fächer der Regionalwissenschaften, die an den Universitäten so oft dem Rotstift zum Opfer fallen, erhalten.

Für Josef Lange ist zwar klar: Es kann bei der Mitfinanzierung der Hochschulen durch den Bund nicht darum gehen, flächendeckend alle Universitäten und Hochschulen mit Bundesgeldern zu fördern, sondern das Bundesengagement für die Hochschulen solle sich auf wenige Bereiche beschränken: die Fortführung der Exzellenzprogramme, mit deren Hilfe Forschungscluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte an den Universitäten finanziert worden sind. Hinzu muss seiner Meinung nach aber die Finanzierung neuer Studienplätze bei sich verstärkender Nachfrage über das Jahr 2020 hinaus kommen und auch eine angemessene Finanzierung von Hochschulbauten. Es habe sich als ein Fehler erwiesen, die Bund-Länder-Programme für den Hochschulbau als Beispiel für eine zu komplizierte Mischfinanzierung in der Föderalismusreform von 2006 zu beenden. Man habe damals den großen Erneuerungsbedarf verkannt, der bei den in den 1960er und 1970er Jahren entstandenen Betongebäuden heute anstehe. Die Sanierungskosten in den Hochschulen gingen über das den Ländern Mögliche hinaus. Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es gehe bei einer Grundgesetzänderung nur um Exzellenzinstitute an Hochschulen, fordert Staatssekretär Lange eine Formulierung, wonach der Bund „Einrichtungen in den Hochschulen“ fördern können soll.

Auch Knut Nevermann, der Berliner Staatssekretär für Wissenschaft (SPD), hält ein Engagement des Bundes im Hochschulbau für notwendig, allein schon wegen des enormen Sanierungsbedarfs. Er nimmt aber den gesamten Bereich der Bildung vom Kindergarten über die Schulen bis zu den Hochschulen in den Blick. Allein die Inklusion behinderter Kinder in den Schulbetrieb könnten die Länder ohne zusätzliches Geld nicht bewältigen.

Und wenn ein großer Wurf nicht umsetzbar ist, es aufgrund gegenseitiger Blockaden vorläufig nicht einmal zu einer kleinen Verfassungsänderung kommt? Nevermann deutet an, wie auch dann vom Bund mehr Geld in die Hochschulen fließen könnte: Die Länder könnten zum Beispiel dadurch entlastet werden, dass der Bund nicht nur wie bisher 20 Prozent, sondern 40 bis 50 Prozent der sogenannten „Overhead-Kosten“ der Hochschulforschung übernimmt, also jener Kosten, die für zusätzliches Personal und Geräte anfallen, um die eingeworbenen Drittmittel überhaupt sinnvoll ausgeben zu können. Ähnliche kreative Vorschläge dürften auch in den Schubladen anderer Länder bereitliegen.

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