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Dabei sein. Bereits kleinen Kindern ist Gemeinschaft sehr wichtig, sie nehmen dafür einiges in Kauf.

© picture alliance / dpa

Verhalten von Kleinkindern: Gemeinsam statt einsam

Bereits Zweijährige ahmen das Verhalten Gleichaltriger nach - selbst wenn ihnen das Nachteile bringt. Sie wollen anerkannt werden.

Es ist ein motivierendes Spiel, für kleine Menschenkinder wie für ausgewachsene Schimpansen und Orang-Utans: Vor ihnen steht eine Box, die in drei verschiedenfarbige Abschnitte unterteilt ist. Dort kann man einen Ball hineinwerfen, wahlweise in einen der drei Teile. Allerdings gibt es nur bei einem von ihnen nach einem Treffer eine Belohnung. Für die Affen eine Erdnuss, für die Kinder eine Schokoladenkugel.

Diese Anordnung wählten Psychologen um Daniel Haun von der Universität Jena, um herauszufinden, inwiefern Zweijährige das Verhalten Gleichaltriger nachahmen. Nachdem die Kinder etwas geübt hatten und sich sicher waren, in welche Öffnung sie treffen mussten, bekamen sie Gelegenheit, einigen Altersgenossen beim Werfen zuzuschauen. Diese Kleinkinder wiederum waren so trainiert, dass sie eine andere Abteilung der Box auswählten – aus der für sie aber ebenfalls eine Schokokugel fiel. Für die Kinder aus der ersten Gruppe muss das erstaunlich gewesen sein, hatten sie doch zuvor etwas anderes gelernt. Dennoch entschied sich die Hälfte von ihnen im Anschluss für die Box, in die die Altersgenossen ihren Ball geworfen hatten. Die Menschenaffen dagegen, mit denen ein ähnlicher Versuch gestartet worden war, blieben bei der Strategie, die sie zu Beginn gelernt hatten und mit der sie sicher an ihre Erdnüsse gelangten – dem bösen Ausdruck vom „Nachäffen“ zum Trotz.

Kinder wollen ungern "anders" sein

Solche sozialpsychologischen Studien zur Anpassung des Verhaltens an das der Mitmenschen sind bereits früher gemacht worden, allerdings mit Erwachsenen und älteren Kindern. Prinzipiell sind zwei Gründe für konformes Verhalten denkbar: die Hoffnung auf besseren Erfolg in der Sache oder darauf, dass die Anpassung soziale Anerkennung bringt. Beim beschriebenen Experiment könnten die jungen Probanden versucht haben, beides zu erreichen, also Schokokugeln und das Wohlwollen ihrer Altersgenossen zu gewinnen. Für das Überwiegen des zweiten Motivs spricht, dass die Kinder sich weit öfter dafür entschieden, die Strategie ihrer Altersgenossen nachzuahmen, wenn sich diese noch im Raum befanden.

Dabei spielte es keine Rolle, ob ihnen nur eines oder mehrere Kinder zuschauten. „Wir waren überrascht, dass schon Zweijährige ihr Verhalten ändern, nur um den potenziellen Nachteil zu vermeiden, anders zu sein“, sagt Haun, dessen Studie im Fachmagazin „Psychological Science“ erschienen ist.

Schwindeln um des lieben Friedens willen

Vor zwei Jahren hatte er das bereits in einem Versuch mit Vierjährigen gezeigt. Je vier Kinder erhielten vermeintlich identische Bilderbücher, auf deren linker Seite jeweils eine Tierfamilie abgebildet war, rechts ein einzelnes Mitglied dieser Familie. Die Aufgabe war es nun, die familiäre Rolle des Tieres auf der rechten Seite zu benennen. Was die Kinder nicht wussten: Eines von ihnen hatte ein Buch in der Hand, auf dessen rechter Seite ein anderes Familienmitglied abgebildet war. Dieses Kind passte sich in der überwiegenden Mehrheit der Fälle der „Mehrheitsmeinung“ der drei anderen an. Obwohl es selbst wissen musste, dass es damit nicht die Wahrheit sagte. Es gab also zum Beispiel an, ebenfalls den Löwenvater zu sehen, wo bei ihm doch in Wirklichkeit das Junge abgebildet war. Das passierte vor allem, wenn die Kinder aufgefordert waren, ihre Lösung den anderen laut mitzuteilen. Schwindeln sie dann um des lieben Friedens in der Gruppe willen?

Eine Erklärung: Sie wollen Kooperationspartner finden

„Kinder lernen ausgesprochen früh die sozialen Konsequenzen ,abweichenden‘ Verhaltens kennen“, sagt Haun. Die Altersgruppe zwischen zwei und zweieinhalb Jahren hat er für den Boxen-Versuch gewählt, weil Kleinkinder zu diesem Zeitpunkt beginnen, sich an Gleichaltrigen zu orientieren. Dass sie auf das Prinzip Ähnlichkeit setzen, könnte seiner Ansicht nach durchaus eine Verhaltensstrategie sein, die sich im Verlauf der Evolution durchgesetzt hat. „Sie könnte helfen, unter Fremden potenzielle Kooperationspartner auszuwählen. Menschenaffen hingegen leben ohnehin in Gruppen, die so klein sind, dass es innerhalb der Gruppe keine Fremden gibt.“

Noch sind allerdings zahlreiche Fragen offen, unter anderem die nach kulturellen Unterschieden im Anpassungsverhalten. In einer weiteren Studie möchten die Forscher auch untersuchen, in welchen Schritten sich Kinder dem Verhalten der Erwachsenen annähern: Die passen sich nämlich stärker an, wenn eine größere Gruppe von Mitmenschen ein bestimmtes Verhalten zeigt, als wenn dies nur ein Einzelner tut.

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