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Der Henry-Ford-Bau der Freien Universität.

© Peer Grimm/pa/dpa

Vermietung von Uniräumen in Berlin: Strenge Hörsaal-Politik

Studierende beklagen Willkür bei der Raumvergabe an Berliner Universitäten. Landesweite Bestimmungen gibt es nicht - die FU etwa will nicht an Parteien vermieten.

Wer darf Räume an Hochschulen mieten? Und was kostet das? Das wollte der Abgeordnete Tobias Schulze (Linke) vom Berliner Senat wissen. Denn schon seit Jahren ärgern sich Studierendenvertreter über die Praxis der Raumvergabe, die ihnen willkürlich oder parteiisch erscheint. So hatte die Hochschulgruppe „SDS. Die Linke FU“ – die Studierendengruppe der Partei Die Linke an der FU – vor fünf Jahren eine Diskussion mit Gregor Gysi ins Foyer der FU-Mensa verlegen müssen, weil die Uni-Leitung keinen Raum herausrückte. Und Studierendenvertretern der Humboldt-Universität verweigerte die HU-Leitung einen Raum für einen Bondage- und Drag-Kurs, weil der Bezug zur Wissenschaft nicht zu erkennen sei.

Auch unlängst haben Schulze Beschwerden erreicht, wie er sagt, „besonders über die FU“. Die Lage habe sich dort in den vergangenen zwei bis drei Jahren zugespitzt. So habe die FU dem SDS keine Räume zu einer großen Konferenz gegeben, die er im Herbst zum Thema 1968 abhalten wollte. Die FU habe auf die Parteinähe des Veranstalters verwiesen. Außerdem habe die FU Räume für eine Veranstaltung zu „Rassismus an der Hochschule“ verweigert, bei der auch Professorinnen und Professoren eingebunden gewesen seien. Das Argument der FU habe gelautet, die Veranstaltung habe nichts mit dem Wissenschaftsbetrieb zu tun. Hingegen habe die FU noch in der jüngeren Vergangenheit der SPD Räume zur Verfügung gestellt, sagt Schulze. Er sorgt sich um die Hochschulen als Orte demokratischer Debatten. Denn auch Beschwerden über Entscheidungen der Humboldt-Universität und vereinzelt auch der TU seien an ihn herangetragen worden.

Die Vermietung liegt im Ermessen der Hochschulen

Wer bekommt also einen Raum und wer nicht? Eine berlinweite Regelung gibt es für die Hochschulen nicht. Es liegt in ihrem Ermessen, an wen sie außerhalb des Studiums Räume vergeben, lautet denn auch die Antwort von Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft, auf Schulzes kleine Anfrage. Dabei könnten „unter anderem grundrechtliche Positionen, Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung zu berücksichtigen sein“. Der Senat gehe davon aus, „dass Antragssteller, deren Ziele mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind beziehungsweise sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, grundsätzlich von der Nutzung ausgeschlossen sind“. Das Neutralitätsgebot sei bei den Entscheidungen über die Vermietung zu berücksichtigen, auch bei Parteien. Werden engagierte Studierende bei der Vergabe von Räumen fair behandelt? „Der Senat sieht keine Veranlassung zur Beanstandung“, teilt Krach mit. „Studentisches Engagement ist dem Senat wichtig.“

Unter welchen Voraussetzungen Räume gemietet oder nicht gemietet werden dürfen, haben die Berliner Hochschulen in entsprechenden Bestimmungen geregelt. Was die Parteien angeht, findet Schulze die Regelung der TU am klarsten: „In den letzten Wochen vor einer Bundestags- oder Europawahl sowie vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus werden an Parteien im Sinne des Parteiengesetzes keine Räume und Flächen überlassen“, heißt es dort. Und weiter: „Dies gilt auch, soweit Mitglieder dieser Parteien an Veranstaltungen anderer teilnehmen, die allein der einseitigen Werbung für eine Partei dienen.“

Die TU listet auch Gründe auf, aus denen sie davon absehen könnte, einen Raum zu vermieten. Nämlich etwa, wenn zu erwarten ist, „dass der Veranstalter nicht zu einer störungsfreien Durchführung der geplanten Veranstaltung in der Lage ist“. Politische Symbole und Embleme totalitärer Systeme oder verbotener Vereinigungen und verfassungswidriger Parteien dürfen nicht an der TU gezeigt werden.

Das FU-Audimax kostet für drei Stunden 1025 Euro

Ähnliches gilt auch an der HU. Spezielle Hinweise zum Umgang mit Parteien finden sich in der Regelung der HU aber nicht. Die Beuth-Hochschule, die Kunsthochschule Weißensee, die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und die Universität der Künste verzichten sogar darauf, die Verfassungstreue etwaiger Mieter als Voraussetzung für die Vermietung zu erwähnen.

Zu den Bestimmungen der Hochschulen gehören detaillierte Preise für die verschiedenen Räume, die Raumausstattung und Personal. So kostet die Miete einer Pinnwand im Henry- Ford-Bau der FU zehn Euro, eines Technikers zwischen 35 und 45 Euro pro Stunde und des Audimax für drei Stunden 1025 Euro. Den bei ihnen organisierten studentischen Verbänden erlassen Berlins Hochschulen die Miete, wenn kein finanzieller Gewinn angestrebt wird. Externen Gruppen können Ermäßigungen gewährt werden, etwa gemeinnützigen Verbänden.

Forderung nach einer transparenten Regelung

Der Bestimmung der FU aus dem Jahr 2011 zufolge kommen auch Parteien für eine Mietermäßigung infrage. Allerdings erklärt die FU nun auf Nachfrage, sie stelle „aus grundsätzlichen Erwägungen keine Universitätsräume für Parteien und parteipolitische Veranstaltungen bereit“, wie Sprecher Goran Krstin erklärt: Die FU „ist ein weltanschaulich neutraler und unparteiischer Ort, an dem der wissenschaftliche Diskurs im Mittelpunkt steht“. Auch wolle die FU keine politische Partei bevorteilen. Sollte in der Vergangenheit dennoch ein Raum an eine Partei oder ihre Jugendorganisation vermietet worden sein, habe es sich um ein Versehen gehandelt. Politiker würden auch in Zukunft zu Gast an der FU sein: „Allerdings immer nur unter der Bedingung, dass die entsprechende Veranstaltung in einen wissenschaftlichen, insbesondere seminar- oder anderen studierendenbezogenen Kontext eingebettet wird.“

Tobias Schulze wünscht sich für die Hochschulen eine „einheitliche und transparente Regelung mit möglichst viel Offenheit“. Es müsse geklärt werden, was „Neutralität“ bei der Vermietung bedeute, wenn es um die Vermietungspraxis der Hochschulen gehe. Grundsätze könnten im Berliner Hochschulgesetz formuliert werden, „damit nicht jede Hochschule macht, was sie möchte“. Die FU hielte eine Regelung im Hochschulgesetz für hilfreich – allerdings „in Abhängigkeit vom genauen Wortlaut“.

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