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George Turner, Berliner Wissenschaftssenator a.D.

© Mike Wolff

Viele Hochschulen, sinkende Studierendenzahlen: Schrumpfende Standorte stilllegen

Deutschland hat viele Unis und FHs. Zu viele, findet unser Kolumnist. Er sieht darin, Standorte zu schließen - wenn nötig mit finanzieller Hilfe - die Lösung.

In Deutschland gibt es derzeit insgesamt 263 Hochschulstandorte. An jedem sechsten davon (41) nahm die Zahl der Studierenden seit 2012 im Durchschnitt um elf Prozent ab. Soweit eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Im Grunde war jedem Beobachter klar, dass die Zahlen der Studierenden irgendwann zurückgehen. Deshalb war es mehr als optimistisch, auch an entlegensten Plätzen Standorte zum Beispiel von Fachhochschulen einzurichten.

Zu viel des Guten

Wie aber ist jetzt die Reaktion auf den Befund schrumpfender Hochschulen? Es könnten ausländische Studierende angeworben werden, um die freien Plätze zu besetzen. So sollen zusätzliche Fachkräfte gewonnen werden. Das mag kurzfristig eine partielle Lösung sein. Das Problem bleibt, dass im Zuge der Expansion des Hochschulwesens zu viel des Guten getan worden ist. Der Ansturm auf die Hochschulen wurde als Daueraufgabe gesehen. Prognosen der Kultusministerkonferenz über die Stärke bevorstehender Jahrgänge, in der Regel falsch, taten ein Übriges zur Fehlplanung.

Statt Ausbau muss allmählich an Abbau gedacht werden. Das wird die Stadtväter und -mütter in Hintertupfing wahrscheinlich in Rage bringen, haben sie sich doch auf die stolzgeschwellte Brust geklopft, als Ihr Gemeinwesen Hochschulort wurde und das Ortsschild dementsprechend beschriftet werden konnte. Aber es hilft nichts: Deutschland hat nicht nur zu viele für ein Studium nicht geeignete Studierende, es gibt in Bälde auch überflüssige Studienplätze. Dabei ist ein gewisser Überhang an freien Plätzen durchaus sinnvoll, damit nicht etwa die Planwirtschaft des Zulassungswesens dauerhaft bleibt. Zu berücksichtigen aber ist, dass jeder Standort, und sei es auch nur eine Außenstelle, eine eigene Infrastruktur erfordert, die sich finanziell auswirkt.

„Stilllegungsprämie“

Hochschulen können in ihrer Kapazität nicht bis auf den letzten Platz mit zukünftigen Studierendengenerationen in Einklang gebracht werden. Aber die im Verhältnis zur Hochschulpolitik dominierende Regionalplanung und das Bemühen um die Versorgung auch letzter Winkel haben zu einem Flickenteppich an Einrichtungen geführt. Das gilt es nunmehr wieder zu korrigieren. Hilfreich dafür dürften enger werdende finanzielle Spielräume sein; als hinderlich werden sich Regionalproporz und Kirchturmdenken erweisen. So wie seinerzeit für neu geschaffene Studienplätze Geld zur Verfügung gestellt wurde, muss man langsam an eine „Stilllegungsprämie“ denken.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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