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Machtwort. Das gleiche Stimmrecht für Studierende will der Präsident kassieren. An der Uni wird damit gerechnet, dass die Studentenvertreter dagegen klagen.

© TU Pressestelle

Viertelparität an der TU Berlin: Technisches Foul mit Folgen

Die TU Berlin entmachtet die Professoren. Damit will sie Uni-Geschichte schreiben. Doch der Preis ist hoch: Die Uni hat nun mit neuen Gräben im Innern zu tun.

Die TU Berlin hat die Professoren im Erweiterten Akademischen Senat in der vergangenen Woche entmachtet – ein Aufsehen erregender Vorgang. Von links brandet Jubel auf. Die Gewerkschaft Verdi lobt in einer Pressemitteilung die „richtungsweisende Entscheidung“, die „Taz“ nennt den Vorgang eine „Revolution“, der Asta der FU spricht gar von einer „Sensation“. Schließlich rüttelt der Beschluss der TU an einem Karlsruher Urteil, das seit 40 Jahren die Gremienlandschaft der Hochschulen prägt und Versuche mit paritätisch besetzten Gremien nach kurzer Zeit beendete. Die Professoren haben die Mehrheit und damit die Macht gegenüber den anderen drei „Statusgruppen“ der Hochschule: den Studierenden sowie den wissenschaftlichen und „sonstigen“ Mitarbeitern. Seit vier Jahrzehnten gab es bundesweit unter den Uni-Angehörigen und linken Hochschulpolitikern immer wieder Planspiele zum Putsch gegen diese Ordnung. Der TU-Linken ist er nun gelungen.

Doch der Preis für die Freude, womöglich ein Stück Uni-Geschichte schreiben zu können, ist hoch: Die TU, die mitten in Verhandlungen mit dem Berliner Senat über neue Hochschulverträge steckt und an der der Wahlkampf um das Präsidentenamt beginnt, hat nun mit neuen Gräben im Innern zu tun. Die Gegner der Viertelparität an der TU stehen bedröppelt da. Die Vorgänge seien typisch „für die beispiellose Unregierbarkeit der TU“, empört sich sogar ein Professor, der sich politisch tief im linken Spektrum verortet. TU-Präsident Jörg Steinbach muss nun noch gewandter zwischen den Fronten vermitteln, um seine Wiederwahl zu sichern.

Wie geht es weiter? Steinbach wird die Entmachtung der Professoren demnächst „einkassieren“, wie er am Donnerstag im Kuratorium erklärte: „Die Buhmann-Rolle gehört zu meiner Aufgabe als Präsident.“ Er warte nur noch auf die offizielle Rechtsauskunft aus dem Senat. Schon im Vorfeld der Entscheidung hatte die Senatsverwaltung für Wissenschaft der TU-Leitung informell mitgeteilt, ein solcher Beschluss werde gegen die Rechtslage verstoßen. Würde der Präsident nicht gemäß der Rechtsauffassung des Senats handeln, würde dieser selbst den Beschluss für unwirksam erklären, sagte Steinbach im Kuratorium. Als Verfechter der Hochschulautonomie werde er darum lieber selbst tätig.

An der TU wird allerdings damit gerechnet, dass Studierendenvertreter klagen werden, sobald die Viertelparität kassiert ist. Denn aus Sicht der Studierenden scheint das Karlsruher Urteil von 1973 Spielräume zu lassen, die sie nun austesten wollen – um bundesweit Klarheit zu schaffen. Die Karlsruher Richter hatten formuliert, Professoren müssten in solchen Gremien die Mehrheit haben, in denen Entscheidungen „unmittelbar Fragen der Forschung oder die Berufung der Hochschullehrer betreffen“. Ist die Lehre „unmittelbar“ betroffen, reicht es, wenn die Professoren über die Hälfte aller Stimmen verfügen.

Das TU-Gremium, in dem die Professorenmacht nun zugunsten einer viertelparitätischen Zusammensetzung gebrochen wurde, ist der Erweiterte Akademische Senat (EAS). Dieses Gremium spiegelt die Sitzverteilung zwischen den Gruppen und Fraktionen des Akademischen Senats wider. Doch es hat andere Aufgaben, für die die große Zahl von 61 Mitgliedern eine breite Basis herstellen soll: Die Verabschiedung der Grundordnung der TU, also ihrer Verfassung, und die Wahl des Präsidenten. Berühren diese Aufgaben Forschung und Lehre unmittelbar?

Im novellierten Berliner Hochschulgesetz wollte der damalige Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) das Thema beerdigen. Jahrelang liebäugelten Parlamentarier im linken Spektrum seiner Partei und beim Koalitionspartner, der Linken, mit der Viertelparität oder einem „Überkreuzwahlrecht“ (die sonstigen und wissenschaftlichen Mitarbeiter dürfen Vertreter aus der Gruppe der Hochschullehrer mitwählen). Die Erprobungsklausel, die den Berliner Hochschulen seit 1997 neue Spielräume eröffnet, regte zu Gedankenspielen an. In Zöllners Novelle wird den Professoren nun eine Mehrheit in allen Gremien mit Entscheidungsbefugnis in Sachen Forschung, Lehre und Berufungen garantiert. Es könnte noch Jahre dauern, bis gerichtliche Klarheit darüber herrscht, ob die Rechtslage den Beschluss des EAS der TU hinfällig macht.

Der „Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs)“ hat die Länder aufgefordert, das alte Karlsruher Urteil durch neue Gesetze herauszufordern. Nordrhein-Westfalen hat die Viertelparität bereits im rot-grünen Koalitionsvertrag angekündigt. Allerdings sollen Beschlussgegenstände in Gremien, „bei denen verfassungsrechtlich eine Professorenmehrheit notwendig ist“, in einem Katalog festgeschrieben werden. Ein umstrittener Versuch. Kritiker im Online-Dialog, den die Landesregierung gestartet hat, sehen „die Gefahr von Blockaden, Stillstand, Ineffizienz und einem personell aufgeblasenen Senat“. Und bei den meisten Themen im AS würde ohnehin die Professorenmehrheit benötigt, damit wäre die Viertelparität ausgehebelt.

Auch in den Koalitionsverträgen von Grün-Rot in Baden-Württemberg und von Rot-Grün in Niedersachsen ist die Rede von mehr Demokratie in Unigremien. Doch die niedersächsische Ministerin Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne) sagt: „Zur Einführung der Viertelparität fehlt die rechtliche Grundlage.“

Die Verwerfungen über die Viertelparität an der TU rühren zumal daher, dass vorher eine Arbeitsgruppe des Akademischen Senats anderthalb Jahre über die neue Grundordnung diskutiert hatte, berichtete Steinbach im Kuratorium. Dabei sei es zu einem Kompromiss gekommen. Die Verfechter der Viertelparität seien von ihrem Wunsch abgerückt. Die Kritiker hätten daraufhin ihre Drohung fallen lassen, dann den EAS abzuschaffen.

Die Mitglieder im EAS hielten sich nicht an diesen Kompromiss, wie die Abstimmung zeigt: 31 stimmten für die Viertelparität, 25 dagegen, zwei enthielten sich. Dieses Ergebnis ist nur möglich, weil auch Professoren für die Entmachtung ihrer Gruppe stimmten. Hinzu kommt, dass an der TU gewerkschaftliche Positionen traditionell starken Einfluss haben und die Studierenden aktuell mit dem gewieften Erik Marquardt stark vertreten sind. Steinbach sagte, Vertrauen sei beschädigt worden, es sei fraglich, wie die Statusgruppen in Zukunft an einen Tisch zu bringen seien.

Steinbach sieht sich vor den Präsidentenwahlen in einer komplizierten Gemengelage. Bei seiner Wahl vor drei Jahren konnte er sich wenig auf Professoren stützen, auch nicht auf die aus der Liberalen Mitte, der er angehörte. Dort erwartet er nun keinen Rückhalt mehr. Vor zwei Wochen wechselte er in die konservative Initiative Unabhängige Politik (IUP). In einem Brief an den Sprecher der Liberalen Mitte begründet Steinbach den Wechsel mit dem „zwischenmenschlichen Umgang“ in der Fraktion und beklagt sich über mangelnde Unterstützung. Ohnehin halte er das „tradierte Denken in etablierten Fraktionen“ für nicht mehr zeitgemäß. Es gehe ihm vielmehr darum, die TU „gemeinsam“ voranzubringen. Die IUP habe das „verstanden und anerkannt“.

Der Prozesswissenschaftler Frank Behrendt, Mitglied für die IUP im Akademischen Senat, sagt: „Es gibt in der TU eine generell positive Grundstimmung gegenüber Steinbach.“ Aus Studierendenkreisen heißt es, man sei noch mit Steinbach zufrieden: „Im Vergleich zu den Präsidenten der anderen Berliner Unis ist er das geringere Übel.“

Die linke Reformfraktion aber, die Steinbach beim letzten Mal noch überwiegend wählte, sieht das ganz anders: „Die Stimmung ist schlecht, Steinbach hat viele enttäuscht“, sagt ein Mitglied der Gruppe: „Wären heute Wahlen, könnte er selbst dann nicht mit der Mehrheit der Stimmen rechnen, wenn es keinen Gegenkandidaten gebe.“ Das Vertrauen in ihn sei erschüttert. Kassiere der Präsident nun die Viertelparität, könnte das „für die letzten Zweifler ausschlaggebend sein, gegen ihn zu stimmen“.

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