zum Hauptinhalt

Virologie: Tigermücken bringen tropische Krankheiten nach Europa

Durch aggressive Spezies könnte Chikungunya zu uns kommen.

Das Auftreten einer von tropischen Mücken übertragenen Krankheit in Italien lässt Experten befürchten, dass sich diese in Europa ausbreiten könnte.

Die örtlichen Behörden in Bologna orderten diese Woche Schutzmaßnahmen gegen die Mücken in einigen Teilen der Stadt an, um eine Ausbreitung der grippeähnlichen Virusinfektion Chikungunya zu verhindern. Die Krankheit wird von der Tigermücke (Aedes albopictus) übertragen, die für gewöhnlich im afrikanischen und asiatischen Raum beheimatet ist.

Chikungunya brach diesen Sommer in zwei Dörfern aus, beide ungefähr 80 Kilometer östlich von Bologna gelegen. Fast 200 Menschen infizieren sich vermutlich, einer starb, nachdem bei ihm Komplikationen auftraten. Die Zahl der neuen Infektionen sinkt zwar, aber es gibt Meldungen über vermutete neue Fälle in Bologna selbst.

Die Tigermücke ist erst seit Kurzem in Europa ansässig, in den vergangenen Jahrzehnten hat sie sich in Italien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Balkanregion niedergelassen. Sie lebt in urbanen Gegenden und ernährt sich überwiegend von menschlichem Blut. Die Stiche sind zwar schmerzhaft, galten bisher aber als harmlos.

Experten befürchten, dass die starke Verbreitung der Krankheit in der letzten Zeit dazu beitragen könnte, Chikungunya zu einer einheimischen Krankheit zu machen - oder noch schlimmer, den gefährlichen Dengue-Virus, den diese Mücken ebenfalls übertragen können.

Das erste Mal in Europa

Der Ausbruch der Krankheit in Italien begann Anfang Juli, wurde zunächst jedoch fälschlicherweise für eine Grippe gehalten. Die Behörden glauben nun, dass ein aus Indien heimkehrender Tourist den Virus nach Italien einschleppte, wo er sich unter der dichten Population von Tigermücken rasch verbreitete.

Chikungunya bedeutet in Makonde, einer Sprache, die in Tansania und Mosambik gesprochen wird, soviel wie "das, was gebeugt wird" und bezieht sich auf die Gelenkschmerzen, die zusammen mit hohem Fieber die typischen Symptome dieser Krankheit sind. Im Jahre 2005 infizierten sich hunderttausende Einwohner der verschiedenen Inseln im Indischen Ozean. Von dort aus kam die Krankheit nach Indien, wo sie bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten war (siehe "Ausbruch der Chikungunya-Krankheit verdeutlicht Indiens mangelhafte Mückenbekämpfung").

"Es hat vereinzelte Fälle von Chikungunya in Europa gegeben", sagt Hervé Zeller, Virologe am Institute Pasteur in Lyon. "Aber das ist der erste Fall, bei dem es zu einer Übertragung durch einheimische Mücken kam."

Unsichere Verbreitung

Wissenschaftler können noch nicht mit Sicherheit sagen, ob sich die Krankheit von Norditalien auf andere europäische Länder, in denen die Tigermücke vorkommt, ausbreiten wird. "Wir wissen noch nicht mal, warum sich das West-Nil-Virus in Nordamerika angesiedelt hat, aber in Europa nicht, obwohl das Virus und der Überträger auf beiden Kontinenten vorkommen", sagt Evelyn Depoortere, Epidemiologin am European Center for Disease Prevention and Control in Stockholm. "Wir werden noch viele Studien betreiben müssen, um zu erfahren, auf welche Weise die Umweltfaktoren auf Insekten und die von ihnen übertragenen Krankheiten einwirken", sagt Zeller.

Sie weisen darauf hin, dass - obwohl die Zahl der Erkrankungen durch effiziente Schutzmaßnahmen und sinkende Temperaturen rückläufig ist - die Krankheit nächstes Jahr wieder ausbrechen könnte. Kürzlich abgeschlossene Studien in tropischen Regionen haben ergeben, dass die weiblichen Tigermücken das Chikungunya-Virus auf ihre Eier übertragen. Mückeneier überstehen die milden Winter am Mittelmeer ohne Probleme.

Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezweifeln, dass es möglich sein könnte, Mücken auszurotten. "Sie sind sehr widerstandsfähig", sagt Michael Nathan, Entomologe der WHO. Italien und Frankreich haben bereits eine Menge Geld in den Versuch investiert - ohne Erfolg, sagt er. "Doch da es keinen Impfstoff oder ein Medikament gegen den Chikungunya-Virus gibt, bleibt uns nur die Möglichkeit, die Mückenpopulation einzudämmen."

In Bologna wurden Ärzte angewiesen, besondere Sorgfalt bei der Diagnose grippeähnlicher Krankheiten walten zu lassen. "Wir tun alles, um Chikungunya aus unserem Revier fernzuhalten", verspricht ein Mitglied der Verwaltung.

Dieser Artikel wurde erstmals am 6.9.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. Doi:10.1038/news070903-15. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Emiliano Feresin

Zur Startseite