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Zwei ältere Frauen sitzen in einem Klassenraum vor einem Laptop.

© picture alliance / dpa

Update

Volkshochschultag in Berlin: Millionen-Programm für Flüchtlingskurse

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat auf dem Volkshochschultag in Berlin neue Einstiegskurse für Geflüchtete vorgestellt. Jährlich sollen 45000 Plätze entstehen.

Ihr leicht verstaubtes Image haben die Volkshochschulen längst hinter sich gelassen. Töpferkurse und Italienisch für die Reise sind noch immer im Angebot. Doch das Spektrum der Kurse ist breiter geworden – „von A wie Alphabetisierung bis Z wie Zumba“, wie Susanne Deß, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Volkshochschulverbandes (DVV) und Leiterin der Volkshochschule Esslingen sagt. „Wir rennen nicht den Trends nach, nehmen aber auf, was in der Gesellschaft nachgefragt ist.“

Modernisiert und populär - mit Tai Chi und Zumba

Das hat auch bei Gesundheitskursen zu einem Modernisierungsschub geführt: Zum Autogenen Training und zur Seniorengymnastik sind alle Spielarten von Yoga, Tai Chi und Qigong gekommen – bis hin zur lateinamerikanischen Tanz-Fitness Zumba. Der Gesundheitsbereich ist mit jeder dritten Kursbuchung noch vor den Sprachen der größte an den bundesweit 907 Volkshochschulen.

Die VHS fordern "Digitale Teilhabe für alle"

Jetzt setzen die VHS zum nächsten großen Sprung an – in die Digitalisierung. „Digitale Teilhabe für alle!“ ist das Motto des 14. Deutschen Volkshochschultages am Donnerstag und Freitag in Berlin . 1500 VHS-Vertreterinnen und Vertreter wollen sich im Berliner Congress Center am Alexanderplatz zwei Tage lang mit internationalen Kollegen und anderen Bildungsexperten darüber austauschen, wie aus dem typischen Angebot mit Präsenskursen im Klassenraum „Erweiterte Lernwelten“ werden können. „Erprobte Lehr-/Lernsettings“ sollen damit nicht abgeschafft, sondern sinnvoll um digitale Instrumente ergänzt werden, heißt es in einem unlängst beschlossenen Masterplan des DVV.

Pro Jahr fließen 19 Millionen Euro für das Sprachprogramm

Zur Eröffnung des Volkshochschultages hatte Bundespräsident Joachim Gauck am Donnerstag "personalisierte digitale Bildungsangebote" an den VHS gelobt, wie sie bereits das Sprachportal "Ich will Deutsch lernen" (iwdl.de) bietet. Jetzt soll dieses Portal Teil des neuen Bundesprogramms "Einstieg Deutsch" für Geflüchtete werden. Das Bundesbildungsministerium will in den kommenden drei Jahren jeweils 19 Millionen Euro in neue Kurse zur sprachlichen Erstförderung mit jährlich 45000 Plätzen investieren. Die Menschen kämen mit einer hohen Lernmotivation in Deutschland an, betonte Ministerin Johanna Wanka (CDU) am Freitag beim Volkshochschultag. In dem neuen Programm könnten sie bereits in den Ernstaufnahmeeinrichtungen beginnen, Deutsch zu lernen, und dabei Online-Kurse mit Präsenzunterricht kombinieren. Die Sprachlern-App "Einstieg Deutsch", die ebenfalls Teil des Programms ist, existiert bereits seit März.

Die Anfängerkurse laufen vier bis acht Wochen

",Einstieg Deutsch' erleichtert so den Übergang in den Integrationskurs und schafft die Grundlage für eine berufsbezogene Sprachförderung", sagte Wanka laut einer Pressemitteilung des DVV. Durch den schnellen Start in die vier bis achtwöchigen Kurse an den Volkshochschulen oder bei anderen zertifizierten Anbietern würden auch Frustrationen in den Wartezeiten vermieden, sagte DVV-Präsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Ministerpräsidentin des Saarlands. Die VHS hätten sich durch ihr breites Angebot bereits zu "Zentren der Integration" entwickelt.

Ausbildung von ehrenamtlichen Lernbegleitern

Zum Bundesprogramm gehören auch Kurse für Ehrenamtliche, die als Lernbegleiter ausgebildet werden sollen. Laut DVV ist dabei vor allem an Menschen mit Migrationsgeschichte gedacht, die mit Sprache und Kultur der Geflüchteten vertraut sind. Zudem sollen im Rahmen des Programms jährlich bis zu 400 neue Lehrkräfte für den Unterricht in Deutsch als Fremdsprache oder Zweitsprache qualifiziert werden.

Die bislang größten Teilnehmerzahlen bei digitalen Angeboten der VHS erreichen schon heute die Online-Lernportale. Seit zwölf Jahren bietet das Onlineportal „Ich-will-lernen-de“ einen niedrigschwelligen Einstieg in die Alphabetisierungskurse. Das 2013 eingerichtete Programm „Ich will Deutsch lernen“ ist sogar international verbreitet. Mit mittlerweile 11 500 Übungen lernen damit aktuell 18 500 „Schüler“ in aller Welt, darunter Menschen in Marokko oder im Kosovo, die sich für den deutschen Arbeitsmarkt fit machen wollen.

Stricken lernen mit dem VHS-Mooc

Ganz am Anfang stehen die Volkshochschulen ohnehin nicht bei der Digitalisierung. Wie an den Universitäten stellen VHS-Lehrkräfte schon lange online Lehrmaterialien bereit, tauschen sich Kochkursteilnehmer im Chat über neue Rezepte aus. Sogar bei den Massive Open Online Courses (Moocs), den kostenlosen Internet-Vorlesungen für Hunderttausende in aller Welt, die US-Unis seit 2012 anbieten, mischen die Volkshochschulen mit. Der „größte VHS-Kurs aller Zeiten“ ist mit 1900 Teilnehmenden ein 2015 von einem Verbund norddeutscher VHS gestarteter Mooc zum Thema „Mein digitales Ich“. Schon 2014 reagierte der „Strick-Mooc“ aus Baden-Württemberg auf die neue Handarbeitswelle. „Moocs der Volkshochschulen werden – wegen des großen Aufwands bei der Produktion der Videos – Leuchtturmveranstaltungen bleiben“, glaubt Deß.

Wer moderiert den Kochkurs-Chat über neue Rezepte?

Beim Ausbau der Online-Angebote sieht Verbandsvize Deß die große Herausforderung vor allem in den neuen pädagogischen Konzepten, auf die sich jetzt alle Lehrenden einstellen müssten. „Bislang haben wir Kursteilnehmer an den Umgang mit EDV herangeführt, dafür gab es Räume in unseren Häusern und Technikverantwortliche“, sagt Deß. „Jetzt müssen wir alle umlernen, etwa Online-Selbstlernphasen mit dem Präsenzunterricht verknüpfen und im Netz Chats der Lernenden moderieren.“

Volkshochschulen und Flüchtlinge warten auf Integrationskurse

So sehr die Volkshochschulen jetzt die neuen Einstiegskurse für Geflüchtete begrüßen: Bei der Zulassung zu den weiterführenden Integrationskursen, die Flüchtlingen den Weg in die deutsche Gesellschaft und auf den Arbeitsmarkt weisen, hapere es vielerorts noch, sagt DVV-Sprecherin Simone Kaucher. Die Volkshochschulen seien dabei, sich mit neuen Kursen, Räumen und Lehrkräften auf den großen Andrang der seit dem Sommer 2015 angekommenen Geflüchteten einzustellen. 550 000 Teilnehmer hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für 2016 prognostiziert; bislang wurden 40 Prozent der Kurse an den VHS gegeben. Aber viele Flüchtlinge warten noch immer auf die Teilnahmegenehmigung.

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