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Einblick. Bei der Langen Nacht der Wissenschaften gab es wieder jede Menge Technik zu bestaunen. Das Thema „Elektroauto“ war gut vertreten. An der Technischen Universität und am Gasometer in Schöneberg konnte man Probe fahren.

© DAVIDS/Huebner

Volksnahe Forschung: Stille Nacht der Wissenschaft

Die Besucher kamen zu Tausenden. Trotzdem ging es bei der Langen Nacht der Wissenschaften häufig um die leisen Töne. Einige Eindrücke.

Anglisten an der Humboldt-Universität warfen sich in Schottenröcke, Altertumsforscher in römische Tuniken: Zur Langen Nacht der Wissenschaften am Sonnabend präsentierten sich die Berliner Hochschulen und Institute auch in diesem Jahr möglichst volksnah, um dem Publikum ihre Arbeit näher zu bringen. Mehr als 30 000 Besucher erkundeten laut Veranstalter die 68 wissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin, Potsdam bis hin zur Fachhochschule Wildau, die ihre Türen geöffnet hatten. An etlichen Stationen – wie etwa an der Technischen Universität am Ernst-Reuter-Platz – standen Wissenschaftshungrige bis in die Nacht Schlange, um sich neue Erkenntnisse der Forschung erklären zu lassen. Einige Eindrücke.

PARADIESISCHER VORTRAG

Wie nahe ist das Paradies? Klar, das wollten viele wissen und drängten sich in den Vortrag von Jochen Gebauer am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität in Adlershof. Bevor die Besucher eine Antwort bekamen, mussten sie erst mal selbst einen Fragebogen ausfüllen, der zu Gebauers Forschung beitragen soll. Welche Länder sind für Sie positiv beziehungsweise negativ besetzt? Wie nah oder entfernt fühlen Sie sich diesem Land?

Mit solchen Fragen hatte der Psychologe vor einiger Zeit eine Studie mit 117 Erstsemestern seines Fachs gemacht. Sie wurden zunächst nach ihrer persönlichen Stimmung befragt. Dann sollten die Probanden sagen, wie weit bestimmte Lokalitäten in Berlin vom Frageort in Berlin-Mitte entfernt sind. Orte mit einem positiven Image waren der Bergmannkiez, das Maybachufer und die Hackeschen Höfe. Negative Orte die Marzahner Plattenbauten, die Rütli-Schule und die JVA Tegel.

Auf einem Stadtplan präsentierte Gebauer das Resultat. Wer eher glücklich ist, vermutet positive Orte in kurzer Distanz und negative weiter entfernt. Wer eher unglücklich ist, weiß die Hackeschen Höfe zwar immer noch räumlich näher als die Marzahner Platte. Aber im Vergleich zu den anderen „fühlen“ die Traurigen positive Orte weiter weg und negative etwas näher. Fazit: „Wer sich gut fühlt, für den ist das Paradies ganz nah“, sagt Gebauer. "Also, think positive!" Ralf Nestler

SPIELERISCH IN DIE ANTIKE

Berlin ist auch ein wichtiges Zentrum der Altertumsforschung. An der HU erkunden Wissenschaftler aus elf Fächern etwa, wie sich unsere moderne kulturelle Identität aus der Rezeption des Altertums herausgebildet hat. Um zu zeigen, wie viele Bereiche dieser Einfluss umfasst, präsentierten sie in wochenlanger Kleinarbeit aus Playmobil nachgebaute Schlüsselszenen: einen Tempel der Philosophen, einen Theatersaal der Goethezeit. Auch ein Hörsaal der HU war in Miniatur zu sehen. Der große Althistoriker Theodor Mommsen hielt dort eine Vorlesung. Die Begeisterung der Spielzeugfirma war dagegen sehr groß: Sie spendete ihre Figuren. Tilmann Warnecke

IN RUHE WÄSCHE TROCKNEN

Man hätte es fast für eine Kunst-Installation gehalten. Ein allseitig weißer Raum, darin: ein elektrischer Wäschetrockner und regelmäßig darum angeordnet acht schwarze Stative. Doch beim näheren Hinsehen wird klar, dass auf den Stützen Mikrophone sitzen und hier Versuche zur Schallausbreitung stattfinden. Doch jetzt steht der Trockner still und die Besucher müssen Johannes Belitz ganz nahe kommen, um ihn zu verstehen. Die Wände des Akustiklabors an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin-Schöneweide (HTW) reflektieren praktisch keine Schallwellen. Eine unheimliche Ruhe. Die Wissenschaftler analysieren, wie viel Lärm beispielsweise ein Haushaltsgerät macht und von welchen Teilen der meiste Krach ausgeht, erläutert Belitz. „Das hilft, die Geräte leiser zu machen.“ Ralf Nestler

IM AUTO DER ZUKUNFT

Leise, fast schon gespenstisch leise. Das war auch der erste Eindruck im strombetriebenen Mini, den man an der Technischen Universität probefahren durfte: Einmal Ernst-Reuter-Platz - Großer Stern und zurück im Auto der Zukunft. Schließlich sind "E-Mobile" in aller Munde. Und tatsächlich: Das Auto fährt nicht, es surrt. Der zweite, überraschende Unterschied zum Benziner: Nimmt man den Fuß vom Gas oder vielmehr Strom, rollt das Auto nicht aus, es stoppt praktisch umgehend. Fast hätte man den Hintermann auffahren lassen. Gut, dass die Straße eher leer ist.

Dass es vor allem bei der Akku-Laufzeit noch viel zu erforschen gibt, wird klar, als man um elf Uhr abends endlich an der Reihe ist. "Sie haben Glück, eine Fahrt ist noch drin, danach muss das Auto für fünf Stunden aufladen", heißt es zur Begrüßung - die 150 Kilometer, für die eine Akkuladung reicht, haben die Testfahrer der langen Nacht fast schon verfahren.

Tatsächlich säuft der Mini Strom wie ein Läufer Wasser nach einem Marathon, unerbittlich tickt die Anzeige auf dem kurzen Stück runter. Der Mini surrt zur TU zurück, man überlegt, wie sehr Elektroautos den Sound einer Großstadt verändern werden. Tösende Hauptstraßen könnten sich in Oasen der Ruhe verwandeln. Wann das E-Mobil produktreif sein wird? "In zwei Jahren", erklärt der Autoentwickler, "das sagt zumindest die Kanzlerin." Tilmann Warnecke

VERRÄTERISCHE ONLINE-SPUREN

Datenklau bei Sony, soziale Netzwerke und i-Phones, die Bewegungsprofile ihrer Besitzer erstellen. Bei den Informatikern der Humboldt-Universität auf dem Campus Adlershof ging es um die vielen Daten, die jeder Einzelne erzeugt. Die Wissenschaftler demonstrierten, wie es mit leistungsfähigen Rechnern gelingt, Passworte zu knacken. Wie leicht von anonymisierten Daten einer Krankenkasse auf den individuellen Patienten geschlossen werden kann und dass kurze Statusmeldungen via Twitter oder sozialer Netzwerke eben nicht nur für Freunde lesbar sind, sondern für die ganze Welt.

Die Empfehlung des Teams um Martin Kost ist klar: Lange Passworte, vor allem nicht ein einziges für alle Portale und diese immer wieder ändern. Und bei Facebook und Co.: Kein Verfolgungswahn, aber lieber einmal mehr überlegen, was man in die Öffentlichkeit herausposaunt. Noch ein Plädoyer für die leisen Töne! Ralf Nestler

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