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Andrang. Berliner Abiturienten brauchen Bestnoten für ein Studium in Berlin.

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Volle Unis: Gesucht: Ein Trick für Berliner

An den Berliner Unis ist der NC oft deutlich höher als etwa in München. Die Hochschulen und der Senat entwickeln jetzt Ideen, damit Berliner Abiturienten bessere Chancen an den Unis der Stadt haben.

Berlins Landeskinder sollen eine „faire Chance“ auf einen Studienplatz in ihrer Stadt bekommen. Das sagte Knut Nevermann, Berlins Staatssekretär für Wissenschaft, am Mittwoch im Abgeordnetenhaus. Weil eine Landeskinderquote verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist, diskutiert der Senat mit den Hochschulen nun über andere Möglichkeiten. Der Senat zeigt für die Situation also durchaus Problembewusstsein. SPD-Abgeordnete im Wissenschaftsausschuss hatten vor zwei Wochen noch erklärt, dass sie die Lage nicht für dramatisch halten.

Diskutiert wird, dass die Berliner Abiturienten, die eigentlich im Frühjahr 2012 die Schule verlassen sollen, schon vorzeitig, nämlich im Dezember 2011, abgehen dürfen. Wenn die Hochschulen dann auch im Sommer zulassen, hätten die Berliner Bewerber deutlich weniger Konkurrenz – sieht man einmal von Bayern ab. Dort will die Landesregierung mit dem gleichen Trick arbeiten. Würden allerdings plötzlich alle Länder mit doppelten Abiturjahrgängen so verfahren, hätte die Umstellung keinen Effekt mehr. Außerdem müssten sich die eng im Bachelorkorsett laufenden Studiengänge mit großem Aufwand in einen anderen Takt zwingen, um nicht nur wie üblich im Herbst, sondern auch im Sommer massenhaft zulassen zu können.

Eine andere Idee bringt FU-Präsident Peter-André Alt ins Gespräch. Weil die Abiturienten in den verschiedenen Bundesländern, aber auch an den verschiedenen Schulen Berlins, unterschiedlich streng benotet werden, könnten die Abiturnoten auch unterschiedlich bei der Zulassung gewichtet werden. Wie streng ein Land oder eine Schule benotet, würde sichtbar, wenn das Land oder die Schule die Schlussnote angibt, mit der ein Abiturient gerade noch unter die besten 20 Prozent gekommen ist. Liegt diese etwa bei 1,1 , wäre klar, dass die Schule eher großzügig mit Zensuren umgeht. Bei 2,0 wäre die Benotung eher streng.

Dieses Verfahren wäre für die Univerwaltungen allerdings sehr aufwendig. Noch machbar wäre vielleicht das Vorgehen bei der Vergabe von Fächern mit bundesweitem NC wie Medizin. Dabei konkurrieren Abiturienten eines Bundeslandes nur mit Abiturienten aus dem gleichen Bundesland. Werden in einem Land also großzügige Abiturnoten vergeben, werden diese Abiturienten bei der Vergabe der Plätze trotzdem nicht bevorzugt. Wie viele Bewerber eines Landes bei der Platzvergabe schließlich zum Zuge kommen, hängt vom Anteil ihrer Bewerbungen ab. Sind von allen Bewerbern zehn Prozent aus Bayern, bekommen sie auch zehn Prozent aller Plätze. Sind 70 Prozent Berliner, bekommen sie auch 70 Prozent der Plätze. Damit würde sich die Lage für die Berliner Bewerber an Berliner Hochschulen deutlich entspannen. Vielen Professoren täte es aber sicher leid, wenn nicht mehr nur die Besten aus der ganzen Republik zugelassen würden.

Wie berichtet, ist die Lage für die Berliner Studienanfänger besonders angespannt. Der Abischnitt in Berlin liegt bei 2,4. Doch der NC für die beliebten Fächer liegt wegen des auswärtigen Bewerberansturms weit darüber. Fast die Hälfte aller Berliner Studierenden hat ihr Abitur nicht in der Stadt gemacht. Dass Berlin keine Studiengebühren erhebt, ist für den Zulauf nach Meinung der Experten aber nicht der Grund. Denn die Gebühren, die es zuerst in sieben, bald nur noch in vier Bundesländern gibt, seien mit im Schnitt 500 Euro pro Semester viel zu niedrig, um eine Massenflucht nach Berlin in Gang zu setzen. Auch vor Jahrzehnten lag der Anteil von auswärtigen Studierenden schon bei 50 Prozent. Die West-Berliner Universitäten zogen tausende von Wehrdienstflüchtlingen an. Doch damals gab es noch deutlich mehr Studienplätze und keinen flächendeckenden NC. Jetzt aber verdrängen die vielen Mitbewerber aus anderen Ländern Landeskinder. Erst recht, weil es typisch für mobile Studierende ist, eine bessere soziale Herkunft und somit im Schnitt auch bessere Abiturnoten zu haben, wie die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks belegt.

Wie eng es für die Berliner Abiturienten geworden ist, zeigt ein Vergleich mit dem ebenfalls bundesweit attraktiven Hochschulstandort München. Auch an der Uni München haben inzwischen viele Fächer einen NC. Er ist jedoch nicht so scharf wie in Berlin.

Während für das Jurastudium in München eine 2,6 nötig ist, braucht man in Berlin eine 1,9 (HU) oder eine 2,3 (FU). Um Grundschulpädagogik zu studieren, reicht an der Uni München eine 2,5, in Berlin erst eine 1,9. In Berlin braucht man eine 2,0 für BWL, in München reicht eine 2,4. Um Deutsche Philologie zu studieren, braucht man in Berlin eine 2,0. In München gibt es keinen NC.

Wenn vom 1. Juli nächsten Jahres an die Wehrpflicht ausgesetzt wird, spitzt sich die Lage noch zu. Bund und Länder sind sich bereits einig, dass sehr schnell bis zu 60 000 weitere Studienplätze geschaffen werden müssen. Doch sie streiten noch darüber, wer die 1,5 Milliarden Euro dafür aufbringen soll: „Es gilt das Verursacherprinzip“, sagte Staatssekretär Nevermann. Da seien sich die Länder einig. Sie wollten, dass der Bund, der die schwierige Situation selbst verursache, „alles“ bezahlt und nicht nur die Hälfte wie bisher beim Hochschulpakt von Bund und Ländern: „Die Länder müssen jetzt kämpfen“, sagte Nevermann.

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