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Hochglanz-Edelstahl, aber manchmal hochgefährlich: Knopfzelle.

© ETH Zürich / Kostiantyn Kravchyk

Von Kindern verschluckte Knopfzellen: Das große Kleine-Batterien-Risiko

Kinderärzte warnen vor den Gefahren der Mini-Stromspeicher. In Deutschland sind hunderte Fälle dokumentiert – Tendenz steigend. Tödliche Ausgänge sind möglich.

Angeguckt, angefasst, in den Mund gestopft: Mit interessanten Gegenständen verfahren viele Kleinkinder auf immer gleiche Weise. Gefährlich ist das vor allem bei kleinen Dingen, wie eine aktuelle Analyse aus den USA bestätigt. Verschluckt werden - neben dem, was auch geschluckt werden soll, also Nahrungsmitteln - demnach neben Münzen, Spielzeugteilen und Schmuck zunehmend kleine Batterien.

Eltern in der Verantwortung

Auch in Deutschland sei das ein Problem, sagt der Kinder- und Jugendarzt Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Eltern sollten demnach darauf achten, dass Kleinkinder nicht an Knopfzellen etwa aus Fernbedienungen und kleinen Spielfahrzeugen gelangen können. Das gelte gerade dann, wenn es größere Geschwister mit batteriebetriebenen Spielsachen im Haushalt gebe.

Wie in anderen Geräten haben Knopfzellen vielfach auch bei Spielzeugen die größeren Zylinder-Batterien ersetzt. Und immer mehr Spielzeug schrillt, blinkt oder bewegt sich. Für Kleinkinder sind Knopfzellen aber ein großes Risiko: Die glänzenden Plättchen werden gerne in den Mund genommen - und landen dann in der Speiseröhre, dem Magen oder den Bronchien.

Die Aufnahme von Fremdkörpern, insbesondere von Knopfzellen, sei eine häufige Anfrage beim Giftnotruf München, aber auch bundesweit, sagt Florian Eyer, Chefarzt der Abteilung für Klinische Toxikologie/Giftnotruf München am Klinikum rechts der Isar der TU München. Schäden bis hin zur Perforation der Speiseröhre seien möglich. «Es gab in Deutschland bereits tödliche Komplikationen.» Eltern sei in jedem Fall zu empfehlen, ihr Kind nach Verschlucken einer Knopfzelle in eine Kinderklinik zu bringen. «Gegebenenfalls muss dort eine Röntgenaufnahme gemacht werden oder die Knopfzelle sogar endoskopisch geborgen werden.»

Gefahr bei Steckenbleiben in der Speiseröhre

US-Forscher um Danielle Orsagh-Yentis vom Nationwide Children's Hospital in Columbus (Ohio/USA) haben Daten des nationalen Erfassungssystems NEISS zur Behandlung von Kindern in Notaufnahmen analysiert. Zwischen 1995 und 2015 hat sich die Rate von Kindern unter sechs Jahren, die Fremdkörper aufnahmen, demnach von 9,5 auf 18 je 10 000 Kinder nahezu verdoppelt. In rund zwei Dritteln der Fälle waren Ein- bis Dreijährige betroffen. Am häufigsten wurden Münzen verschluckt (62 Prozent), gefolgt von Spielzeugteilen (10 Prozent), Schmuck (7 Prozent) und Batterien (7 Prozent).

Damit scheine die Bedeutung von Knopfzellen verglichen mit der anderer Fremdkörper eher klein, schreiben die Forscher im Fachjournal «Pediatrics». Ihr Verschlucken könne aber potenziell tödliche Folgen haben: Bleiben die Batterien in der Speiseröhre stecken, drohen demnach schwere Verätzungen, Löcher oder Schwellungen mit Atemnot als Folge. Schon mehrfach seien Kinder in den USA aufgrund solcher Verletzungen gestorben - nach den vorliegenden NEISS-Daten 14 Kinder zwischen sieben Monaten und drei Jahren allein zwischen 1995 und 2010.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin rät zu besonderer Vorsicht bei Knopfzellen. In den vergangenen zehn Jahren seien dem BfR von Kliniken und Giftinformationszentren mehrere Hundert Fälle mitgeteilt worden, bei denen es zum Verschlucken von Knopfzellen kam, berichtete das Institut Ende vergangenen Jahres. «Nach dem Verschlucken einer Knopfzelle sollte umgehend eine Untersuchung in einer Klinik erfolgen», empfahl BfR-Präsident Andreas Hensel.

Was den Magen erreicht, erreicht meist auch ohne Folgen die Kloschüssel

Folgen hat dem BfR zufolge vor allem der Entladungsstrom der Batterie bei Kontakt mit den feuchten Schleimhäuten der Speiseröhre. An der Grenzfläche zwischen Batterie und Haut entstehen demnach Hydroxidionen, die zu schweren Verätzungen führen können. Besonders bei großen Knopfzellen mit mehr als zwei Zentimeter Durchmesser sei ein Steckenbleiben in der Speiseröhre wahrscheinlich. Nach einigen Stunden komme es dann zu Symptomen wie Erbrechen, Appetitlosigkeit, Fieber oder Husten.

Rutsche eine Batterie bis zum Magen durch, gebe es nur selten Komplikationen, so das Institut weiter. «In diesen Fällen reicht es meist, das natürliche Ausscheiden der Knopfzelle unter ärztlicher Kontrolle abzuwarten.» Gefährlich werde es hingegen, wenn eine Knopfzelle oder ein anderer Gegenstand eingeatmet werde, ergänzt Kinderarzt Kahl. Es komme dann zur chronischen Bronchitis bis hin zur Lungenentzündung. Bekämen Eltern die Aufnahme nicht mit, könne es für den Arzt schwierig sein, rasch auf die Ursache der Symptome wie Schmerzen und Husten, später dann Fieber und allgemeines Unwohlsein zu schließen.

Ein Problem sind den US-Forschern zufolge auch verschluckte Magneten, vor allem solche aus Neodym. Gelangten mehrere davon in den Verdauungstrakt, könnten sie sich anziehen und dabei den Darm durchlöchern. Weitere mögliche - und ebenfalls potenziell tödliche - Folgen seien das Absterben von Gewebe, Blutvergiftungen und Verstopfung. Die Anzahl operativer Eingriffe wegen verschluckter Magneten habe in den USA zwischen 2002 und 2012 deutlich zugenommen, heißt es in «Pediatrics». (Annett Stein, dpa)

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