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Johanna Wanka.

© dapd

Vor dem CDU-Parteitag: „Nur wenige Eltern mögen die Hauptschule“

Niedersachsens Ministerin Johanna Wanka erklärt im Tagesspiegel-Interview, warum die CDU bei der Schulformfrage ihre Meinung änderte - und warum es eine gesetzliche Regelung für Studiengebühren geben sollte.

Frau Wanka, die CDU bricht mit einer Tradition, ihr liegt nicht mehr viel an der Hauptschule. Auf dem „Bildungsparteitag“ in Leipzig wird jetzt voraussichtlich das zweigliedrige System zum Maßstab erklärt, das Gymnasium steht dann neben der Oberschule, die zum Haupt- oder Realschulabschluss führt. Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?

Die CDU ist gut beraten, wenn sie Bedarf für notwendige Veränderungen erkennt und entsprechend handelt. Der Rückgang der Schülerzahlen macht es gerade in ländlichen Gebieten schwierig, alle Schulformen aufrechtzuerhalten. Außerdem zeigen Umfragen unter Eltern, dass nur noch wenige ihre Kinder gerne auf die Hauptschule schicken. In den neuen Bundesländern gab es die Zweigliedrigkeit fast durchgehend von Anfang an, mit guten Ergebnissen. Auch das hat dazu beigetragen, die Meinung in der CDU zu ändern.

Für die Schüler der einstigen Haupt- und Realschule ändert sich am meisten, wenn sie an der Oberschule auch grundsätzlich ihr Abitur ablegen können. Warum wird dies dann im Leitantrag der CDU nicht flächendeckend gefordert?

Die Länder sollen selbst entscheiden, wie sie die Oberschule gestalten. Die CDU plädiert für mehr Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Das muss aber nicht immer in einer Institution umgesetzt sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat 2008 gemeinsam mit den Ministerpräsidenten angekündigt, Deutschland in eine „Bildungsrepublik“ zu verwandeln. Bislang sieht es nicht so aus, als würde die Zahl der Schulabbrecher und der Jugendlichen ohne Ausbildung bald halbiert sein. Warum ist dieses Versprechen so schwer zu halten?

Zunächst mal war es richtig, sich so konkret auf ein sicherlich ambitioniertes Ziel festzulegen. Wichtige Impulse sind zu verzeichnen. Inzwischen ist viel auf den Weg gebracht. Zum Beispiel erfährt die Lehrerausbildung eine höhere Wertschätzung. Im Bildungswesen sind Veränderungen aber nicht sofort messbar.

Die CDU scheint in ihrem Leitantrag zum Parteitag auf mehr Zentralismus zu setzen. Zum Beispiel soll ein „Bildungsrat“ etabliert werden, der Bund und Länder mit Expertisen versorgt. Brauchen die Kultusminister wirklich neue Experten, die ihnen sagen, wo es langgeht?

Nein, wo es langgeht, das müssen und werden die Minister schon selbst entscheiden. Hier geht es um ein Gremium, das Ideen sammelt und Anregungen strukturiert.

Seit 2006 darf der Bund kein Geld mehr für die Schule ausgeben. Die CDU ringt sich in ihrem Leitantrag aber nicht klar dazu durch, die Abschaffung dieses Kooperationsverbots zu fordern. Finden Sie das gut?

Man braucht im Schulwesen gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern. Aber wie diese Kooperation ausgestaltet werden soll, wird in der CDU unterschiedlich gesehen. Ich denke nicht, dass der Bund unablässig mit Initiativen in die Länder hineinsteuern soll. Vielmehr soll er die Länder in ihren Initiativen unterstützen. Vor allem soll er sie in die Lage versetzen, selbst ihren Aufgaben nachzukommen. Darum sollte der Bund Prozentpunkte der Umsatzsteuer an die Länder abgeben.

Die CDU will es den Hochschulen überlassen, ob sie Studiengebühren einführen oder nicht. Müssten die Regierungen der Länder bei einer so umstrittenen Angelegenheit nicht selbst in die Verantwortung gehen?

In diesem Punkt gibt es in der CDU noch Diskussionsbedarf. In Niedersachsen haben wir gute Erfahrungen mit einer gesetzlichen Regelung für Studienbeiträge gemacht, die auch von den Rektoren der Hochschulen unterstützt wird. Wir sollten eine politische Entscheidung nicht auf die Hochschulen abwälzen, sondern als Regierung dafür auch geradestehen.

Die CDU schlägt einen Exzellenzwettbewerb für Lehrerbildung an den Universitäten vor. Wie viele Wettbewerbe können die Universitäten eigentlich noch verkraften?

Die Frage ist berechtigt, ich stelle sie selbst oft. Natürlich geben Wettbewerbe bedeutende Impulse und stoßen so Veränderungen auch in der Fläche an. Aber es sollten nicht alle Wettbewerbe gleichzeitig laufen, das würde die Möglichkeiten der Hochschulen übersteigen. Für die Lehrerbildung ist ein Wettbewerb jedenfalls sehr sinnvoll, denn ihrer Ausbildung kommt ja eine Schlüsselstellung in der Schulreform zu.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert eine kurzfristige Aufstockung der Studienplätze. Die CDU unterstützt das nicht. Herrscht die Angst, dass das Niveau sinkt, wenn zu viele studieren?

Nein, wegen der demografischen Entwicklung ist es völlig richtig, jetzt möglichst viele junge Leute sehr gut auszubilden. Dass es einen Mangel an Studienplätzen gibt, kann ich aber nicht erkennen. Die Prognose der Kultusministerkonferenz zeigt für jedes Bundesland die zu erwartenden Studienanfänger auf und wird auch von den SPD-regierten Ländern akzeptiert. Warum die SPD im Bundestag nun anders kalkuliert, erschließt sich mir nicht.

Die SPD will, dass es für jeden, der will, einen Platz im Master gibt. Sollte sich auch die CDU dafür engagieren?

Nein. Die Masterplätze sollten in den Bereichen aufgestockt werden, in denen der Master sehr stark nachgefragt und für die berufliche Laufbahn unerlässlich ist. Viele Master-Studiengänge sind ja noch gar nicht ausgelastet. Darum brauchen wir keine pauschalen Maßnahmen, sondern einen intelligenten Umgang mit den Kapazitäten.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan will sich an der Charité beteiligen. Ist es richtig, wenn der Bund größere Summen an einzelne Standorte schickt?

Ich habe nichts gegen die Pläne für die Charité und das Max-Delbrück-Centrum. Generell sollte der Bund aber die Empfehlungen des Wissenschaftsrats abwarten und dann gemeinsam mit den Ländern darüber diskutieren. Kooperationen von Universitäten und Helmholtz-Zentren dürfen nicht vom Zufall abhängen. Es kann auch nicht angehen, dass Länder, die solche großen Standorte gar nicht haben, schließlich leer ausgehen.

Deutschland ist hoch verschuldet, zugleich gibt es die Schuldenbremse. Was wird da aus Bildung und Wissenschaft?

Da bin ich optimistisch. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft ist sehr gewachsen, auch in den Landesregierungen. Niedersachsen gibt schon jetzt jeden dritten Euro für Schulen und Hochschulen aus. Allerdings gehört Deutschland zu jenen OECD-Ländern, in denen kaum private Mittel in die Hochschulen fließen. Wer Studienbeiträge abschafft oder gar nicht erst einführt, beraubt sich seiner Möglichkeiten. Das sieht man ja auch an der SPD in Hamburg, die sich selbst eine bildungspolitische Falle gestellt hat.

- JOHANNA WANKA (60) ist seit 2010 Niedersachsens Wissenschaftsministerin. Davor hatte sie das Amt in Brandenburg inne. Wanka koordiniert die CDU-Länder in der Kultusministerkonferenz. Die Fragen stellte Anja Kühne.

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