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Menschen, die Transparente mit der Aufschrift Trump hochhalten, stehen jubelnd hinter einer Absperrung. Im Vordergrund ist ein Schild mit der Aufschrift "Working Man For Trump" zu sehen.

© dpa/Alessandro Vecchi

Weiße Arbeiterklasse in den USA: Wie „Zombies“ Trump zum Präsidenten machten

Der US-Historiker Leon Fink ist derzeit Gast an der Berliner Humboldt-Universität. Er analysiert die weiße Arbeiterklasse, die Donald Trump zum Sieg verholfen hat.

Ein Zombie ist ein Untoter, der keinen eigenen Willen mehr hat. Und der neue Spitzname der weißen Arbeiterschicht in den USA, die im November 2016 Donald Trump zum Sieg verhalf. Sind diese Menschen wirklich fremdgesteuerte Wesen, die ihren wirtschaftlichen Interessen zum Trotz gegen den fortschreitenden Wandel der Gesellschaft, gegen progressive Identitätspolitik, gegen die im Wahlkampf viel zitierte „Political Correctness“ wählen?

Ja und nein, sagt Leon Fink, Professor für Geschichte an der University of Illinois in Chicago, mit den Schwerpunkten auf US-amerikanischer Arbeit und Immigration. Als Gast des Forschungszentrums der Humboldt-Universität zu „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ hat Fink am Mittwochabend „Trump’s Triumph, Liberal Elites, and the Zombie White Working Class“ analysiert.

Warum wählte die Arbeiterschaft einen Businessmann aus New York?

Weiße US-Amerikaner ohne Collegeabschluss wählten Donald Trump mit einem Abstand von 39 Prozent zur Gegenkandidatin Hillary Clinton. Insbesondere in den am heftigsten von der Deindustrialisierung betroffenen Rust-Belt-Staaten im Nordosten der USA entschieden sie die Wahl.

Warum die weiße Arbeiterschaft einen Businessmann aus New York City zu ihrem Präsidenten wählt, könne nur historisch erklärt werden, sagte Fink. Zwar hat die Begeisterung für Trump die Zahlen noch einmal in die Höhe schießen lassen, doch auch 2008 stimmte diese soziale Gruppe mit großer Mehrheit für Obamas republikanischen Gegenkandidaten John McCain – mit einer langen Vorgeschichte.

Leon Fink ist Professor für die Geschichte der Arbeit an der University of Illinois in Chicago und zurzeit zu Gast an der HU.
Leon Fink ist Professor für die Geschichte der Arbeit an der University of Illinois in Chicago und zurzeit zu Gast an der HU.

© re:work/Maurice Weiss

Die langsame Abspaltung der weißen Arbeiterschicht von der Demokratischen Partei begann in den 60er Jahren: Nachdem die Demokraten in New-Deal-Zeiten auf die Unterstützung der in Gewerkschaften organisierten Arbeiterschaft setzen konnten, begann sich eine „weiße Wut“ gegen die erstarkenden Bürgerrechtsbewegungen zu verbreiten, erklärte Fink. Diese Stimmung konnte Anfang der 80er Ronald Reagan für sich nutzen. Er versprach mehr Patriotismus, weniger Bürgerrechte für Afroamerikaner und eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten. Sein Slogan damals: „Let’s make America great again.“

Die Menschen wenden sich von einer kollektiven Identität als Arbeiter ab

Dass die weiße Arbeiterschicht trotz neoliberaler, gewerkschaftsfeindlicher Politik der Partei republikanisch wählt, hängt also mit identitäts- und kulturpolitischen Themen zusammen. Aber es lässt auch die Frage aufkommen, ob so etwas wie die „Arbeiterklasse“ überhaupt noch als Identitätskategorie existiert oder ob nicht Faktoren wie Hautfarbe, Religion oder Männlichkeit längst eine wichtigere Rolle spielen. Fink attestiert, dass immer mehr Menschen sich von einer kollektiven Identität als Arbeiter abwenden und ihre wirtschaftliche Situation als persönliches Schicksal sehen: Sie internalisieren ihre soziale Klasse.

Darauf geht auch der Begriff der „Zombies“ zurück. Obama selbst sagte, dass die weiße Arbeiterschicht aus der ländlichen Region so desillusioniert sei, dass sie mit wirtschaftlichen Maßnahmen kaum mehr zu beeindrucken sei und stattdessen über Themen wie Waffen oder die Ehe für alle abstimmte.

Wähler der weißen Arbeiterschaft hatten durchaus ökonomische Motive

Aber handelt es sich wirklich um „willenlose Wesen“? Das Problem der Zombie-Analyse liegt für Fink darin, dass Trump-Wähler der weißen Arbeiterschicht durchaus ökonomische Motive hatten. Trump vertritt im Gegensatz zu Kontrahenten wie Ted Cruz nicht klassische konservative Werte von Familie und Religion. Trotzdem stimmten weiße Arbeiter mit überwältigender Mehrheit für ihn. Er sprach vergessene Gruppen wie die Kohlearbeiter an, versprach mehr Jobs und die Rückkehr großer Firmen in die USA. Die weiße Arbeiterschicht glaubte ihm.

Fink selbst bezweifelt, dass Trump diese Wahlversprechen wirklich einhält. Er sieht die einzig mögliche Alternative zum Rechtspopulismus in einer globalen Linken, die auf gemeinsame Interessen statt auf protektionistische nationale Lösungen setzt. Dafür müssten sich in den USA erst einmal weiße und afroamerikanische Arbeiter die Hand reichen. Eine Vision, die mit dem Trump-Sieg in weite Ferne gerückt scheint.

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