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© dpa-Zentralbild

Weltgesundheitsgipfel: Den Globus heilen

Beim World Health Summit an der Berliner Charité treffen sich Politiker, Mediziner und Ökonomen.

Schon zwanzig Minuten nach Beginn der Eröffnungspressekonferenz muss Marc Danzon, Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, wieder los. „Es tut mir leid, aber ich muss zu einem Treffen über Tuberkulose“, sagt er. „Sie wissen sicher, dass diese Krankheit auch für reiche Regionen wie Europa zunehmend bedrohlich wird.“ Spricht es und verschwindet. Und Detlev Ganten, Präsident des ersten Weltgesundheitsgipfels, sekundiert: „Wir haben wirklich ein sehr volles Programm hier.“ Und entschuldigt sich auch gleich, dass es im Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin-Mitte so voll geworden ist. „Wir hatten mit 400 Teilnehmern gerechnet, jetzt sind es 700.“

Die Episode könnte symptomatisch werden für die gesamte Veranstaltung. Denn der Weltgesundheitsgipfel, der bis Sonntag in Berlin tagt, hat vor allem eines: ein ehrgeiziges Ziel. Er soll, so die Veranstalter, Gesundheit global denken. Damit meinen sie nicht nur, dass er alle Regionen der Erde erfassen soll, sondern auch alle Bereiche des Gesundheitswesens: Wirtschaft, Forschung, Praxis, Politik.

Neben herausragenden Wissenschaftlern wie den Nobelpreisträgern John E. Sulston und Harald zur Hausen kommen auch zahlreiche Politiker. Der französische Außenminister und Mitbegründer von „Ärzte ohne Grenzen“, Bernard Kouchner, nimmt ebenso teil wie die Gesundheitsministerin Polens, Ewa Kopacz. Auf deutscher Seite sind Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Forschungsministerin Annette Schavan beteiligt. Über Pandemien und personalisierte Medizin soll ebenso gesprochen werden, wie über Kreislauf und Klimawandel, Stammzellen und Studium. Bei so vielen Namen und Themen ist die Gefahr groß, sich zu verzetteln.

Anders gehe es aber nicht vorwärts, betonte Axel Kahn, Präsident der Universität Paris Descartes. Gesundheit sei ein grundlegendes Menschenrecht, sagte er. „Um es umzusetzen, benötigt man nicht nur die Politiker, nicht nur die Ärzte, nicht nur die Ökonomen. Wir benötigen sie alle zusammen.“

Deswegen ist unter anderem auch die Pharmaindustrie zugegen. Ihre Beteiligung war im Vorfeld des Gipfels kritisiert worden. Danzon verteidigte die Entscheidung: „Die Pharmaindustrie ist nicht die Tabakindustrie. Wir kämpfen nicht gegen sie.“ Man müsse sich zusammensetzen und verhandeln.

Auch Ganten verteidigte die Anwesenheit von Pharmavertretern. „Die Polarisierung der verschiedenen Parteien im Gesundheitswesen überrascht mich“, sagte er. Es habe zwar jeder seine eigenen Interessen, aber letztlich gehe es um ein gemeinsames Ziel: die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. „Uns ist bewusst, dass dieses Ziel sehr ehrgeizig ist. Ein einziges Zusammentreffen kann nicht Gesundheit für jeden erwirken. Das ist nur möglich, wenn die Akteure langfristig und nachhaltig koordiniert handeln.“

Als ersten Schritt in diese Richtung möchte er die Gründung der M8 verstanden wissen. Am Rande des Kongresses hatten sich am Mittwochabend acht medizinische Universitäten und Akademien auf Initiative der Charité zusammengeschlossen. Dazu gehören neben der Charité unter anderem das Imperial College London, die Universität Paris Descartes und die John Hopkins Universität Baltimore. Das langfristige Ziel müsse Gesundheit für alle Menschen sein, sagte Ganten.

Dagegen wirkt das Anliegen des amerikanischen Biologen Randolph Nesse, der ebenfalls an der Eröffnungspressekonferenz teilnahm, geradezu klein. Er hoffe, dass alle von dem Kongress mitnähmen, wie wichtig Darwin für die Medizin sei, sagte er. „Um zu verstehen, warum unser Körper von bestimmten Erkrankungen bedroht ist, müssen wir die Gründe für die natürliche Selektion verstehen.“ Nesse gilt als einer der Begründer der evolutionären Medizin. Forscher auf diesem Gebiet versuchen, Krankheiten im Rahmen der Evolution zu erklären.

Man könne die Regeln der Evolutionstheorie auch auf das Gesundheitssystem anwenden, sagte Nesse und verwies auf das Motto des Gipfels „Evolution der Medizin“. Auch das Gesundheitssystem sei etwas, das gewachsen und von äußeren Kräften geformt worden sei. Das Ergebnis sei genauso fehlerhaft wie der menschliche Körper. So sei es ein offensichtlicher Makel, dass manche Länder wichtige Medikamente nicht hätten, weil sie sich diese nicht leisten können. „Wir müssen endlich verstehen, warum das so ist, und es ändern.“

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