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Wer hilft Studierenden? : Verein kämpft gegen psychische Krisen
Der Verein „Irrsinnig Menschlich“ engagiert sich für mentale Gesundheit an Hochschulen – auch in Berlin. Das ist auch nötig, denn das psychische Wohlbefinden von Studierenden hat sich verschlechtert.
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„Ich bin die einzige, die es nicht auf die Reihe kriegt“, dachte Anna Sophia Feuerbach, als sie im ersten Jahr ihres Biologie-Studiums unter Depressionen litt. Heute weiß sie, dass das nicht stimmt und es viele Studierende gibt, denen es genauso geht. In Workshops des Vereins „Irrsinnig Menschlich“ berichtet sie deshalb, wie sie ihre psychische Krise mithilfe einer Therapie bewältigt und ihr Studium abgeschlossen hat.
„Ein Drittel der Studierenden kommt schon mit psychischen Vorbelastungen ins Studium“, sagt Manuela Richter-Werling, die den Verein gemeinsam mit dem Stigmaforscher Matthias Angermeyer gegründet hat. Als einer der ersten Organisationen bietet er ein überregionales Präventionsprogramm, das sich speziell an Studierende und Lehrkräfte an Hochschulen richtet und in den nächsten Wochen auch in Berlin und Potsdam angeboten wird.
In der Schule gibt es so gut wie keine Prävention zu psychischen Krisen.
Manuela Richter-Werling vom Verein „Irrsinnig Menschlich“
Etwa 75 Prozent der psychischen Krankheiten treten vor dem 24. Lebensjahr erstmals auf – einer Zeit, in der viele Entwicklungsaufgaben gleichzeitig gemeistert werden müssen: Die eigene Identität finden, das Loslösen vom Elternhaus, Freundschaften und Beziehung. „In der Schule gibt es so gut wie keine Prävention zu psychischen Krisen“, sagt Richter-Werling. So würden viele Probleme in die Studienzeit mitgeschleppt.
Belastungsfaktoren wie Einsamkeit am Studienort, finanzielle Sorgen oder Zweifel, ob man das richtige Fach gewählt habe, könnten Symptome verschlimmern. Auch wenn gerade junge Menschen heute offener über psychische Probleme reden, sei die Angst vor Stigmatisierung nach wie vor groß.
Workshops für das Wohlbefinden
Die Kurse der Organisation wurden von der Universität Leipzig als Stigma-reduzierend und gesundheitsfördernd bewertet. In ihnen geht es darum, Offenheit gegenüber dem Thema zu schaffen und Warnsignale zu erkennen, um sich selbst und anderen helfen zu können. Außer fachlichen Expertinnen und Experten sind auch immer Menschen dabei, die von ihren persönlichen Erfahrungen berichten.
Neben den Programmen für die Studierenden gibt es auch Workshops für Mitarbeitende an Hochschulen. „Lehrkräfte können Therapeuten nicht ersetzen“, sagt Richter-Werling. „Sie können aber Vorbilder sein, wenn es um das Thema psychische Gesundheit geht.“ Dazu reiche es, in Seminaren immer mal wieder einen kurzen Blick auf das Thema zu werfen – sei es rein sachlich, anhand von Lebensgeschichten, dem eigenen Werdegang oder schlicht durch ein paar mutmachende Worte.
Schlechtere Verfassung der Studierenden
Studien belegen, dass sich das psychische Wohlbefinden von Studierenden in den letzten Jahren verschlechtert hat „Das zeigt sich an der emotionalen Erschöpfung der Studierenden, die einen großen Einfluss auf die mentale Gesundheit hat“, heißt es im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse 2023.
Demnach sei der Anteil der Studierenden, die sich ziemlich oder stark emotional erschöpft fühlen, von 2017 bis 2023 um 48 Prozent gestiegen. Mehr als die Hälfte gab an, unter Angst und Sorgen zu leiden, jeder Dritte unter Einsamkeit. Auch der Anteil der Studierenden, die mit Antidepressiva behandelt werden, sei von 2019 auf 2022 um 30 Prozent gestiegen.
„In der Beratung begegnen uns Studierende, die von enormen Belastungen im Studium berichten“, sagt auch Maria Zimmermann, die bei der psychologischen Beratung der Humboldt-Universität arbeitet. Die Probleme seien sehr unterschiedlich. So berichten Studierende zum Beispiel, dass sie sich nicht konzentrieren können, mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten nicht vorankommen oder Schlafstörungen haben. „Auch das Thema Wohnen begegnet uns immer wieder“, sagt die Psychologin. Manche Studierende müssten zum wiederholten Mal umziehen und machten sich große Sorgen, ob sie eine Wohnung finden.
Die psychologische Beratung kann keine Therapie ersetzen, sondern gibt Raum, gemeinsam über die Situation und mögliche weitere Schritte nachzudenken. In der Regel bekommt man innerhalb von zwei Wochen einen Termin. „Wir freuen uns über jede Person, die sich bei uns meldet und sich professionelle Hilfe holen will“, sagt Maria Zimmermann. Dafür sei nicht entscheidend, wie schwerwiegend man die eigenen Probleme einschätze. Es reiche das Gefühl, dass einem ein Gespräch gerade guttun würde.
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