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WERT sachen: Faszination

Seit längerem fragt sich Christoph Markschies, warum es bestimmte Wissenschaften so leicht haben, hierzulande private Fördermittel zu akquirieren und warum sich andere so schwer tun. Schließlich ist genug Geld im Land vorhanden.

Unvergesslich ist mir eine Begegnung auf der Jahresversammlung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, bei der ein kinderloses Fabrikantenehepaar, das eine Stiftung gründen wollte, zwischen Aperitif und Buffet verzweifelt von seiner Suche nach förderungswürdigen Forschungsgebieten berichtete. Da ich damals noch in Jena lehrte, habe ich leider versäumt, sie auf die notleidenden Berliner Universitäten hinzuweisen und auch nicht verfolgt, wofür die beiden ihr Geld nun schlussendlich eingesetzt haben. Vermutlich haben sie es für irgendetwas gegeben, was sie beide fasziniert – und eben darin dürfte auch die Antwort auf die Frage liegen, warum manche Wissenschaften es leichter haben als andere: Bestimmte Forschung fasziniert viele, andere eher nur wenige. Und in bestimmten Fällen fasziniert der Forscher oder die Forscherin und deswegen dann auch das Gebiet, das da beforscht wird. Als ich vor einiger Zeit das Vergnügen hatte, einen ebenso prominenten wie liebenswürdigen Göttinger Bachforscher kennenzulernen, wurde mir rasch deutlich, dass wahrscheinlich nur eine kleinere Schar von Musikenthusiasten von den großen braunen Partiturbänden der Neuen Bachausgabe fasziniert ist, die er aufgrund seiner Forschungsarbeit herausgegeben hat, aber durchaus viele Menschen von ihm als Person fasziniert und dadurch für Bach und die Bachforschung begeistert werden. Die existenzielle Komponente kann man wahrscheinlich gar nicht überschätzen – vermutlich fördern viele Menschen medizinische Forschung, weil sie hoffen, durch deren Ergebnisse gesünder leben zu können und geheilt zu werden.

Nun gibt es lustigerweise weder im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm noch im Internetlexikon Wikipedia einen Artikel „Faszination“. Man wird stattdessen auf eine Fernsehserie „Faszination Wissen“ und einen Fernsehfilm „Faszination des Grauens“ verwiesen. Außerdem trifft man (allzumal im Management von Universitäten) immer wieder Menschen, die keine Faszination durch Wissenschaft erkennen lassen, sondern ebenso gut einen Großhandel für Angelbedarf zu ungeahnten Höhen bringen könnten. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass es besser um die deutschen Universitäten stünde, wenn wir bei Berufungen, in Lehre und Forschung, bei der Administration stärkeres Gewicht auf die Wertsache Faszination legen würden, gerade so, wie wir es im Alltag doch auch immer wieder tun.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden dritten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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