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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Das 3,5-Prozent-Ziel der Groko ist nicht viel wert

Schon die Dreiprozentmarke für staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung ist nicht erreicht. Wir realistisch sind da 3,5 Prozent, fragt unser Kolumnist.

Möglich ist es. Südkorea macht es vor. Zwischen 2004 und 2014 hat das Land seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung von unspektakulären 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung auf über 4 Prozent katapultiert, Tendenz: weiter stark steigend. Deutschland hangelte sich im gleichen Zeitraum von knapp 2,5 auf knapp 3 Prozent hoch. Behäbig, aber stetig. Und besser als viele andere Staaten. Dass Erfolg hungrig macht, zeigt das im Groko-Koalitionsvertrag vorgegebene neue Ziel: 3,5 Prozent sollen es nun sein. Bis 2025. Stolz loben sich die Vielleicht-Koalitionäre, dass sie schon zwei Milliarden reserviert haben, mit denen sie die ersten Zwischenschritte bis 2021 finanzieren wollen.

Bei allem Respekt: Viel wert ist ihre Ankündigung bislang nicht. Erstens sieht sich Deutschland die Dreiprozentmarke seit nunmehr drei Jahren von unten an und überspringt sie einfach nicht, was auch mit der guten Wirtschaftsentwicklung zu tun hat. Zweitens müssten Wirtschaft und Staat ihre Ausgaben bis 2025 fast doppelt so schnell steigern wie in den vergangenen zehn Jahren, die schon als goldene Dekade der Forschungsfinanzierung gelten.

Deutschland müsste bis 2025 rund 49 Milliarden mehr lockermachen

Um die tatsächlichen Größenordnung zu verdeutlichen, ein paar Rechenbeispiele. 2016, das sind die jüngsten verfügbaren Zahlen, haben Unternehmen, Hochschulen und Staat 92,4 Milliarden Euro in F&E investiert, auf den Privatsektor entfielen davon knapp 68 Prozent.

Unterstellen wir nun, dass die nominale Wirtschaftsleistung bis 2025 im Schnitt der vergangenen zehn Jahre (1,4 Prozent Inflation + 1,4 Prozent reales Wirtschaftswachstum = insgesamt 2,7 Prozent pro Jahr) steigt. Dann müsste unser Land 2025 für die 3,5 Prozent rund 141,4 Milliarden Euro lockermachen – 49 Milliarden mehr als heute. Nehmen wir optimistisch an, dass die Wirtschaft weiter gut zwei Drittel davon trägt, müssten Staat und Hochschulen jährlich immer noch 15,7 Milliarden zusätzlich ausgeben. Das entspräche ziemlich genau dem gesamten Budget des BMBF im Jahr 2016.

Den Ländern droht die Schuldenbremse, der Bund müsste ausgleichen

Falls Sie nach all der Rechnerei noch dabei sind, folgen Sie mir die letzten Meter. Klar: Ein gutes Stück des Staatsanteils, zuletzt gut 40 Prozent, entfällt auf die Länder. Denen droht aber in den 2020er Jahren die Schuldenbremse, so dass der Bund, wenn die Groko ihre vollmundige 3,5-Ankündigung ernst meint und nicht auf Kosten der Länder machen will, eher zwei Drittel des Zuwachses übernehmen müsste. Und im Übrigen, was eine eigene Kolumne wert wäre, schwer die Daumen drücken müsste, dass die Unternehmen wirklich die Hauptanstrengung schultern.

Keiner weiß, wie Wachstum und Inflation sich genau entwickeln. Doch angesichts der Dimension der von mir angeführten Zahlen wird verständlich, warum Union und SPD es bei wolkigen Versprechungen belassen haben. Umso wichtiger, sie in den kommenden Jahren so oft wie möglich mit ihren Versprechungen von heute zu triezen.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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