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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.

© Privat

Wiarda will's wissen: Studiengebühren? - Ja, aber für die Stärksten!

In Baden-Württemberg müssen Studierende aus Nicht-EU-Ländern 1500 Euro pro Semester zahlen. Diese Maßnahme sollte stattdessen lieber für einheimische Akademiker gelten, meint unser Kolumnist.

Die Zahl der Studienanfänger aus Nicht-EU-Ländern an Baden-Württembergs Hochschulen ist gegenüber dem Vorjahr um 21,6 Prozent zurückgegangen. Schuld sind die Studiengebühren für diese Studierendengruppe, die das Land auf Initiative der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zum Wintersemester eingeführt hatte. 1500 Euro werden jetzt pro Semester fällig, 300 davon sollen in die bessere Betreuung fließen, um die hohen Abbrecherquoten unter internationalen Studenten zu senken. Mit dem Rest will Bauer Löcher in der Hochschulfinanzierung stopfen.
Nach Bekanntwerden der vorläufigen Einschreibezahlen unternahm die Grüne Jugend beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende vergeblich den Versuch, das Bezahlstudium zu kippen. Die Gebührengegner fühlen sich bestätigt, sehen in dem Rückgang um ein Fünftel eine katastrophale Entwicklung und den Beleg dafür, dass das Bezahlstudium gerade die Studenten aus armen Ländern und Familien dauerhaft vertreiben wird.
Eine Deutung, die sich als voreilig herausstellen könnte. Der Schwund entspricht exakt der Größenordnung, die Bauer selbst vor einem Jahr prognostiziert hatte. Nicht aus dem hohlen Bauch heraus, sondern weil andere Länder wie Schweden und Dänemark einen ähnlichen Rückgang verzeichneten, nachdem sie Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger eingeführt hatten. Die Ministerin kann insofern mit einigem Recht nun wiederum auf diese Länder verweisen, wenn sie von einer Erholung der Zahlen in den kommenden Jahren ausgeht. Zu der ist es dort nämlich auch gekommen.

Wie nutzt Baden-Württemberg die Gebühren wirklich?

Besonders aufmerksam dürfte Nordrhein-Westfalens schwarz-gelbe Koalition die Zahlen analysieren, hatte sie bei Regierungsübernahme doch angekündigt, das baden-württembergische Gebührenmodell kopieren zu wollen. Die Güte einer Idee entscheidet sich allerdings nicht an kurzfristigen Immatrikulationsstatistiken. So wie ein (möglicherweise vorübergehendes) Wegbleiben internationaler Erstsemester nicht automatisch als Argument gegen das Bezahlstudium taugt, wird ihre Rückkehr nicht den Mehrwert beweisen.
Die viel wichtigeren Fragen lauten: Nutzen die Hochschulen ihren Anteil an den Gebühren tatsächlich, um die Neuankömmlinge besser ins und durch das Studium zu führen? Und: Gelingt es Ministerin Bauer, in den nächsten Jahren mehr als nur einen Bruchteil der Gebühren an die Hochschulen zu geben? Andernfalls wird ihre Legitimation auf Dauer leiden – und zwar zu Recht.
Die Gebühren nur für Nicht-EU-Ausländer träfen die Schwächsten unter den Studenten, kritisieren Studierendenverbände – was angesichts der vielen Ausnahmeregelungen und Stipendien gerade für Anfänger aus Entwicklungsländern nicht der Fall sein dürfte. Man kann die Kritik aber auch in ihr Gegenteil wenden: Die Hochschullehre ist seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert. Warum also reden wir nicht endlich wieder darüber, wie wir die Stärksten in unserer Gesellschaft – die einheimischen Akademiker – direkt und sozial verträglich an den Kosten ihrer Ausbildung beteiligen, von der sie ja auch direkt profitieren?
So angemessen Studiengebühren für alle wären, drängt sich ein Verdacht auf: Nur die internationalen Studenten werden zur Kasse gebeten – weil ihnen die nötige Lobby fehlt.
Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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