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Reiche Ernte. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Erträge in der Landwirtschaft deutlich gesteigert - etwa dank Kunstdünger und moderner Züchtungen.

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Wie Tank und Teller voll werden: Schluss mit der Agrarromantik!

Nachwachsende Rohstoffe kommen an ihre Grenzen, warnen Forscher. Das heißt: Weniger wegwerfen, verantwortungsvoller Fleischkonsum und endlich offen über Ertragssteigerungen reden, auch über Grüne Gentechnik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Morgens um zehn rollt der Trecker zurück auf den Hof. Frohgemut steigt der Landwirt von der Maschine, setzt sich an den Tisch mit der Karodecke unter der großen Linde, wo schon die Großfamilie und alle Angestellten versammelt sind und herzhaft in ihre Stullen beißen. Wogt der goldene Weizen auch erntereif im Wind – so viel Zeit muss sein. Eine solche Agrarromantik, die von der Werbeindustrie gelegentlich bis ins Groteske übersteigert wird, ist dieser Tage auch wieder bei der Grünen Woche in Berlin zu besichtigen.

Die Realität sieht anders aus. Während der Traktor GPS-geführt wahlweise Saaten oder Pflanzenschutzmittel ausbringt, grübelt der Unternehmer in der klimatisierten Fahrerkabine, ob er seine Kühe wirklich behalten soll, angesichts des geringen Preises, den die Molkerei für die Milch noch zahlt. Biobauern geht es kaum besser, die Zahl der Öko-Betriebe ging zuletzt sogar zurück.

Nachwachsende Rohstoffe an der Grenze

Landwirtschaft ist ein knallhartes Geschäft, die Erträge müssen stimmen, sprich: weiter nach oben gehen. Doch das wird immer schwieriger. Nachwachsende Rohstoffe, lange Zeit für weitgehend unerschöpflich gehalten, kommen an ihre Grenzen. Zu diesem Schluss gelangen Landschaftsökologen um Ralf Seppelt vom Helmholtzzentrum für Umweltforschung. Sie haben im globalen Maßstab für 20 nachwachsende Ressourcen wie Mais, Reis, Weizen und Soja die jährlichen Zuwachsraten angeschaut. 18 von ihnen haben demnach ihr Maximum bereits überschritten. Dieser Wert ist nicht zu verwechseln mit dem absoluten Ertrag. Der nimmt bei den meisten zwar weiter zu, doch große Sprünge sind nicht mehr zu erwarten.

Auffallend ist, dass sich drei Viertel dieser Höhepunkte in einer kurzen Zeitspanne zwischen 1988 und 2008 finden. Das Fazit der Forscher: Die wichtigsten Güter, die der Mensch für die Ernährung braucht, sind limitiert.

Wertvoller Boden ist endlich

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Agrarproduktion noch beträchtlich zulegte, unter anderem dank Kunstdünger und Bewässerung. Diese Trümpfe sind ausgespielt. Der wichtigste war das Anlegen neuer Ackerflächen, aber auch der sticht nicht mehr. Wälder und Grasland sollen – zu Recht – geschützt werden, Siedlungen werden immer größer, Wüsten breiten sich aus. Wertvoller Boden ist endlich.

Das lässt sich in Deutschland gut studieren. Angetrieben vom Wunsch, Teller und Tank zu füllen, wurden die Ackerflächen immer größer. Fast zwölf Millionen Hektar sind es inzwischen, das ist ein Drittel der gesamten Landesfläche. Doch das reicht bei Weitem nicht aus. Rechnet man importierte Pflanzen mit ein, die unter anderem für Futtermittel verwendet werden, kommen rund 5 Millionen Hektar im Ausland hinzu.

Hühnchenfleisch ist mitunter billiger als Gemüse

Das kann nicht gut gehen, zumindest wenn es alle so machten. Was ist zu tun? Drei Antworten. Erstens so wenig wie möglich wegwerfen. Nach wie vor landen mühevoll herangezogene, geerntete und verarbeitete Produkte aus Stall und Feld zu häufig im Abfall. Zweitens den Fleischkonsum auf ein menschliches Maß bringen. Es ist skandalös, dass Hühnchenfleisch teilweise billiger ist als Allerweltsgemüse. Wenn die Politik Gesetze erlässt und durchsetzt, die zu einer artgerechten und umweltverträglichen Haltung der Tiere führen, wird der Konsum sinken. Weil er endlich einen realen Preis bekommt.

Drittens muss offen über Ertragssteigerungen gesprochen werden. Es ist ein großes Ziel, bald neun Milliarden Menschen zu ernähren und zudem fossile Energierohstoffe großflächig durch nachwachsende zu ersetzen. Intelligente Bewässerung und Düngung können dazu beitragen, ebenso wie maßvoller Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Wer die beiden letzten Methoden für verzichtbar hält, sollte bedenken, dass ökologischer Landbau pro Fläche im Schnitt 20 Prozent weniger Ertrag bringt. Das zeigt eine Metastudie mit Daten aus aller Welt, die niederländische Forscher ausgewertet haben.

Grüne Gentechnik ist keine Gefahr für die Gesundheit

Nicht zuletzt sind leistungsfähige Pflanzen vonnöten, die gegebenenfalls auch mit schlechter Wasserversorgung und widrigem Klima zurechtkommen oder besonders nahrhaft sind. Die Grüne Gentechnik kann dabei helfen. Auch wenn viele Verbände und Politiker das Gegenteil behaupten: Gentechnisch veränderte Pflanzen sind weder eine große Gefahr für die Umwelt noch für die Gesundheit.

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