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Wissenschaft: Auf dem Weg zu mehr Professorinnen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sieht erste Erfolge bei der Gleichstellung – doch Experten kritisieren deutsche Hochschulen und Institute.

Die intellektuellen Ressourcen von Wissenschaftlerinnen sollen in Deutschland besser ausgeschöpft werden – zu diesem Ziel verpflichteten sich vor einem Jahr die Mitgliedshochschulen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Damals verabschiedete die DFG „Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards“, um die Zahl von Forscherinnen zu erhöhen. Jetzt hat DFG-Präsident Matthias Kleiner eine erste Bilanz gezogen. Man befinde sich auf „einem guten Weg“, sagte Kleiner. Die Unileitungen würden der Selbstverpflichtung, Frauen besser zu fördern, „hohen Stellenwert einräumen“. Es werde dennoch ein „steiniger Prozess“, bis der vor allem bei den Professuren „beschämend geringe“ Frauenanteil deutlich steige.

Derzeit sind nur 16 Prozent der Professuren von Frauen besetzt. Auf eine feste Quote bei der Frauenförderung legte sich die DFG allerdings nicht fest. Vielmehr sehen die Standards vor, dass sich die Einrichtungen Ziele setzen, in welchem Umfang sie den Anteil von Frauen auf den einzelnen Karrierestufen binnen fünf Jahren steigern. Ein Konzept dafür musste bis Mitte dieses Jahres eingereicht werden. Von 69 Mitgliedsuniversitäten gaben 64 einen Bericht ab, sechs davon verspätet.Von fünf gab es keine Rückmeldung. „Diese Unis schubsen wir jetzt“, sagte DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek.

2013 will die DFG auswerten, ob die Unis ihre Ziele erfüllt haben. Es werde „zunehmend ein entscheidungsrelevantes Kriterium“ bei der Bewilligung von Fördergeldern, ob die Hochschulen die Standards einhalten, sagte Kleiner.

Positiv wertete Kleiner, dass auch zahlreiche außeruniversitäre Institute Gleichstellungskonzepte samt Selbstverpflichtungen einreichten. Dazu gehören der Hamburger Elektronenbeschleuniger „Desy“ der Helmholtz-Gemeinschaft und Institute der Leibniz-Gemeinschaft. Diese Organisationen hatten wie die Max-Planck- und die Fraunhofer-Gesellschaft die Standards abgelehnt.

Weshalb die Beteiligung von Frauen an Deutschlands Hochschulen zwar Fortschritte macht – sie stellen derzeit 24 Prozent der Habilitanden, 23 Prozent der Neuberufungen gehen an Frauen –, aber noch sehr gemächliche, resümierte an diesem Wochenende ein Kongress des CEWS (Center of Excellence Women and Science) in Berlin. Das CEWS, eine vom Bundesforschungsministerium finanzierte Einrichtung des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften, widmet sich der Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Wissenschaft. Aktuell wird etwa darüber geforscht, wie Spitzenpersonal rekrutiert wird, wie Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingen – und über Wissenschaftlerpaare.

Trotz Unzufriedenheit mit dem Stand der Dinge sah man auf der CEWS-Konferenz auch neue Chancen: Es mehrten sich die „Hybriddisziplinen“ wie Bioinformatik, die kein Geschlecht hätten, weil sie neu, noch ohne männliche Wissenschaftskultur seien und deshalb Frauen Chancen böten, so Brigitte Liebig aus Bern. Und trotz negativer Trends wie den inzwischen weltweit dominanten „AAA-Karrieren“, die wissenschaftliche Karrieren um etwa zehn Jahre verkürzten (abbreviation), Forscherinnen und Forscher unter Beschleunigungs- (acceleration) und Anpassungsdruck (assimilation) setzten, gebe es auch frauenfördernde Effekte der Globalisierung. So seien kulturell gemischte Forschungsteams auch für Frauen offener.

Auch die wachsende Rolle von Migrantinnen wurde auf der Konferenz thematisiert. In Deutschland fehlt fast vollkommen statistisches Material dazu. In der Schweiz hat man bereits näher hingesehen: Einer soeben erschienenen Studie nach füllen zunehmend Forscherinnen mit ausländischem Pass die riesige Schweizer Frauenlücke in naturwissenschaftlich-technischen Fächern.

Tilmann Warnecke/Andrea Dernbach

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