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Dosen mit Cola und Limonaden.

© IMAGO

Zuckerhaltige Getränke: Bewertung mit zweierlei Maß

Studien zum Zusammenhang zwischen Softdrinks und Übergewicht kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Wie Cola und Limonaden abschneiden, hat offenbar vor allem damit zu tun, ob die Forscher im Auftrag von Getränkefirmen arbeiten.

Kein Zweifel: Cola und Limonade löschen nicht nur Durst, sie versorgen den Körper auch mit Energie. Wer das nicht einkalkuliert, Softdrinks wie Wasser trinkt und die Kalorien nicht beim Essen einspart, wird langfristig zunehmen. Das ist plausibel, und es führte, zusammen mit komplizierten Überlegungen zum Zuckerstoffwechsel, in den letzten Jahren immer wieder zu Warnungen vor einem weiteren Anstieg des Übergewichts und auch von Typ-II-Diabetes durch zuckerhaltige Getränke. Mexiko, das in Sachen krankhaftes Übergewicht inzwischen die USA überflügelt, hat 2013 sogar eine Steuer für hochkalorische Lebensmittel eingeführt. In der vergangenen Woche wurde im Fachjournal „Plos Medicine“ eine Modellrechnung der Universität Stanford veröffentlicht, derzufolge eine Softdrink-Steuer von 20 Prozent in den nächsten 20 Jahren in Indien über elf Millionen Fälle von Übergewicht und Adipositas verhindern und 400 000 Diabetes-II-Erkrankungen verhindern könnte.

Doch was plausibel klingt, ist wissenschaftlich noch nicht über jeden Zweifel erhaben. Die Studienergebnisse zum Thema Softdrinks und Übergewicht, ob nun bei Erwachsenen oder bei Kindern, fielen so unterschiedlich aus, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihrer Leitlinie zu Kohlenhydraten die wissenschaftliche Evidenz für einen Zusammenhang bei Erwachsenen als „wahrscheinlich“, bei Heranwachsenden sogar nur als „möglich“ einstuft.

Das Kriterium der Forscher: finanzielle Interessenkonflikte

Nun hat ein spanisch-deutsches Forscherteam sich die Mühe gemacht und die „PubMed“-, die „Cochrane“- und die „Scopus“-Literaturdatenbank nach systematischen Übersichtsarbeiten zum Zusammenhang zwischen dem Konsum zuckerhaltiger Getränke und Übergewicht durchforstet. Auf den ersten Blick ist das Kriterium, nach dem die Gruppe um Maira Bes-Rastrollo von der Universität Navarra und Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (Dife) die 17 Arbeiten anschließend sortierte, etwas ungewöhnlich: Die Forscher schauten nämlich, ob die Verfasser der Übersichtsarbeiten finanzielle Interessenkonflikte durch Zusammenarbeit mit der Getränkeindustrie angaben.

Das Kriterium erwies sich als ausgesprochen ergiebig, das Ergebnis wirkt fast plakativ. 83 Prozent der Manuskripte, in denen kein solcher Interessenkonflikt angegeben war, kamen zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen hohem Konsum von zuckerhaltigen Getränken und Übergewicht besteht. Von den sechs Arbeiten, in denen ein Interessenkonflikt benannt war, kamen fünf – also wiederum 83 Prozent – zu dem entgegengesetzten Ergebnis: Es gibt keinen Zusammenhang.

Die Untersuchung sei nicht darauf ausgerichtet gewesen, zu entscheiden, welche Interpretation der verfügbaren Daten richtig ist, stellt Schulze klar. Grundsätzlich sei bei allen Forschergruppen – ob nun mit oder ohne Kontakt zur Industrie – denkbar, dass sie zu falschen Vorannahmen und Fehleinschätzungen von Daten kommen. „Trotzdem stimmen die Ergebnisse uns nachdenklich“, sagt der Wissenschaftler, der beim Dife die Abteilung Molekulare Epidemiologie leitet und in der Vergangenheit selbst zum Thema Softdrinks geforscht hat.

Schulze wünscht sich zu dem viel diskutierten Thema Softdrinks und Übergewicht deshalb für die nächsten Jahre mehr unabhängige, öffentliche Forschungsförderung. „Was fehlt, sind weitere kontrollierte Vergleichsstudien und gute Untersuchungen zu Getränken mit Zuckerersatzstoffen“, sagt er. Gesüßte Getränke nur in Maßen zu genießen, ist unabhängig von deren Ausgang ratsam.

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