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Studenten

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Zulassung: Studienbewerber im Chaos

Obwohl viele Studierwillige keinen Studienplatz erhalten, bleiben am Ende zahlreiche Plätze an den Hochschulen leer. Bei der Zulassung herrscht Chaos - ein unhaltbarer Zustand in einer Zeit, da die Bundesregierung 40 Prozent eines Jahrgangs zum Studium führen möchte.

Schon in diesem Jahr, vor allem aber in der Periode von 2010 bis 2015 werden doppelte Abiturientenjahrgänge nach Studienplätzen fragen. Das Mindeste, das diese Schulabgänger erwarten können, ist ein funktionierendes Zulassungsverfahren. Doch das wird wohl weiter auf sich warten lassen: Wie sich abzeichnet, steht das geplante Übergangsverfahren vor dem Aus. Denn die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) kann sich mit der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nicht einigen.

Im November dieses Jahres hatte die Hochschulrektorenkonferenz die Zustimmung fast aller Hochschulen für ein Übergangsverfahren eingeholt, um den ausufernden Numerus clausus wenigstens administrativ in den Griff zu bekommen. Im August 2009 sollte dieses Verfahren unter Beteiligung von möglichst vielen Hochschulen die Zulassungsentscheidungen für das Wintersemester 2009/2010 auf eine neue Basis stellen.

Damit das Verfahren funktionieren kann, muss bis zum Frühjahr 2009 eine neue Software entwickelt werden, offene Rechtsfragen sind zu klären. Über beide Baustellen wird aber ohne Ergebnis verhandelt. Wenn am 23. Januar einem Lenkungsausschuss von Staatssekretären aus den Wissenschaftsministerien keine abschließende Klärung gelingt, ist das Übergangsverfahren gestorben. Das erklären auf Nachfrage des Tagesspiegels übereinstimmend die ZVS und die Hochschulrektorenkonferenz.

Alle Voraussetzungen für eine unübersichtliche Situation sind gegeben

Worum geht es genau? Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass die Hochschulen die Herren des Verfahrens sind. Anders als früher spricht die ZVS nicht mehr hoheitlich die Zulassungen aus, sondern darf nur noch die Rolle einer Helferin spielen. Den Hochschulen steht eine ganze Palette von Kriterien zur Verfügung, nach denen sie die Studierenden auswählen können: Neben der Abiturnote und der Wartezeit können für bestimmte Studiengänge die Abiturnoten in Deutsch oder Mathematik und Naturwissenschaften gewichtet werden. Auch ein Test oder ein Auswahlgespräch kann zur Zulassungshürde werden. Ebenso dürfen Praktika sowie eine vor dem Studium absolvierte Berufsausbildung eine Rolle spielen.

Bislang bewerben sich die Studierenden zur Sicherheit an mehreren Hochschulen für mehrere Fächer. Damit das neue Verfahren überhaupt funktionieren kann, sollten sie in Zukunft nur zwölf Wünsche für ihren Studienort abgeben dürfen. Aber selbst dann sind noch immer alle Voraussetzungen für eine unübersichtliche Situation gegeben.

Die Hochschulrektorenkonferenz wünscht sich ein Dialogverfahren. Die Bewerber würden ihre Wünsche äußern, die ZVS würde diese Wünsche dann mit dem Anforderungsprofil der Unis abgleichen und entsprechend Zu- und Absagen verteilen. Zwischen dem 15. Juli und dem 28. August sollte alles geklärt werden. Die Hochschulen würden einen Überblick über die Mehrfachbewerbungen bekommen, über angenommene Studienplätze und den Stand der Ablehnungen. Am Ende soll zwischen dem 2. und 12. September ein Clearingverfahren stehen, bei dem alle erfolglosen Bewerber noch mit Hilfe der ZVS Hinweise auf freie Studienplätze erhalten.

Lieber nicht mit dem Kopf gegen die Wand

Doch ist unklar, wie viele Hochschulen zur Zusammenarbeit mit der ZVS am Gesamtverfahren vom 15. Juli an bereit sind oder wie viele sich nur an dem Clearingverfahren zwischen dem 2. und 12. September beteiligen wollen. Unklar ist auch die Frage des Datenschutzes: Dürfen die Punktezahlen, die ein Bewerber in einem Test oder in einem Auswahlgespräch an einer Hochschule im Ruhrgebiet erhalten hat, ins Netz gestellt werden, damit sie eine Hochschule in Baden-Württemberg einsehen kann, an der sich der Abiturient ebenfalls beworben hat? Auf diese Datenschutzproblematik weist der Sprecher der ZVS, Bernhard Scheer, hin.

Scheer erklärt auch unumwunden, dass eine Software, die so vielen Anforderungen zu genügen hat, der ZVS nicht zur Verfügung steht und erst entwickelt werden muss. Er hofft, dass die Ausschreibung für die Entwicklung dieser Software am 23. Januar auf den Weg gebracht wird.

Einen Probelauf mit vielen NC-Fächern im August nächsten Jahres hält Scheer angesichts der Terminlage für ausgeschlossen. Das sei nur unter Ausschluss von Nischenfächern und bei einer Konzentration auf zwei große Fächer wie Jura und Betriebswirtschaft denkbar.

Der Generalsekretär der HRK, Joachim Weber, schließt sich dieser Skepsis an: Aus Sicht der Bewerber sei es sinnvoller, den umfassenden Probelauf zu stoppen als mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Man solle jetzt die Zeit nutzen, sich auf ein funktionierendes Zulassungsverfahren im Dialog für das Wintersemester 2010/2011 zu konzentrieren.

Uwe Schlicht

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