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Allein auf weiter Flur. Die dominanten Mais-Monokulturen sollen nach Möglichkeit einer Vielfalt anderer Energiepflanzen Platz machen. Foto: picture-alliance/ZB

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Wissen: Zurück auf den Holzweg

Gras und Bäume statt Mais – Alternative bei der Gewinnung von Bioenergie

Man würde den Bürgermeister einer 400-Seelen-Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern nicht für einen Revolutionär halten. Doch Bertold Meyer, Bürgermeister von Bollewick, träumt davon, „den ländlichen Raum neu zu denken“. Landwirte müssten sich unabhängig machen von Subventionen und von Energieerzeugern. Er sieht die Region zwischen Hamburg, Berlin und Stettin als „Garten der Metropolen“, der gestressten Großstädtern als Rückzugsraum dient und sie mit gesunden Lebensmitteln und regenerativer Energie versorgt. „Wenn wir die Energie für uns und die Städter selbst erzeugen, wird hier ein ökologisches Wirtschaftswunder geschehen“, sagt Meyer.

Bollewick wird zum Bioenergiedorf. Mitten in einem Feld, wird gerade der Zement eines Silos für Biomasse gegossen. Von 2011 an soll Bollewick mehr als den Eigenbedarf an Wärme und Strom erzeugen. Kreislaufwirtschaft, bei der die Gewinne im Ort bleiben.

Dass das nicht auf Kosten der Ökologie gehen darf, weiß Meyer. Je stärker Mais- und Rapsflächen das Image der Bioenergie gefährden, umso intensiver hält er Ausschau nach Alternativen. Die könnten in Mooren liegen, in Plantagen schnellwachsender Baumarten oder in der Verwertung von Gras und Heckenschnitt aus der Landschaftspflege. Mit wem man auch spricht, es herrscht Einigkeit: Bioenergie braucht mehr Vielfalt.

Christian Schröder streift häufig durch das, was Meyer „Garten der Metropolen“ nennt. „Das ganze Gebiet hier ist für die Landwirtschaft verloren“, sagt Schröder und deutet auf ein Feuchtareal, wo der Deich gebrochen ist. Mit Anglerhosen und Gummistiefeln stapft der Ökologe von der Uni Greifswald durch das neue Moorland nahe der Stadt, jeder Schritt ein Schmatzen. Eine Reparatur des Deiches war zu teuer, die Pumpwerke für die Entwässerung wurden abgeschaltet.

Die Natur ließ sich nicht bitten: Wasserampfer, Schilf und Birken siedelten sich an. Für Schröder sind es nachwachsende Rohstoffe der Zukunft. Wildnis in kontrolliertem Anbau, dafür will er Landwirte begeistern. Auch Schröder will, dass Bioenergie dem ländlichen Raum Schwung verleiht. „Wir dürfen aber nicht aufgrund irgendwelcher Fördermechanismen vernachlässigen, welche Bewirtschaftung an welchem Standort sinnvoll ist.“

In Mecklenburg-Vorpommern etwa wurden fast eine Viertelmillion Hektar Moorland entwässert. Sie zu bewirtschaften ist ökologisch fragwürdig und unrentabel. Zunehmend würden entwässerte Flächen für den Maisanbau umgepflügt, um daraus vermeintlich saubere Energie zu erzeugen. „Da wird Torf zersetzt und es entweichen zehn Mal mehr Treibhausgase als bei der Verbrennung von Öl und Erdgas“, sagt Wendelin Wichtmann von der Greifswalder Succow-Stiftung, die sich naturverträglichem Wirtschaften widmet. Die Klimabilanz wäre schlechter als bei umstrittenen Palmölplantagen für Biodiesel, sagt er.

Schröder schlägt vor, einen Teil der Äcker wieder zu vernässen. Denn Pumpwerke sind Stromfresser, und statt Mais könnten Landwirte Schilf und Erlenholz für ihre Biogasanlagen ernten. „Paludikultur“ nennt sich das, und Schröders Forscherteam entwickelt Erntemaschinen für die weichen Torfböden. Er ist sicher: Die Landwirte werden mitmachen, weil es sich lohnt. Außerdem würde die Moorbewirtschaftung für Energiepflanzen reichlich Kohlendioxid binden, die Kohlendioxid-Bilanz wäre sogar negativ.

„Das ist eine schöne Vorstellung, aber für Paludikulturen eignen sich nur sehr spezielle Standorte“, sagt Florian Schöne vom Naturschutzbund. Schöne hält Energieholz aus Kurzumtriebsplantagen (KUP) mit schnell wachsenden Baumarten für die bessere Alternative. „Sie bringen hohe Erträge und hohe Treibhausgas-Einsparungen bei geringen Kosten.“ Bei der Energieerzeugung durch Holz koste jede eingesparte Tonne Kohlendioxid rund 60 Euro, 180 Euro seien es beim Biodiesel. Auch die Tier- und Pflanzenwelt profitiere, weil in den Pappel-, Weiden- oder Robinienplantagen der Boden länger ruhig liege und kaum Dünger und Pflanzenschutzmittel nötig würden.

Bisher finden sich in ganz Deutschland erst 3000 Hektar KUP-Fläche. Die Bundesregierung geht aber in ihrem „Aktionsplan erneuerbare Energien“ von rund 40 Millionen Festmetern Energieholz im Jahr 2020 aus. „Das entspricht einigen 100 000 Hektar KUP“, sagt Schöne.

Im sächsischen Freiberg wurde 2008 die erste Biomasseverflüssigungsanlage in Betrieb genommen, die auch riesige Mengen Holz zu Energie machen könnte. Doch woher nehmen? Das sollte Dieter Murach von der FH Eberswalde in dem Forschungsprojekt „Dendrom“ klären. Er kam zu dem Schluss, dass schon eine Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen rentabel und ökologisch sinnvoll zugleich wäre. „Totholz aus den Wäldern gibt es schlicht nicht genug“, sagt er. Allein in Brandenburg, so die Studie, seien 300 000 Hektar für KUP geeignet, rund sechs Mal so viel wie bisher in der gesamten EU genutzt. Ein überraschender Befund, schließlich mangelt es Brandenburg an Wasser. Wenn Murach durch Versuchsplantagen führt, gibt er eine einleuchtende Erklärung: „Mais müsste man hier bewässern, aber die Baumwurzeln finden ihren Weg bis ins Grundwasser.“

Damit riesige Rapsflächen nicht durch ebenso große Pappelwälder ersetzt werden, baut die Forschung auf eine Vielfalt von Energiepflanzen. So kommt die durchwachsene Silphie, eine mehrjährige japanische Pflanze, in Biogasanlagen bereits auf bessere Flächenerträge als der Mais, wenngleich ihr Anbau im ersten Jahr noch zu teuer ist. Auch Hirse, Roggen und Weizen können grün geerntet und verfeuert werden, Wildpflanzen sind in der Erprobung. Zudem laufen Untersuchungen, ob überschüssiges Gras und Heckenschnitt aus der Landschaftspflege mit Energiegewinn vergärt oder verbrannt werden können.

Vieles von dem, was möglich ist, muss aber erst noch rentabel werden. Wendelin Wichtmann entwickelt Modelle, wie die Paludikultur in den Handel mit CO2-Zertifikaten eingebunden werden kann. Denn die Moore speichern mehr von dem Treibhausgas als Ackerflächen – und dieser Nutzen sollte Landwirten bezahlt werden, findet er.

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