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Eine Ausgabe der Neuen Deutschen Presse von 1950.

© Christian Walther

70 Jahre DJV: Revolution in den Redaktionen

Wie erging es DDR-Journalisten nach der Wende von 1989? Bei der Integration in die neue Republik halfen auch westdeutsche Journalisten-Verbände.

Medien haben in der DDR eine wichtige Rolle gespielt, frei waren sie aber nicht. Nach der Wende waren die Unterschiede in Arbeitsweise und Mentalität unübersehbar. Während sich in der Bundesrepublik 1949 der DJV gründete, organisierten sich ostdeutsche Journalisten im Verband der Journalisten der DDR (VDJ). Neun von zehn waren VDJ-Mitglieder, jeder Achte SED-Mitglied. Der heutige Vorsitzende des Journalistenverbands Berlin-Brandenburg (JVBB) erinnert sich an diese Zeit: „Der VDJ war ein treuer Diener der DDR“, sagt Christian Walther.

In der DDR ist das Berufsbild des Journalisten klar vorgezeichnet und durch den VDJ geprägt. „Die Zentrale Ausbildungsstätte für Journalisten in Leipzig, das sogenannte Rote Kloster, orientierte sich an einer Lehrschrift von Lenin“, erklärt Walther. Darin nimmt die Presse die Rolle des kollektiven Propagandisten, Agitators und Organisators ein. Die Medien sollen zwar Wissen vermitteln und aufklären, sind aber zentral gesteuert. „Chefredakteure wurden von der Regierung beauftragt und bekamen zentrale Weisungen“, so Walther. Redaktionen hätten lediglich Zugriff auf die Nachrichtenagentur der DDR, den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN), gehabt. Dieser veröffentlicht Weisungen, Sprachregelungen und Mitteilungen darüber, über welche Themen nicht berichtet werden sollte.

Eine Phase der Freiheit und Experimentierlust

Doch im Oktober 1989 beginnt die Revolte auch in den Redaktionen. Nach der Wende stellen die Journalisten alles auf den Kopf und genießen eine Phase der Freiheit und Experimentierlust. „Die Leute waren handwerklich sehr gut ausgebildet und teilweise grandiose Stilisten", sagt Walther. „Sie haben also geschaut, wie sie in der neuen Republik journalistisch arbeiten können.“ Denn mit der DDR bricht auch ihr Mediensystem zusammen, der VDJ löst sich 1990 auf. „In den Jahren 1991/92 seien laut Walther Zeitungstitel in Serie eingestellt worden, etwa Der Morgen, Die Tribüne und die Neue Berliner Illustrierte. Von 528 Zeitschriftentiteln im Jahr 1989 wurden fünf Jahre später nur 41 Prozent weitergeführt. „Viele haben aus dieser Situation heraus keinen Weg mehr gefunden ins Berufsfeld des Journalismus“, sagt Walther. Eine besondere Herausforderung: Die gravierenden Unterschiede zum unabhängigen westdeutschen Journalismus. Viele Menschen haben in diesen Jahren tatsächlich ihren Job verloren, anderen konnte man aber durch den DJV mit Seminaren oder Netzwerken Hilfestellung leisten. Das erleichterte die Integration erheblich: „Es wurde ein intensiver Versuch gemacht, zu einem kollegialen Austausch zu kommen“, so Walther.

Das Zeitungssterben dauert an

Nach der VDJ-Auflösung entschieden die Mitglieder selbst, ob sie wieder einer Vereinigung beitreten wollten. Dabei hatten sie die Wahl zwischen der IG Medien im DGB und dem unabhängigen DJV. Schnell wurden in allen neuen Bundesländern DJV-Verbände gegründet, der DJV-Vorstand von fünf auf sieben Mitglieder aufgestockt. Zudem wurden gemeinsame, deutschlandweite Projekte durchgeführt.

Doch das Zeitungssterben zieht sich bis heute fort, in der ganzen Republik, aber vor allem im Osten. Es zeigen sich Konzentrationsprozesse, Redaktionen werden zentralisiert. „Darunter leidet die Pressevielfalt, während der ökonomische Druck steigt“, sagt Walther. Zudem sei es nur wenigen Blättern gelungen, eine erfolgreiche Digitalstrategie aufzulegen. Folge: Einsparungen und Tarifflucht. Der DJV aber lässt nicht locker: „Wir versuchen immer wieder, mit den Verlagen ins Gespräch zu kommen, aber das gelingt nicht immer ohne Weiteres.“ Der Journalismus steht weiter vor großen Herausforderungen. Ein deutschlandweiter Zusammenhalt bleibt also auch 30 Jahre nach der Wende wichtig.

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