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Berlin: Stadt der Kunst

Künstler haben in Berlin wieder Räume belebt – Unternehmen wie die Gasag helfen bei der Förderung.

Berlin ist zum Mekka der bildenden Kunst geworden. Künstler haben aus der Stadt gemacht, was sie heute ist: eine weltoffene, kulturell vielfältige Metropole des 21. Jahrhunderts, die Kreative aus aller Welt anzieht. Kunst und Kultur sind zu „den“ Standortfaktoren Berlins geworden. Nicht nur für die Tourismusbranche – auch für den Wirtschafts- und Finanzsenator. Zwanzig Prozent des Berliner Bruttoinlandproduktes stammen mittlerweile aus der Kultur- und Kreativwirtschaft – mit entsprechenden Auswirkungen auf Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Tendenz steigend.

Berlin profitierte bei dieser Entwicklung zur Kunstmetropole von den zeitgeschichtlichen Brüchen, die unsere Stadt im vergangenen Jahrhundert erlebte. Wo sonst gab es in einer Großstadt diesen enormen Leerstand, diese riesigen Areale und Brachen wie im Berlin der Nachwendezeit. Diese „plötzlich“ zugänglichen Freiräume konnten, ja wollten genutzt werden. Vor allem im ehemaligen Ostteil der Stadt kamen erschwingliche Gewerberäume und Wohnraum auf den Markt; heruntergekommene Areale, nicht schön und in desolatem Zustand. Angesiedelt haben sich dort vorrangig junge Künstlerinnen und Künstler aller Sparten und Länder. Wegen des vorhandenen Raumes für Ideen, aufgrund günstiger Lebensbedingungen, vielleicht auch wegen der Schönheit des Morbiden und angezogen vom Reiz des Unfertigen. Aber auch die alternativen Zentren im Westteil der Stadt wie zum Beispiel Kreuzberg erfuhren neue Inspiration.

Künstler und Kreative haben es stets verstanden, von augenscheinlichen Defiziten zu profitieren. Sie haben Entwicklungen befördert, für die es an anderer Stelle keine Ideen gab. So wurden aus Defiziten Stärken, von denen die gesamte Stadt profitieren konnte. Dort, wo renditeorientierte Investoren sich zurückhielten, investierten junge, unabhängige Geister in ihre Zukunft. Die Künstler leisteten Pionierarbeit. Sie haben Räume wiederbelebt und schufen eine Atmosphäre, die auch das Interesse anderer erweckte. Auf diese Weise wurden heruntergekommene Quartiere und ganze Bezirke für ein breites, zunehmend bürgerliches Publikum interessant, wohn- und nutzbar gemacht. Prenzlauer Berg und Teile Friedrichshains stehen für diesen Auf- und Umbruch. Die Bohème ist von dort aus jedoch längst zu neuen Ufern aufgebrochen. Vertrieben vom eigenen Erfolg? Ja, auch das. Die gentrifizierende Wirkung von Künstlerinnen und Künstlern ist oft beschrieben worden. Diese Medaille hat aber, wie so oft, zwei Seiten. Und den Kreativen ist dabei meistens die weniger glanzvolle zugewandt. Damit ist auch eine Herausforderung für die Politik beschrieben.

Kulturpolitik und Künstlerförderung haben an dem Aufstieg Berlins zur Kunstmetropole ihren Anteil. Nicht als treibende Kraft. Die erwuchs aus den historischen Umbrüchen und der Kreativität der Künstlerinnen und Künstler. Eine ergänzende Funktion und ein korrigierendes Moment aber darf sich Politik zuschreiben. Das kann und muss man auch weiterhin von ihr erwarten, damit Kreativität und Dynamik ihre Fortsetzung finden. Kulturförderung ist ein Mittel dazu.

Berlin leistet sich eine inzwischen ansehnliche Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst. Dazu zählen turnusmäßig ausgeschriebene Arbeitsstipendien, Kulturaustauschprogramme, Katalog- und Webseitenförderungen sowie ein umfängliches Atelierprogramm. Dies umfasst etwa 700 geförderte Ateliers. Das Programm ist Teil einer Strategie, die darauf abzielt, bezahlbare Ateliers, Proben- und Veranstaltungsräume auch in Mitte, Pankow, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain-Kreuzberg zu sichern. Denn wir wissen: Die historisch einmalige Situation lässt sich nicht konservieren. Ewig lässt sich nicht vom Status quo der uniquen Umbrüche zehren, Vergangenes sich nicht künstlich konservieren. Gerade deswegen muss Politik steuernd und unterstützend eingreifen.

Die Berliner Kunstszene ist so immer noch die attraktivste in Europa, wenn nicht sogar weltweit. Berlin gilt als die Stadt mit den meisten Künstlerateliers und der größten Kunstproduktion weltweit. Produktionsmittel und Ateliers sind immer noch erschwinglich, und die Lebensqualität ist mehr als hoch. Das künstlerische Potenzial von Berlin ist und bleibt groß – in unserer Stadt leben und arbeiten schätzungsweise 5000 bildende Künstler. Andere Bundesländer und Großstädte neiden uns diese Menge an kreativen Potenzialen. Der „Sog nach Berlin“ reißt nicht ab, auch wenn die Mieten im Moment langsam zu steigen beginnen.

Die umfangreiche Berliner Kunstlandschaft kann jedoch durch die öffentliche Hand allein nicht adäquat gefördert und genutzt werden. Deshalb wird der Ausbau der Kunstförderung durch Stiftungen oder von privater Seite immer essentieller. Die Unterstützung durch private Unternehmen ist längst notwendige Ergänzung zur öffentlichen Förderung geworden. Um die reichhaltig vorhandenen Potenziale auszuschöpfen, muss von allen Seiten und mit vereinten Kräften mehr Verantwortung übernommen werden – ein Ziel, das mit den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur und Deutschland“ in Übereinstimmung steht.

Eine fruchtbare Dreiecksbeziehung zwischen der Stadt, ihren Künstlern und ihren Unternehmen, bei denen sich vielfältige Kooperationsmechanismen ergeben, sollte daher selbstverständliche und anerkannte Praxis werden. Dabei geht es nicht darum, eine vermeintliche Last auf verschiedene Schultern zu verteilen, sondern um Formen der Zusammenarbeit zu gegenseitigem Vorteil und mit gesellschaftlichem Gewinn.

Ein gutes Beispiel für diese Art der Zusammenarbeit bietet die Gasag – ein Unternehmen, das in seiner Kunstförderung seit Jahren mit der Zeit geht, auf das Potenzial der jungen Kunst setzt und den Künstlern so – auch im Wortsinn – Raum gibt. Dafür steht die Dekade der Residenz und Sammelzeit der Gasag im Shell-Haus mit seinem mutigen und innovativen Kunst-im-Bau-Projekt. An diesem Ort, der für und aus sich selbst heraus spricht, gingen die ungleichen Partner ein Stück Weg gemeinsam. Hier fanden sich Kunst und Wirtschaft zu einer – wie ich meine – gelungenen Symbiose zusammen. Hier gingen Tradition und Innovation eine Synthese ein. Hier fügten sich unternehmerisches Interesse mit kulturpolitischem und gesellschaftlichem Engagement ineinander.

Die Gasag profitierte von der „Kunst im Bau“-Sammlung in mehrfacher Hinsicht. Das Kultursponsoring unterstützte den Imagetransfer des Unternehmens. Gleichzeitig war das Engagement für zeitgenössische Kunst auch ein Wirtschaftsfaktor in Außenwirkung und Selbstpräsentation. Hinzu kam die Indienstnahme der Kunst als Mitarbeiterkommunikation: Der Austausch über Kunst und die Auseinandersetzung zwischen Künstlern und Rezipienten wurden innerhalb des Bürogebäudes geführt – an einem Ort, der kein x-beliebiger war, sondern der Unternehmenssitz des größten kommunalen Gasversorgungsunternehmens Westeuropas. Kunst im Bau ließ den Standort der Gasag, die Mitarbeiter und das Produkt auf diese Weise mit einfließen in den Entstehungsprozess der Werke. Man könnte sagen, dass ein Unternehmen seinen Betrieb sozusagen künstlerisch evaluieren ließ und damit Möglichkeiten für Synergieeffekte zweier artenfremder Branchen schuf.

Durch die Kooperation mit der Kunstfabrik am Flutgraben e.V. und die assoziierten Künstler förderte die Gasag andererseits einen Kunstverein, der als Atelierstandort und als Akteur seit Jahren kontinuierlich seinen Beitrag zum Berliner Kunstleben leistet. Für die Künstler, die von dem Programm profitierten, waren die für Kunst ausgeschriebenen Flächen und Räume eine Möglichkeit, Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Es war die Chance, künstlerisch zu arbeiten und diese Arbeiten zu zeigen, weil die Gasag ihr Haus regelmäßig für alle Interessierten geöffnet hat.

Das „Kunst im Bau“-Projekt wurde so zu einer gelungenen Zusammenarbeit auf Augenhöhe, für das man die Gasag nicht genug loben kann.

Entstanden ist schlussendlich eine bemerkenswerte Sammlung von Kunst am Beginn des neuen Jahrhunderts. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Gasag nach Beendigung des Sponsoringkonzeptes im Shell-Haus auch jetzt ihrer städtischen Verantwortung treu bleibt und ihre Sammlung als Dauerleihgabe an die Berlinische Galerie übergibt. Das ist ein großartiges Bekenntnis zur Kulturförderung, ein Bekenntnis zu Berlin. Die Experten der Berlinischen Galerie, allen voran Professor Jörn Merkert, haben die Gasag-Sammlung mit offenen Armen aufgenommen.

Welch besseren Ort gäbe es für diese Sammlung als unser Landesmuseum, das den Namen der Stadt trägt und mit dem Anspruch angetreten ist, in Berlin entstandene Kunst zu präsentieren!?

In der Ausstellung „Berlin Transfer“ werden Neuerwerbungen der Berlinischen Galerie aus den letzten Jahren im Dialog mit einem umfangreichen Konvolut von Arbeiten aus der Sammlung „Kunst im Bau“ der Gasag präsentiert. Beide Sammlungen ergänzen sich perfekt, weil sie ihren Fokus auf das aktuelle Berliner Kunstschaffen richten. Während das Landesmuseum seit Mitte der 70er Jahre neben Werken der Klassischen Moderne und der Nachkriegskunst immer auch Zeitgenössisches gesammelt hat, entstand die Sammlung „Kunst im Bau“ der Gasag seit 2002. Die Berlinische Galerie wird so um eine Sammlung zeitgenössischer Kunst reicher, die eng mit der Stadt verbunden ist und einen wichtigen Abschnitt Berliner Geschichte aus Innovation und Tradition spiegelt.

Der Autor ist Staatssekretär für Kultur in Berlin.

André Schmitz

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