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Adnan Al Mekdad.

© Mike Wolff.

#jetztschreibenwir: „Verbessern Sie Ihre Sprache ... und versuchen Sie es noch einmal"

Ein langer Weg bis zum schönen Feierabend: Geflüchtete Kollegen erzählen von ihren Erfahrungen mit Jobsuche und Arbeit in Deutschland.

Adnan Al Mekdad (52): Endlich wieder als Journalist arbeiten!

Journalismus macht Spaß, ist aber auch ein riskantes Geschäft. Ich bin hier in Deutschland, weil ich mich geweigert habe zu morden, und weil ich Freiheit und Würde gefordert habe. Deswegen hat mich das verdammte System in Syrien verhaftet und misshandelt. So wie mir ist es vielen Kollegen ergangen, einige wurden getötet, andere sind noch inhaftiert und niemand weiß, wo sie sind. Wer Glück hatte, hat überlebt und das Land verlassen – so wie ich. Es war ein Schimmer der Hoffnung, als „Reporter ohne Grenzen“ meine Kinder und mich nach Deutschland holen konnte. Im Mai letzten Jahres erhielt ich eine E-Mail, dass der Tagesspiegel eine Sonderausgabe zusammen mit geflüchteten Journalisten gestalten wollte. Wir wurden zu Workshops ins Verlagshaus eingeladen, dort traf ich auf Tagesspiegel-Kollegen und viele andere geflüchtete Kollegen aus Syrien, Iran, Afghanistan. Wir diskutierten miteinander und schrieben Artikel zu politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Themen. In einer Fotoserie wurden auch Fotos der geflüchteten Journalisten veröffentlicht.

Ich habe in der Sonderausgabe einen Artikel über den Krieg in Syrien und ein Porträt eines Flüchtlingshelfers geschrieben. Und ich habe ein Foto mit einer kurzen Geschichte veröffentlicht: Es zeigt das Tor des Tempels des Jupiters in Damaskus – ein Ort, der mir fehlt. Vor dem Krieg bin ich gerne dorthin gegangen, es gab viele Touristen, das Tor steht für Vielfalt, Freude und Frieden.

Die Sonderausgabe des Tagesspiegels am 15. Oktober 2016 wurde von den Leserinnen und Lesern sehr positiv aufgenommen, darüber haben wir Autoren uns sehr gefreut. Kurze Zeit später erhielt ich eine Mitteilung von der Organisation des Roten Kreuzes in Zehlendorf: Sie wollten ein Magazin veröffentlichen, eine „mehrsprachige Zeitung von, mit und für (neue) Nachbarn, Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete“. Ich nahm die Einladung an und ging zu den Treffen in der Düppelstraße am Rathaus Steglitz. Wir sprachen ausführlich und ich wurde ausgewählt, der Chef der arabischen Sektion zu sein. Ein anderer Kollege ist verantwortlich für die persische Abteilung, denn die Artikel sollen in der Muttersprache der Autoren geschrieben und dann ins Deutsche übersetzt werden.

Wir begannen zu arbeiten, und die erste Aufgabe war, einen Namen für dieses Magazin zu finden. Wir entschieden uns in einer Abstimmung aller Redaktionsmitglieder für den Namen „KulturTür“ – denn das Magazin steht für Begegnung und Dialog der unterschiedlichen Kulturen, wenn wir unsere Türen öffnen. In der ersten Ausgabe, die im Januar 2017 mit dem Titel „Neustart“ erschien, schrieben viele begabte und ehrgeizige junge Menschen: Sie erzählten Geschichten über ihre Erlebnisse auf der Flucht und in Berlin, sie erzählten von Erfolgen und Problemen.

Und ja, es war für mich wirklich ein Neustart, eine Gelegenheit, zum Schreiben zurückzukehren und mich hier in Deutschland zu etablieren. Das Magazin ist bei Einheimischen und Neuankömmlingen gut angekommen, die zweite Ausgabe ist bereits erschienen. Radio Berlin-Brandenburg hat ein Interview mit mir als Chef der arabischen Sektion gemacht, über die redaktionelle Ausrichtung und unsere weiteren Pläne.

Das Magazin soll alle drei Monate veröffentlicht werden, und wir wollen es zu einem Erfolg machen! Für mich ist diese Arbeit sehr wichtig: Ich kehre als Journalist zu meiner Arbeit zurück, trotz aller sprachlichen Barrieren. Und es freut mich, dass ich meine Kultur vorstellen kann. Man sagt, wer den Menschen nicht dankt, dankt Gott nicht – ich möchte danke sagen, vielen Dank Deutschland!

Bilal Aldumani (34): Bei der Arbeit bin ich kein Flüchtling mehr

Theodore Roosevelt, der amerikanische Politiker, sagte: „Tu, was du kannst, egal wo du bist, mit dem, was du hast“. Auf uns Syrer trifft das zu. Wir arbeiten immer irgendwas und irgendwo, egal aus welchem Beruf wir kommen.

Im Juni 2014 bin ich in Berlin ohne offizielle Dokumente angekommen. Hier gab es keine großen Chancen, zur Uni zu gehen, um mein Studium im Bauingenieurwesen abzuschließen. Es gab auch kein ernsthaftes Projekt für geflüchtete Journalisten. Und ich konnte nicht als Mathematiklehrer arbeiten wie in Syrien. Ich wollte ein neues Leben hier anfangen, aber welche Möglichkeiten hatte ich?

Nach 13 Monaten in meiner neuen Stadt, nachdem ich den Integrationskurs beendet hatte, hat das Jobcenter mich gebeten, einen Job zu finden. Aber was sind meine Qualifikationen hier ohne Dokumente? Ich hatte nur meine Zunge mit der arabischen Sprache, gute Englisch- und Grundkenntnisse in der deutschen Sprache. Viele Bewerbungen habe ich verschickt, zu vielen Vorstellungsgesprächen bin ich gegangen. Am Ende hat es geklappt: Ich bekam meinen ersten Arbeitsvertrag als Helfer in einem Flüchtlingsheim. Ich half bei der Übersetzung, beim Ausfüllen von Formularen, bei der Flüchtlingsregistrierung.

Das war aber nur für wenige Monate, dann fand ich mich wieder zu Hause. Meinen zweiten Arbeitsvertrag bekam ich bei der Deutschen Post. Ich musste Container mit Paketen be- und entladen. Die Arbeitsstelle war weit weg von Berlin, in einem großen Zentrum. Aber diesmal war die Arbeitsumgebung völlig anders. Meine Kollegen waren aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. Ich wurde gefragt, ob ich Bulgare, Pole oder Ungar bin, mein Chef dachte sogar, dass ich Deutscher wäre. Ich war sehr glücklich, denn jeder dort hat mich als Mensch gesehen und nicht als Flüchtling.

Wieder hat unser Arbeitgeber uns gekündigt, aber ich habe einen neuen Job in der Qualitätskontrolle eines Autowerks gefunden. Die Arbeit hat meine Liebe für diese Stadt erhöht, ich fühle mich jetzt wie einer der Söhne von Berlin. Alle diese Details: das frühe Aufstehen, der Wettlauf mit der Zeit auf dem Weg mit der U-Bahn oder S-Bahn, die Begrüßung der Kollegen am Morgen und die Gespräche in der Pause, das Warten aufs Wochenende und der Abschied mit „Schönes Wochenende!“ nach einer langen Arbeitswoche, und der schönste Satz von allen, „Schönen Feierabend“: Das alles gibt mir die Möglichkeit, mich wie meine deutschen Freunde Mark oder Diana zu fühlen, die beide nicht viel verdienen und in verschiedenen Schichten hart arbeiten.

Ich verstehe jetzt, wie sich die Deutschen fühlen, wenn sie Steuern bezahlen und dann Flüchtlinge von ihren Steuern bezahlt werden. Verstehe, warum viele deutsche Kollegen nicht glücklich mit der Politik von Angela Merkel und der Asylkrise sind. Die Arbeit bewegt dich von der Flüchtlingsseite zur Bürgerseite. Ich sehe das andere Gesicht von Berlin, bekomme einen Einblick von ganz unten. Jetzt bei der Arbeit und mit meinen Kollegen bin ich kein Flüchtling mehr.

Zulaikha Afzali (31): Traumland – auf den zweiten Blick

Jedes Jahr lädt das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) Praktikanten aus verschiedenen Ländern zu einem Aufenthalt bei einer Gast-Organisation in Deutschland ein. 2015 wurde ich ausgewählt; ich komme aus Afghanistan und habe dort Deutsch und Literatur studiert. Nachdem

ich mich bei einigen Organisationen beworben hatte und keine Antwort erhielt, war ich enttäuscht; aber ich gab nicht auf. Schließlich nahm eine Hilfsorganisation aus Bayern meineBewerbung für ein Praktikum an. Ein guter Start für das Leben in meinem Traumland!

Zulaikha Afzali.
Zulaikha Afzali.

© Doris Spiekermann-Klaas

Es ist schwierig, in einem fremden Land Fuß zu fassen – so viele Kleinigkeiten sind anders als zu Hause. Ich war unglaublich aufgeregt, als ich im Januar 2016 nach Dubai und weiter nach Frankfurt flog. Ich fühlte mich allein und angespannt, aber auch hoffnungsvoll. Für einen Moment wollte ich meine Hand aus dem Flugzeug halten, um an der Luft dort draußen zu spüren, ob ich wirklich in Deutschland war.

Doch kaum war ich gelandet, begann der Kampf. Als erstes musste ich herausfinden, wo mein Zug nach Bayern abfuhr. Trotz sehr guter Sprachkenntnisse war das wirklich schwierig! Nach langer Reise erreichte ich mein Ziel und wurde von einer Dame vom ifa abgeholt, die mich herzlich begrüßte. Toll, wenn alle Deutschen so nett sind!, dachte ich. Doch als ich meine Chefin in der bayerischen Hilfsorganisation kennenlernte, wurde ich eines Besseren belehrt. Sie war – übrigens nicht nur zu mir – sehr unfreundlich und aggressiv, und das blieb während des ganzen Praktikums so. Eine schlimme Erfahrung!

Ich fühlte mich einsam ohne meine Familie und Freunde, in dem bayerischen Dorf bekam ich keinen Kontakt zu anderen Deutschen, die kulturellen Unterschiede und die Sprachbarriere machten mir zu schaffen: Alles lief irgendwie anders, als ich mir das vorgestellt hatte.

Ich wurde depressiv, war demotiviert und sehnte mich nach meiner Heimat. Eines Tages nahm ich mir fest vor, einfach zu Hause zu bleiben und fernzusehen; das entsprach eigentlich gar nicht meinem Charakter. Doch schließlich raffte ich mich auf und machte mich auf die Suche nach einer anderen Arbeit. Ich konzentrierte mich nicht auf die Leute, die mir die kalte Schulter zeigten, sondern auf diejenigen, die bedingungslos hilfsbereit waren. Zurück nach Afghanistan kann ich nicht: Wegen meines früheren zivilgesellschaftlichen Engagements dort wäre ich nicht sicher.

Ich wandte mich an die Bundesagentur für Arbeit, und die nette Mitarbeiterin dort organisierte mir erst einen Termin zur Übersetzung meiner Unterlagen und dann ein Vorstellungsgespräch bei der Bundesarbeitsagentur in Eisenhüttenstadt/Brandenburg. Dort fing ich als Fachassistentin und Sprachvermittlerin an – mit ganz netten Kolleginnen und Kollegen. Alles lief toll, und dann kam es noch besser: Ich wurde an meiner Traum-Uni, der Humboldt-Universität, für einen Masterstudiengang in Politikwissenschaften und Soziologie angenommen.

Heute studiere ich in Berlin und arbeite ab und zu als freiberufliche Sprachvermittlerin für verschiedene Einrichtungen, die sich für Integration, women’s empowerment und soziale Belange einsetzen. Ich habe das Gefühl, dass es in großen Städten multikultureller und „fremdenfreundlicher“ zugeht. Nun läuft alles ideal, ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Ich hoffe, dass meine Träume in Erfüllung gehen und dass in meinem Land wieder Frieden und Ruhe einkehren, so dass niemand mehr fliehen und Heimweh haben muss. Ich bin der Herausforderung gewachsen, die dieses neue Kapitel meines Lebens für mich bereithält. Aber ich denke, dass meine Erlebnisse für andere, weniger starke Menschen ein großes Unglück gewesen wären. Ich bin froh, dass ich alles erfolgreich geschafft habe.

Saleh Kahhal (26): Endlich habe ich eine Arbeit!

Ich erinnere mich noch an den ersten Moment, als ich nach Deutschland kam. Damals dachte ich, dass ich viele Arbeitsangebote bekommen würde, sobald ich meine Zeugnisse zeige. Aber ein paar Monate später stellte sich heraus, dass die Realität anders aussieht und ich mein neues Leben Schritt für Schritt beginnen muss.

Saleh Kahhal.
Saleh Kahhal.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Am Anfang hatte ich keine Geduld; ich wollte so schnell wie möglich einen Job bekommen. In Damaskus hatte ich Journalismus studiert und als Fernsehmoderator gearbeitet. Hier fehlten mir die Sprachkenntnisse, die gerade für Journalisten so wichtig sind und deren Erlernen viel Mühe und Zeit kostet. Also meldete ich mich in einem Deutschkurs an. Nachdem ich ein bisschen Deutsch gelernt hatte, ging ich sofort zu einer Zeitarbeitsfirma. Dort bekam ich meine erste Arbeit in Deutschland.

Doch mit dieser Stelle war ich aus zwei Gründen unzufrieden: Ich durfte nicht als Journalist arbeiten, sondern nur als Hilfskraft, etwa in einer Reinigungsfirma. Das passte wirklich nicht zu meiner akademischen Qualifikation, fand ich! Damals fühlte ich mich richtig fehl am Platz. Es ist unlogisch, wenn man als Hilfskraft arbeitet, nachdem man ein Studium abgeschlossen hat, sagte ich mir selbst. Der zweite Grund war, dass ich wegen der anstrengenden Arbeit kaum Freizeit hatte.

Aus diesen Gründen kündigte ich die Stelle und beschloss, es noch einmal im Journalismus zu versuchen. Ich schrieb einige Artikel auf Englisch und Arabisch für verschiedene Webseiten, doch damit verdiente ich kein Geld. Deshalb musste ich mir wieder eine Stelle suchen, die zu den Zeiten meines Deutschkurses passte.

Diesmal war es ein Minijob in einem Hotel, wo ich noch heute arbeite. Hier bin ich zufriedener. Ich übe zwar noch nicht meinen Beruf aus, aber vielleicht werden diese wenigen Zeilen der Schlüssel zum Tor in die Welt des Journalismus sein. Diesen Traum gebe ich nicht auf.

Alaa Alfahel (28): Schwierigkeiten überwinden

Nach Abschluss unseres Sprachkurses mussten wir Neuankömmlinge mit der Suche nach einem Job beginnen. Arbeit ist besonders wichtig bei der Integration. Die Sprache ist eine Barriere, aber nur, wer sie beherrscht, hat auch die Möglichkeit, hier einen Beruf zu finden. Ich komme aus Syrien, und habe in Damaskus für verschiedene Unternehmen als Verwaltungsassistentin gearbeitet, unter anderem für Samsung. In Deutschland habe ich einen Integrationskurs und einen Sprachkurs auf B1-Niveau erfolgreich beendet. Aber die Arbeit, die ich mir vorstelle, habe ich trotzdem noch nicht gefunden. Ich habe eine Jobbörse für Flüchtlinge besucht und mich dort bei fünf oder sechs Unternehmen beworben – ohne Erfolg. Ich erhielt immer die gleiche Antwort von den Firmen: „Verbessern Sie Ihre Sprache und versuchen Sie es noch einmal.“

Im Beruf braucht man viele Begriffe, die ich im Deutschkurs nicht gelernt habe. Das macht mich unsicher, obwohl ich in Syrien Zertifikate im Journalismus und als Übersetzerin gemacht habe.

Ein Freund von mir hat in Syrien ein Jurastudium abgeschlossen. Dann kam er nach Deutschland und machte Sprachkurse auf B1- und B2-Niveau. Währenddessen arbeitete er für sechs Monate bei Real. Anschließend machte er ein Praktikum als Industriekaufmann bei Federal Mogul. Sein Abschluss als Rechtsanwalt hat ihm leider überhaupt nicht geholfen. Denn der wird hier zwar anerkannt, reicht aber nicht aus, um als Anwalt zu arbeiten. Aber trotz dieser Schwierigkeiten sind wir entschlossen, uns auf uns selbst zu verlassen und aktive Mitglieder dieser Gesellschaft zu werden.

Alle Autorinnen und Autoren haben ihre Texte auf Deutsch geschrieben.

Die Texte sind im Rahmen des Projekts #jetztschreibenwir von Tagesspiegel und Friedrich-Naumann-Stiftung entstanden. Mehr Beiträge von Exiljournalisten finden Sie auf unserer Themenseite.

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