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Helfende Hand? Wenn KI nicht als Gefahr, sondern als Unterstützung gesehen wird, überlassen ihr Menschen bereitwilliger Aufgaben.

© Getty Images/iStockphoto/Miriam Doerr

Start ins KI-Wissenschaftsjahr: "Bessere KI-Lösungen lassen uns mehr Zeit für Dinge, die Spaß machen"

Der Wissenschaftler Felix Bießmann erklärt im Interview, bei welchen Dingen künstliche Intelligenz uns hilft und wie man sie nutzen kann.

Herr Bießmann, was steckt hinter dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ und was eben genau nicht?
Wenn mich jemand fragt, was künstliche Intelligenz (KI) ist, frage ich oft erst mal zurück: Was meinen Sie mit Intelligenz? Das ist gar nicht so leicht zu definieren – vor allem, wenn man die Definition benutzen möchte, um künstliche von menschlicher Intelligenz abzugrenzen. Ich betrachte künstliche Intelligenz als Oberbegriff für eine Vielzahl von Algorithmen, die aus Daten lernen können. Das nennt man maschinelles Lernen. Diesen Begriff benutzen auch die meisten Wissenschaftler. Ganz konkret könnte ein maschineller Lernalgorithmus zum Beispiel ein Programm sein, das lernt, ob eine E-Mail Spam ist oder nicht. Herkömmliche Softwaresysteme können das auch – aber nur, weil man zuvor von Hand die Regeln dafür definiert hat. Einfacher ist es, einen großen Datensatz bestehend aus Spam und Nicht-Spam zu haben und das Programm dann selbst lernen zu lassen, was die Unterschiede sind. Das Programm definiert also durch einen Lernprozess selbst die Regeln, die wir zuvor noch manuell eingeben mussten. Was nicht hinter dem Begriff KI steckt, sind die vielen Ängste und Hoffnungen, die man so hört – etwa, dass Maschinen bald menschenähnliches Bewusstsein entwickeln oder magisch alle Probleme lösen könnten.

Muss KI mir Angst machen?
Angst sollte man nicht haben, aber eine kritische Haltung ist ganz wichtig. Die meisten Forscher hoffen ja, dass KI eine Hilfe für Menschen ist. Repetitive Arbeiten, die Menschen nicht so gerne machen, könnten von Maschinen übernommen werden und die Menschen könnten sich dann auf etwas Spannenderes konzentrieren. Wenn wir KI nicht als Gefahr, sondern als Hilfe sehen, fällt es uns leichter, der KI Aufgaben zu überlassen, ohne uns unterlegen zu fühlen. Wichtig ist aber ein richtiges Maß an Vertrauen in KI. Ein Arzt, Polizist oder Richter, der sich auf eine KI zu sehr verlässt, kann genauso falsch liegen wie einer, der die Hilfe von KI grundsätzlich verweigert und dadurch hilfreiche Ratschläge ignoriert. Viele der Risiken von KI kennen wir allerdings noch gar nicht so genau. Eine der wichtigsten Aufgaben seitens der Experten, Regierungsvertreter, Soziologen, Juristen und derer, die diese Technologie einsetzen, ist deshalb, die Risiken zu erörtern und ethische und gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wo steckt KI schon drin, ohne dass ich es weiß oder merke?
KI steckt eigentlich schon überall drin. Vielen ist bekannt, dass künstliche Intelligenz bei Dingen, die online stattfinden, eine tragende Rolle spielt – etwa beim Shopping, der Partnersuche, Werbung oder bei der Risikobewertung im Versicherungs- und Bankengeschäft. Zu KI-Bereichen, die noch weniger in der gesellschaftlichen Wahrnehmung angekommen sind, gehören zum Beispiel die Landwirtschaft, Kunst, der Journalismus oder die politische Stimmungsmache. Auch bei der Produktion von erfolgreichen Serien wird KI benutzt, um den Plot und die Schauspieler auszuwählen.

Was wird dank KI in Zukunft möglich sein?
Ich sehe drei große Bereiche, in denen uns künstliche Intelligenz Nutzen bringen wird. Erstens wird uns noch viel mehr an repetitiven Arbeitsabläufen abgenommen werden. Kleine Hilfen, wie zum Beispiel Autocomplete-Funktionen zum Ausfüllen von Dokumenten oder bessere Suchfunktionen für Datenbestände, werden alle Arbeitsbereiche durchdringen. Zweitens wird es einen Durchbruch geben im Bereich der Sprachverarbeitung – also bei Übersetzungen oder der Transformation von Sprache zu Text. Es ist gut vorstellbar, dass bald jeder einen persönlichen Simultanübersetzer im Handy integriert hat. Die allergrößte Chance sehe ich in der Demokratisierung von KI-Forschung. Hardware ist nicht mehr teuer, viele wichtige Datensätze sind öffentlich zugänglich und die wichtigsten Softwarepakete sind Open Source. Außerdem gibt es immer mehr leichte Einführungen in die Materie. Zukünftige Fortschritte werden zum großen Teil von diesem freien und kostenlosen Zugang zu Wissen, Daten und Ressourcen getragen werden. Das sollten wir um jeden Preis bewahren. Je mehr Menschen Zugang haben, desto spannendere Chancen werden sich daraus wieder ergeben. Was konkret diese Chancen sind, lässt sich nur sehr schwer vorhersagen.

Wie kann ich mich fit machen für den digitalen Arbeitsplatz?
Texte zu lesen, wie jetzt so ein Interview, ist wahrscheinlich ein guter Schritt. Also Interesse an Neuem ist ja generell ein ganz wichtiger Faktor bei der Arbeit, weil sich ständig neue, arbeitsrelevante Werkzeuge auftun, die uns effizienter machen können. In einer Welt, in der fast alles von Programmen gesteuert ist, sollte außerdem jeder zumindest ein grundlegendes Wissen vermittelt bekommen, wie das funktioniert. Ich selbst habe relativ spät Programmieren gelernt und ärgere mich immer wieder, dass das nicht verpflichtender Teil der Schulausbildung ist. Ich glaube, viele Leute wären gute Programmierer, die das nicht von sich glauben. Es ist auch hilfreich, zu beobachten, was die KI-Forschung so treibt. Wichtig ist, offen zu sein für diese Dinge sowie das Bewusstsein dafür zu schärfen, was von der eigenen Arbeit repetitiv ist und was davon eventuell von künstlicher Intelligenz übernommen werden kann.

Felix Bießmann ist Professor für Maschinelles Lernen an der Beuth Hochschule für Technik Berlin und zudem Forscher am Einstein Center Digital Future (ECDF) in Berlin.
Felix Bießmann ist Professor für Maschinelles Lernen an der Beuth Hochschule für Technik Berlin und zudem Forscher am Einstein Center Digital Future (ECDF) in Berlin.

© Fred Hell

Wie sieht die Welt mit Künstlicher Intelligenz in hundert Jahren aus?
Wenn man in die Zeit der Industrialisierung zurückschaut, gab es da Leute, die geglaubt haben, Pferde werden immer nötig und Autos nie so wichtig sein. Ich glaube, dass heutzutage weniger Leute diesen Fehler machen. Aber genau vorherzusagen, was passieren wird, fällt mir schwer. Sicher ist, dass es noch nie so einfach war, sich das nötige Wissen anzueignen, um spannende KI-Anwendungen zu bauen. Diese Demokratisierung von KI macht mir Hoffnung, dass mehr und auch mehr jüngere und ältere Menschen als bisher sich mit KI beschäftigen werden. Die Zeit der Industrialisierung erleichterte viele Menschen von schwerer körperlicher Arbeit und ermöglichte uns so deutlich längere Lebenszeiten. Vielleicht erlauben uns die Entwicklungen besserer KI-Lösungen nun, diese längere Lebenszeit zu verbringen mit Dingen, die mehr Spaß machen und weniger monoton sind. Also konkret würde ich mir für meine Enkel wünschen: mehr Zeit für Menschen und weniger Zeit für das Editieren von Dokumenten und Tabellen.

Friederike Moraht

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