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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© Pool Presidency Press Service/dpa

Türkischer Präsident in Berlin: Polizei rechnet mit massiven Protesten bei Erdogan-Besuch

Ende September ist der türkische Präsident zum Staatsbesuch in Deutschland – die Polizei bereitet sich auch auf Konflikte zwischen Erdogan-Gegnern und Fans vor.

Von Frank Jansen

Einen Monat vor dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin zeichnet sich massiver Protest ab. Es seien bereits neun „Erdogan-kritische Demonstrationen und Kundgebungen“ angemeldet worden, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei dem Tagesspiegel. Die Versammlungen seien auf die beiden Tage des Staatsbesuchs, den 28. und 29. September, verteilt. Die Polizei bereite sich auf einen großen Einsatz vor und sei auch auf Konflikte zwischen Erdogan-Gegnern und Erdogan-Fans vorbereitet.

In Sicherheitskreisen ist vor allem die Sorge zu hören, Kurden, insbesondere Anhänger der Terrororganisation PKK, sowie türkische Linksextremisten könnten mit nationalistischen Türken aneinandergeraten. In beiden Lagern sei die Stimmung hochgradig emotional. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Schlägereien am Rande von Demonstrationen in Berlin und anderen Städten sowie Angriffe auf türkische Objekte.

Dass sich die Gemüter aufheizen, zeigen schon die Aktivitäten der „Kurdischen Gemeinde Deutschland“ (KGD). Sie will am Brandenburger Tor gegen Erdogans Besuch protestieren. Der Vizevorsitzende Mehmet Tanriverdi kündigte bereits eine „Massenveranstaltung“ mit bis zu 20.000 Teilnehmern an. In einem offenen Brief appellierte am Mittwoch der KGD-Chef Ali Ertan Toprak „eindringlich“ an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Erdogan nicht als Staatschef zu empfangen. „Wir halten ihn der Ehren, die dieser Besuch mit sich bringt, für nicht würdig“, schrieb Toprak. Die Entwicklung in der Türkei und in Nordsyrien „erfüllt uns derzeit mit großer Sorge, ja sogar mit Verzweiflung“.

Im Südosten der Türkei bekämpfen sich Sicherheitskräfte und PKK-Rebellen mit enormer Härte. Die türkische Armee hat zudem im März in Nordsyrien die Kurdenregion Afrin erobert. Die mit der PKK liierte Miliz YPG gab nach mehrwöchigen Gefechten auf. Nach dem Fall von Afrin kam es in Berlin, Hamburg und Düsseldorf zu Ausschreitungen von Kurden, mehrere Polizisten wurden verletzt.

Beim Besuch von Erdogan sei wieder Straßengewalt zu erwarten, sagen Sicherheitskreise. Gerade die jungen Anhänger der PKK wie auch der radikalisierte Nachwuchs der nationalistischen türkischen Ülkücü-Bewegung „brauchen ein Ventil für den Hass aufeinander“. Die Gefahr von Zusammenstößen sei hoch, außerdem würden die PKK-Leute traditionell auch von deutschen Linksextremen unterstützt. Sicherheitsexperten halten es aber für unwahrscheinlich, die PKK könnte auch einen Anschlag auf Erdogan versuchen. „Das würde dann doch ihrer Strategie schaden, Deutschland als Ruhe- und Rückzugsraum zu nutzen“, sagt ein hochrangiger Sicherheitsexperte.

Anzahl der PKK-Mitglieder in Deutschland deutlich gestiegen

Die PKK unterliegt seit 1993 in der Bundesrepublik einem Betätigungsverbot, ist aber unvermindert präsent. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) spricht im Jahresbericht 2017 sogar von einer Zunahme der PKK-Mitglieder um 500 auf 14.500. Außerdem habe die PKK ihre Spendenkampagne steigern können und mit 14 Millionen Euro das Ergebnis von 2016 um eine Million Euro übertroffen. Die PKK rekrutiert zudem jugendliche Anhänger für den bewaffneten Kampf in der Türkei und in Syrien.

Hauptgegner der PKK ist in Deutschland die rechtsextreme Bewegung „Ülkücü“ („Idealisten“), auch bekannt als „Graue Wölfe“. Das BfV taxiert die Nationalisten auf 7000 im Dachverband organisierte Mitglieder und 4000 nicht organisierte Anhänger. Sicherheitskreise halten die meist jüngeren, unorganisierten Ülkücü-Milieus für noch fanatischer und zumindest in Teilen für gewaltbereit. Außerdem sei die Ülkücü-Bewegung mit Anhängern der Erdogan-Partei AKP zusammengerückt. Beim Besuch des Präsidenten in Berlin sei zu erwarten, dass türkische Rechtsextreme und Erdogan-Fans gemeinsam aufträten – vor allem gegen die verhassten Kurden.

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