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Politik: Eiszeit zwischen Türkei und Israel

Nach UN-Bericht zum Angriff auf Gaza-Flottille

Als der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Freitag um 11 Uhr 30 in Ankara vor die Mikrofone trat, begann eine neue Ära in den Beziehungen zwischen der Türkei und Israel – eine Ära der Feindseligkeit, die alle bisherigen Krisen wie harmlose Kabbeleien erscheinen lässt. Die Türkei wirft den israelischen Botschafter aus dem Land, friert die militärischen Beziehungen zu ihrem früheren Partnerstaat ein und warnt die Israelis vor einer möglichen Konfrontation im östlichen Mittelmeer. „Es ist Zeit, dass Israel für seine Handlungen bezahlt“, sagte Davutoglu. Damit meinte er den Tod von neun Aktivisten beim israelischen Sturm auf die türkische Gaza-Hilfsflotte im Mai vergangenen Jahres.

Dass die Türkei ausgerechnet jetzt mit diplomatischen und militärischen Sanktionen auf den israelischen Angriff vor 15 Monaten reagiert, hat mit Ereignissen in New York zu tun. Dort sickerte am Donnerstag ein mehrmals verschobener Untersuchungsbericht der UN zum israelischen Angriff auf die Gaza-Flottille durch. Ankara hatte kurz zuvor betont, die Veröffentlichung des Berichts sei die letzte Chance für Israel, sich für die Attacke zu entschuldigen. Nicht nur blieb diese Entschuldigung aus – der UN-Bericht übernahm darüber hinaus in wichtigen Punkten die Haltung Israels. So bezeichnete die Kommission unter dem früheren neuseeländischen Ministerpräsidenten Geoffrey Palmer die israelische Blockade des Gazastreifens als rechtmäßig. Auch hätten sich die israelischen Soldaten auf Deck des türkischen Gaza- Flaggschiffes, der „Mavi Marmara“, gegen „organisierten und gewaltsamen Widerstand“ von Aktivisten verteidigen müssen. Der Schusswaffeneinsatz gegen die Passagiere sei allerdings unverhältnismäßig gewesen. Israel zeigte sich in einer ersten Reaktion bereit, die Schlussfolgerungen unter gewissen Vorbehalten zu akzeptieren.

Das kommt für die Türkei nicht infrage. „Kein Staat steht über dem Recht“, sagte Davutoglu über Israel. In vertraulichen Gesprächen hätten beide Seiten in den vergangenen Monaten mehrmals kurz vor einer Einigung auf die türkischen Forderungen nach einer Entschuldigung und nach Entschädigungszahlungen für die Familien der Opfer gestanden. Jedes Mal sei die Unterzeichnung einer Abmachung an Widerständen im israelischen Kabinett gescheitert. Nun müsse sich Israel den Folgen dieser Haltung stellen. „Der Preis besteht vor allem im Verlust der Freundschaft der Türkei.“

Neben der Ausweisung des israelischen Botschafters Gaby Levy war es vor allem die indirekte Drohung mit einem türkisch-israelischen Konflikt im Mittelmeer, die bei Beobachtern auf Überraschung stieß. „Das bedeutet, dass es Gefechte zwischen der Türkei und Israel geben könnte, wenn Israel noch einmal türkische Schiffe in internationalen Gewässern angreift“, sagte der Nahost-Experte Veysel Ayhan. „Das sind schon sehr harte Botschaften.“ Die von Davutoglu verkündeten Entscheidungen könnten für die ganze Nahostregion ein Wendepunkt sein. Lange stärkte das enge türkisch-israelische Verhältnis die Position Israels in der Region. Diese Phase ist nun vorüber. Nahost-Experte Ayhan von der Denkfabrik Orsam verwies auf die jüngsten Spannungen der rechtsgerichteten israelischen Regierung im Verhältnis zu einem anderen Partner aus der islamischen Welt, Ägypten: „Israel verliert so langsam alle Freunde.“

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