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Darstellungs-Probleme. Die Grünen-Spitzenkandidaten, Rebecca Harms und Sven Giegold, präsentierten 2014 mit Geschäftsführer Michael Kellner (v. l. n. r.) die Europawahlkampagne.

© dpa

Grüne auf Kurssuche: Europa - ja bitte

Im Europaparlament sind die Grünen zur sechstgrößten Fraktion geschrumpft. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner und der Europaabgeordnete Sven Giegold wollen das ändern - über eine grüne Regierungsbeteiligung im Bund und durch einen neuen Modus bei der Auswahl der Spitzenkandidaten für Brüssel und Straßburg.

Nach der Auffassung des Grünen-Bundesgeschäftsführers Michael Kellner und des Europaabgeordneten Sven Giegold sollte sich die Öko-Partei einen neuen Modus bei der Auswahl der Spitzenkandidaten für die nächste Europawahl in vier Jahren ausdenken. Bei der letzten Europawahl im Mai 2014 waren die Deutsche Ska Keller und der Franzose José Bové als europaweite Spitzenkandidaten angetreten, nachdem ein EU-weites Online-Votum in einer Urwahl zuvor zu ihren Gunsten ausgefallen war. Allerdings blieb die Beteiligung bei der Grünen-„Primary“ seinerzeit weit hinter den Erwartungen der Partei zurück. Das „Experiment der Primary sollte man in gleicher Weise nicht wiederholen“, heißt es in einem Beschlussvorschlag von Kellner und Giegold für den Parteirat an diesem Montag. Das Papier wurde in dem Gremium positiv aufgenommen und erntete kaum Widerspruch. "Wir machen einen großen Sprung zu einer wirklich europäischen Partei", kommentierte Giegold anschließend die Beratungen.

Lehren aus dem Urwahl-Debakel von 2014

Die Urwahl der europäischen Spitzenkandidaten war eine Idee des früheren Parteichefs Reinhard Bütikofer, der seit 2012 gemeinsam mit der Italienerin Monica Frassoni Vorsitzender der Europäischen Grünen (EGP) ist. Am Ende beteiligten sich nur 22.676 Menschen an der „Green Primary“ – ein klägliches Ergebnis angesichts der rund 400 Millionen EU-Bürger, die theoretisch abstimmungsberechtigt gewesen wären.

Faktisch hatte die Aufstellung der EU-weiten Grünen-Spitzenkandidaten seinerzeit nur symbolischen Wert. Die Partei stellte in Deutschland dem Ergebnis der Urwahl zum Trotz die Fraktionschefin im EU-Parlament, Rebecca Harms, als Frontfrau für den Wahlkampf auf. Auf Platz zwei der Grünen-Europaliste landete Sven Giegold. In ihrem Beschlussvorschlag monieren Kellner und Giegold nun, dass die Wahlkampagnen der europäischen und der deutschen Grünen im Europawahlkampf des vergangenen Jahres „nur wenige Gemeinsamkeiten“ aufwiesen. Als Konsequenz aus dem Debakel bei der EU-weiten Urwahl schlagen die beiden Grünen vor, vor der nächsten Europawahl 2019 eine „frühzeitige Klärung über die Rahmenbedingungen“ bei der Aufstellung der Frontleute herbeizuführen. Auch in vier Jahren werde man europäische Spitzenkandidaten brauchen, heißt es im Beschlussvorschlag weiter.

In ihrer Analyse setzen sich Kellner und Giegold auch mit der geschwächten Stellung der Grünen im Europaparlament auseinander. In der Straßburger Kammer wurde die Öko-Partei von der viertgrößten zur sechstgrößten Fraktion. Die Partei habe im Europaparlament „quantitativ an Status verloren“, schreiben die beiden. Der Einflussverlust werde noch dadurch verschärft, dass in Brüssel und in Straßburg „eine große Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen eine Politik der Ausgrenzung der kleineren Fraktionen betreibt“. Als „entscheidende Stellschraube“ betrachten Kellner und Giegold dabei die Bundestagswahl 2017: Wenn der Partei im Bund eine Regierungsbeteiligung gelänge, „würden die grünen Einflussmöglichkeiten für eine bessere Europapolitik enorm steigen“.

"Nicht nur mit Worthülsen werfen"

Als „grüne Aufgabe“ bezeichnen es die beiden Verfasser des Beschlussvorschlages, „die europäische Idee gegen die wachsende Anzahl von Europafeinden zu verteidigen“. „Europa nutzen wir nicht als Buhmann, sondern es ist für uns eine zusätzliche Ebene, die wir wie selbstverständlich in unsere Politik einbeziehen“, heißt es. Kellner und Giegold warnen außerdem davor, den „beliebten grünen Fehler“ zu machen, sich "in Details zu verlieren, ohne ein größeres Bild zu zeichnen“.

Als „Herausforderung für die gesamte Partei“ wird in dem Papier die Beantwortung mehrerer offener europapolitischer Fragen bezeichnet, zu denen unter anderem eine humane Migrations- und Flüchtlingspolitik zähle, „die die gescheiterte EU-Politik ersetzen soll“. Angemahnt wird zudem, das Schlagwort des „sozialen Europa“ durch konkrete Vorschläge zu unterfüttern: „Nur mit leeren, wenn auch gut klingenden Worthülsen zu werfen, wird dem Anspruch grüner Politik nicht gerecht.“

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