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Nur nach Hause ... In einer Partynacht kann man vieles falsch machen – am Morgen danach ebenso. Foto: Ullstein

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Ausgeh-Knigge: So klappt's mit dem Tag danach

Die Party ist vorbei, der nächste Morgen meist ziemlich schwierig. Was hilft gegen die Augenringe? Darf ich so zum Brunch? Tagesspiegel-Autoren Nana Heymann und Sebastian Leber haben Weisheiten zum Nachtleben gesammelt. Ein Vorabdruck.

Der Morgen nach einer durchfeierten Nacht ist oft grausam. Die Kopfschmerzen unerträglich, die Person im Spiegel: hoffnungslos derangiert. Die Standardfrage des Berliner Partygängers am Sonntag lautet: Warum musste es gestern schon wieder eskalieren – und ist das jetzt eigentlich positiv oder negativ? Die Tagesspiegel-Autoren Nana Heymann und Sebastian Leber haben einen Ausgeh-Knigge geschrieben, in dem sie 200 drängende Fragen des Nachtlebens beantworten. Ein ganzes Kapitel des Buchs gilt dem fiesen Morgen danach. Wir präsentieren exklusiv vorab Auszüge.

Wie überlebe ich den „Walk of shame“?

Zerzauste Haare, ein übler Geschmack im Mund, Augenringe. Und dazu ein Outfit, mit dem man wenige Stunden zuvor noch König oder Königin der Nacht war, das aber tagsüber völlig unpassend wirkt und nach Rauch stinkt. Wer sich nach einem exzessiven Partyabend zu einem ungeplanten Auswärtsspiel bei einer Spontanbekanntschaft hat hinreißen lassen, braucht für den Heimweg am nächsten Vormittag viel Selbstbewusstsein oder ein dickes Fell, am besten beides. Zum Spießrutenlauf wird das Ganze, wenn man Bekannten begegnet und sich für seinen mitgenommenen Zustand rechtfertigen muss. Es gibt nicht viele Situationen im Leben, die peinlicher sind als das, was in den USA umgangssprachlich walk of shame genannt wird.

Wie lässt sich die Tortur minimieren? Mit Sicherheit nicht, indem man die Anziehsachen vor dem Verlassen der fremden Wohnung auf links dreht. Als probates Mittel zur Schadensbegrenzung bietet sich zunächst der Gang auf die Toilette an, wo man aller Wahrscheinlichkeit nach Seife und Zahnpasta finden wird. Letztere kann man auch ohne Bürste benutzen – was besser ist, als komplett auf die morgendliche Mundhygiene zu verzichten.

Ob man sich mit dem Outfit vom Vorabend vor die Tür traut oder sich für den Heimweg von seinem Lieblingsmenschen der vergangenen Nacht Anziehsachen leiht, hängt von der eigenen Leidensbereitschaft ab. Es gibt Gründe, die gegen das Tragen eines kurzen Paillettenkleids mit tiefem Ausschnitt bei Tageslicht sprechen. Es gibt aber ebenso gute Gründe, auf die geborgten Jeans und den Kapuzenpulli zu verzichten. Das Ausleihen zieht ein Wiedersehen mit dem Besitzer nach sich. Das gilt es unter Umständen zu vermeiden. Besonders vorausschauende Menschen sind für den Notfall vorbereitet – mit einem kleinen Set, das je nach Hersteller Unterhose, T-Shirt, Reisezahnbürsten und Zahnpasta oder Zahnputzpillen enthält. Die De-luxe-Version wartet sogar mit einer Sonnenbrille auf. So gerüstet fühlt sich der Heimweg nur noch halb so schlimm an.

Was kann ich auch mit einem Kater wunderbar tun?

Den sichersten Anti-Kater-Tipp kennt Lemmy Kilmister, Sänger der Metalband Motörhead: „Du musst mit dem Trinken aufhören, um einen Kater zu bekommen. Warum aufhören?“ Theoretisch hat er recht. Ein Kater – medizinischer Fachausdruck: Veisalgia – stellt sich nur dann ein, wenn der Pegel sinkt. Wer nachschüttet, bleibt von Kopfschmerzen und Übelkeit verschont. Kilmister befolgt sein Prinzip angeblich schon seit Jahren erfolgreich. Wenn Sie am späten Sonntagnachmittag allmählich wieder zu Bewusstsein gelangen, aber der Schädel brummt, ist das kein Grund, den Tag abzuschreiben. Fünf Dinge, bei denen ein Kater nicht hinderlich ist:

gute Vorsätze fassen: nicht mehr rauchen, weniger trinken, kein Sex mehr mit Fremden

mit den Pennern am Bahnhof auf Augenhöhe über den Sinn des Lebens philosophieren

im Andenken an den großen Harald Juhnke laut „My Way“ singen

sich auf die Aftershowparty einer Filmpremiere einschleichen, ein gewisser Pegel ist hier Zutrittsvoraussetzung

fettiges Essen in sich reinstopfen und sich einreden, dass es den Alkoholabbau ankurbelt.

Mythos Konterbier: Was ist dran?

Wenn Sie mit einem Kater aufwachen, können Sie nur versuchen, die Symptome zu lindern. Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass eine neuerliche Zufuhr von Alkohol jetzt Leiden mindere. Ganz falsch ist das nicht. Durch den Nachschub werden vorübergehend die Blutgefäße erweitert, das verschafft einem ein angenehmes Gefühl. Schwindel und Schlappheit können tatsächlich zurückgedrängt werden - bis die Wirkung des nachträglich zugeführten Alkohols wieder abklingt. Das Konterbier ist also nicht wirklich hilfreich. Besser, Sie versuchen Folgendes:

1. Viel trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Nein, keinen Alkohol. Melissentee und Tomatensaft werden empfohlen. Forscher der Uniklinik Freiburg haben die Wirksamkeit von Espresso mit Zitrone nachgewiesen. Auch Orangensaft mit Salz gilt als heilsam, aber jeder muss selbst wissen, was er sich antut.

2. Ordentlich essen, um den Mineralmangel auszugleichen. Ein Klassiker ist der Rollmops. Gerne auch Sauerkraut, saure Gurken, Salzstangen, Eier mit Speck sowie Früchte und Honig.

3. Lüften. Falls möglich einmal um den Block spazieren.

4. Wenn ein Schmerzmittel nötig ist, am besten Ibuprofen statt Paracetamol oder Acetylsalicylsäure nehmen. Das gilt als besser verträglich.

Ab welchem Restalkoholpegel darf ich zum Brunch, und wann sollte ich besser daheim frühstücken?

Ein Brunch ist grundsätzlich eine fragwürdige Angelegenheit, kulinarisch wie gesellschaftlich. Der Anblick eines prall gefüllten Büfetts führt bei den meisten Menschen zum Aussetzen von Verstand und Manieren. Mit Ellenbogen werden Futterkonkurrenten zur Seite gedrängt, mit Tricks, für die es beim Sport eine Rote Karte gäbe, wird an Wurstplatten und Salatschüsseln um die Poleposition gekämpft. Beim Brunch geht es bisweilen hemmungsloser zu als bei der Neueröffnung eines Media-Markts, und der Andrang ist mindestens ebenso groß. Warum, leuchtet nicht ein, denn was ein Brunch sein soll – Frühstück oder Mittag –, ist nicht ganz klar. Und so landen auf dem Teller Speisen, für deren Zusammenstellung jeder Koch- Azubi sofort gefeuert würde. Würstchen mit Milchreis, überbackene Nudeln mit Birchermüsli, Obstsalat mit Lachshappen: Kombinationen wie diese bestellt man beim Essen à la carte nie, beim Brunch sind sie jedoch erprobt und akzeptiert, bisweilen sogar in rauen Mengen.

Mag sein, dass ein Brunch ab einem gewissen Restalkoholpegel erst erträglich wird. Wahrscheinlicher aber ist, dass man das Prozedere mit brummendem Kopf und misanthropischer Stimmung nicht durchsteht. Insofern sollte man besser daheim frühstücken. Das gilt übrigens auch für Menschen, die am Sonntagmorgen komplett nüchtern sind.

Was hilft gegen Augenringe?

Wie man Augenringe wirksam bekämpft, scheint eines der letzten Rätsel der Menschheit zu sein. Die Kosmetikindustrie hat eigens für dieses Problem Dutzende Cremes entwickelt. Deren Wirksamkeit wird jedoch allein durch die vielen neuen, vermeintlich noch besseren Produkte jedes Jahr aufs Neue infrage gestellt. Nicht weniger kurios sind bisweilen die Tipps sogenannter Experten in einschlägigen Magazinen und Internetforen. Einst galten kalte Teebeutel, Eiswürfel und Hämorrhoidensalbe als Mittel der Stunde. Weil sich deren Erfolg offenbar in Grenzen hält, schwören Betroffene neuerdings auf Kartoffeln. Die rohe Knolle reiben, die Masse in ein Mulltuch wickeln auf die Lider legen. Angeblich enthält die Kartoffel ein Enzym, das eine hautaufhellende Wirkung besitzt.

Die Schatten unter den Augen liegen einerseits am mangelnden Schlaf, andererseits am Alkohol, der den Körper dehydriert. Das Blut wird dadurch zähflüssiger, und weil die Haut unter den Augen sehr dünn ist, werden die feinen Adern deutlicher sichtbar. Insofern gibt es nur zwei Dinge, die man gegen Augenringe tun kann: reichlich Wasser trinken und sich noch mal hinlegen. Nach der zusätzlichen Runde Schlaf kann man immer noch Kartoffeln reiben – für Röstis zum Mittag.

Kann sich aus einem One-Night-Stand etwas entwickeln?

Selbstverständlich. Selbst wenn der Sex richtig mies war. Allerdings können sich Männer deutlich mehr Chancen auf ein Wiedersehen ausrechnen als Frauen. Das ist nicht sexistisch gedacht, sondern statistisch erwiesen: Frauen haben signifikant häufiger ein Interesse zur Fortsetzung und Vertiefung der flüchtigen Bekanntschaft. Die Begründung ist recht simpel: Für die Aussicht auf einen One-Night-Stand sind Männer gerne bereit, ihre Ansprüche extrem zu senken. Frauen aber nicht. Wie ein internationales Forscherteam um den Psychologen Achim Schützwohl von der Londoner Brunel-Uni herausfand, spielt es für Männer im Eifer des Gefechts keine gewichtige Rolle, ob sie ihre Partnerin „mäßig attraktiv“ oder gar „eher hässlich“ finden. Das Problem: Am nächsten Morgen gilt dann wieder der gewohnte Standard, und viele Frauen fallen leider durchs Raster.

Brauche ich einen guten Vorsatz für das nächste Wochenende?

Sie brauchen gar nichts. Aber es könnte Spaß und Abwechslung bringen, sich etwas Ehrgeiziges oder auch Mutiges vorzunehmen. Fünf Vorschläge:

1. Versuchen Sie, einen ganzen Abend lang auf jede direkte Frage mit „Ja“ zu antworten – und entsprechend zu handeln.

2. Erleben Sie im Laufe der Nacht mindestens drei Dinge, die Sie bis jetzt noch nicht getan haben.

3. Suchen Sie einen Ort auf, den Sie normalerweise nie betreten würden.

4. Probieren Sie, fünf Telefonnummern zu ergattern.

5. Küssen Sie einen fremden Menschen.

Weitere Weisheiten zum Ausgehen lesen Sie am Mittwoch in der neuen Zitty. Am Freitag, den 1. März stellen die Autoren ihr Buch bei der Zitty-Leserlounge vor. Beginn ist 20 Uhr im Monarch, Skalitzer Straße 134 in Kreuzberg. Karten: 5 Euro, Vorbestellungen: leserlounge@zitty.de.

— Nana Heymann und Sebastian Leber: Nachts sind alle Katzen blau. Feiern für Fortgeschrittene.

Das Buch erscheint am Montag im Goldmann-Verlag, 320 Seiten, 8,99 Euro.

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