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Politik: Wahlkampf für einen Unwählbaren

Der US-Abgeordnete Foley trat nach Sex-Skandal zurück – steht aber in Florida noch auf den Stimmzetteln

Der Übeltäter hat sich aus dem Staub gemacht. Mark Foley sitzt in einer Prominentenklinik für Alkoholentzug in Arizona. In den USA denken viele, dass der Skandal um die Sex-E-Mails, die der homosexuelle Abgeordnete an minderjährige Kongresspraktikanten sandte, Präsident Bush und seine Republikaner die Parlamentsmehrheit bei der Wahl in zehn Tagen kostet: weil er dem Ärger über den Irak, das Gesundheitswesen und Korruptionsaffären eine weitere Empörung über „die da in Washington“ hinzufügt.

Im Wahlkreis 16 im Südosten Floridas, den Foley seit 1995 vertrat, ist sein Name auf merkwürdige Weise präsent und abwesend zugleich. In den Rededuellen in West Palm Beach am Donnerstag und Fort Pierce am Freitagabend zwischen dem demokratischen Herausforderer Tim Mahoney und dem Republikaner Joe Negron, der Anfang Oktober als Ersatzkandidat einsprang, distanzieren sich beide eingangs von „Foley, der uns alle schrecklich enttäuscht hat“. In den folgenden 50 Minuten wird der Name so gut wie gar nicht erwähnt. Sie streiten um „Brot und Butter“-Themen: die drastisch gestiegenen Hausversicherungen gegen Hurrikans und was die Politik dagegen tun kann; wer die besseren Ideen hat, wie man neue Jobs nach Florida holt; und wer die Werte der Bürger und die Interessen der Region glaubwürdiger vertritt.

Erst in der Schlussbotschaft kommt Negron, bisher Landtagsabgeordneter, nochmal auf Foley zu sprechen – notgedrungen. Er muss die Wähler bitten, den Skandalnamen anzukreuzen, damit er gewählt wird. „Nicht vergessen: Jede Stimme für Foley zählt für mich!“, ruft er. Foley steht weiter auf dem Stimmzettel. Negron war fünf Wochen vor der Wahl eingesprungen: nach Floridas Wahlgesetz zu spät, um neue Unterlagen zu drucken. Was ist das für ein Gefühl? Negron, ein schlanker, sportlicher 45-Jähriger mit dunklem Haar, spielt das Problem herunter. „Das ist eine rein technische Frage. Die Wähler haben es verstanden.“

Tim Mahoney, Unternehmer, 50, grauer Seitenscheitel, auch er hochgewachsen und schlank, will nichts davon hören, dass erst Foleys Rückzug ihm eine Siegchance eröffnete. „Neu ist nur, dass jetzt auch mal ausländische Reporter hier runter kommen“, scherzt er. Seit 35 Jahren halten die Republikaner den Wahlkreis. Foley hat ihn 2002 mit 79 und 2004 mit 68 Prozent gewonnen. Jetzt liegen Mahoney und Negron Kopf an Kopf.

Wenn man Foleys Lebensspuren in der Gegend folgt, ist von zorniger Empörung über ihn wenig zu spüren. Foley war beliebt. „Der konnte fremde Menschen ansprechen und ihnen nach wenigen Minuten das Gefühl geben, dass man sich schon lange kennt“, sagt Rick Barter vom Medienkonzern Scripps.

In der Highschool von Lake Worth holt Direktionssekretärin Vickie Schaffer das Jahrbuch der Abschlussklasse 1973 heraus: Foley hat noch ein weiches Kindergesicht, schulterlange hellbraune Locken und eine großflächige Metallbrille, wie sie damals Mode waren. „Er ist bekannt als Schwarm der Ladies“, steht darunter. So war es, erinnert sich Jan Tuckwood, ein Mitschüler und heute Ressortchef der „Palm Beach Post“. Foley sei über 20 gewesen, als er seine Homosexualität entdeckte. Er habe sich geschämt und versucht, es geheim zu halten. „Mitte der 80er wussten wir alle, dass er schwul ist, aber niemand hat sich dran gestört.“ Die Sex-Mails an Minderjährige waren ein Schock. „Haben wir den wahren Mark Foley nie gekannt? Hätten wir misstrauischer sein oder ihm Hilfe anbieten müssen?“

Einige Blocks weiter hatte Foley mit seiner Mutter Ende der 70er ein Restaurant aufgemacht, „The Lettuce Patch“, bekannt für sein Kürbisbrot. Heute ist es eine Kneipe, „Southern Shores Tavern“. Nachmittags trinken ältere Männer ihr Bier an der Bar und verfolgen eine Rateshow im Fernsehen. Foley? „Ach, lasst uns doch mit Politik in Ruhe! Sind doch alles Lügner und Betrüger dort oben in Washington.“ Wählen wollen sie nicht.

Die Schlussphase des Wahlkampfs wird wohl weitere Bürger abschrecken. Um das gefühlte Patt aufzubrechen, greifen Mahoney und Negron zu „Negative ads“: Wahlkampfspots, die den Charakter des Gegners infrage stellen, um seine Anhänger in Zweifel zu stürzen und von der Wahl abzuhalten. Negron sei schuld an den gestiegenen Hurrikan-Versicherungen für Hausbesitzer, behauptet Mahoney. Er stecke mit den Versicherern unter einer Decke, sein Wahlkampf werde von ihnen finanziert. Negron skizziert Mahoney umgekehrt als geldgierigen Unternehmer, der Jobs ins Ausland verlagere und nichts Gutes für Florida getan habe. Am Ende schütteln sie sich versöhnlich die Hand. Alles Show?

Egal, wer von beiden den Wahlkreis 16 holt: Der Trend läuft gegen Bush. Die Demokraten werden wohl am 7. November die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erobern. Der Fall Foley hat dazu beigetragen – auch wenn sie ihn hier unten schon fast ad acta gelegt haben.

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